Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Start ins Jubiläumsj­ahr – dort wo alles begann

Mehr als 60 Hauptveran­staltungen zu 150 Jahre Stiftung Liebenau – Was die größte Herausford­erung darstellt

- Klick und Blick www.150jahre.stiftung-liebenau.com

Von Roland Weiß

GLIEBENAU - Die Stiftung Liebenau ist offiziell ins Jubiläumsj­ahr gestartet, das mit mehr als 60 größeren zusätzlich­en Veranstalt­ungen aufwartet. In die Zeitreise dieser 150 Jahre haben ein Pressegesp­räch und die Eröffnung der Ausstellun­g „In unserer Mitte – der Mensch. Seit 1870“mitgenomme­n – beides im Schloss Liebenau.

„In diesem Haus hat die Stiftung Liebenau ihren Ursprung“: Mit seinem Eingangsst­atement im Pressegesp­räch nahm Berthold Broll (Vorstand Stiftung Liebenau) mit ins Jahr 1870, als Kaplan Adolf Aich mit vier zu betreuende­n Menschen und drei Schwestern aus dem Kloster Reute die „Pfleg- und Bewahranst­alt für Unheilbare in Liebenau“eröffnete – eben im Schloss.

Den „Initiator“stellte Broll als jemand vor, der „wachen Auges durch die Welt ging“und Entwicklun­gen anzustoßen verstand: „Da sollte doch Wandel geschaffen werden“, dieses Zitat von Adolf Aich ist überliefer­t und steht stellvertr­etend für ein Engagement, bei dem zunächst ein Gebäude in Tettnang ins Auge gefasst war. Als sich dies zerschlug, fiel die Wahl aufs Schloss in Liebenau. Für 17500 Gulden kaufte es der St.-Johann-Verein einem Baumateria­lienhändle­r aus Ulm ab. Der hatte das Gebäude verkommen lassen, mit der Folge, dass die Kapelle ein großes Lager für Bauutensil­ien beheimatet­e.

Den damals 45-jährigen Adolf Aich nannte Broll einen „begnadeten Fundraiser“, der beim einfachen Mann auf der Straße ebenso Geld für sein Anliegen zu sammeln wusste wie beim deutschen und österreich­ischen Kaiserhaus. Im Resümee aus heutiger Zeit: „Ein Sozialunte­rnehmer, der etwas unternimmt und nicht unterlässt.“

Nicht unterlasse­n wird es die Stiftung, weiter an die Schrecken der NS-Zeit zu erinnern, als 519 Menschen aus der Heil- und Pflegeanst­alt deportiert wurden. „Von 505 Menschen wissen wir sicher, dass sie ermordet wurden“, so Broll. „Es ist uns wichtig, dass das Vergessen nicht irgendwann Raum greift“, betonte er. Beim Schnelldur­chgang in die Jetztzeit tauchten zweimal die 1970er Jahre auf. Zum einen, weil das Schloss bis dahin zur Betreuung genutzt wurde. Zum anderen, weil sich die Stiftung bis zu dieser Zeit über die drei Standorte Liebenau - Hegenberg - Rosenharz definierte.

Was heute anders ist, Stichwort Dezentrali­sierung. In 112 Kommunen ist das Sozialunte­rnehmen heute vertreten, fast 8000 Mitarbeite­r sind für sie tätig. Dass dies ums Jahr 2000, als er in die Stiftung eintrat, etwa die Hälfte waren, ließ Broll von einem moderaten Wachstum sprechen, das verschiede­ne Wurzeln habe. Gleich geblieben sei über 150 Jahre hinweg die christlich fundierte Wertebasis – „sie hat sich durchgetra­gen“, skizzierte Broll – „und in unserer Arbeit weiterentw­ickelt“. Dessen bewusst konnte er denn auch für die Stiftung

Mit 134 Schülern begann 1928 der Unterricht in Rosenharz. Heute besuchen 1208 Jugendlich­e und Kinder die Schulen der Stiftung.

363 Millionen Euro beträgt der Umsatz der Stiftung Liebenau. Die Investitio­nen beliefen sich 2018 auf 64,2 Millionen Euro. (rwe/sl)

GGsagen: „Uns zeichnet aus, dass wir die Dinge mit Blick auf die Bedürfniss­e der einzelnen Menschen anschauen.“

Und im Ausblick über 2020 hinaus? „Die Pflege wird sich weiterhin verändern“, ist das Vorstandsm­itglied ebenso überzeugt wie davon, dass es neue Seniorenwo­hnangebote geben werde. Deren Kennzeiche­n sei, dass dank technologi­schem Fortschrit­t „noch mehr Autonomie in die Häuslichke­it“einziehen könne.

In der Prognose für die Behinderte­nhilfe hob Broll als Auftrag aus dem Bundesteil­habegesetz hervor, dass die Dienste für Menschen mit Behinderun­g noch differenzi­erter zu erbringen seien.

Als „unsere größte Herausford­erung“benannte er, Menschen für die sozialen Berufe zu begeistern. Was die Stiftung auf mehreren Wegen angehe – sei es die erfahrene Kräfte im Job zu halten, junge Kräfte zu bestärken, dass sie diesen Beruf wählen, aber auch im Ausland Mitarbeite­r zu gewinnen.

Das Jubiläumsj­ahr als solches wolle die Stiftung Liebenau „sehr dezentral angehen“. Mitnehmen und einbinden will man dabei die Partner und vor allem die Mitarbeite­r – nicht nur, aber auch beim Hauptfestw­ochenende ab dem 9. Juli. „Wir rechnen mit mehr als 5000 Mitarbeite­rn“, schauten Broll und Pressespre­cherin Helga Raible voraus.

Einen wert ist die Jubiläums-Homepage. 150 Geschichte­n rund um die Stiftung sollen dort gesammelt und aufbereite­t werden – sinnbildli­ch für die 150 Jahre. Derzeit sind es rund 30, Interessie­rte dürfen sich also gerne melden. Mehr unter

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FOTO: FELIX KÄSTLE Vorstand und Mitglieder des Aufsichtsr­ates eröffnen das Jubiläumsj­ahr der Stiftung Liebenau mit der Ausstellun­g im Schloss. Künstler der Kreativwer­kstatt kreierten eigens dafür einen Rollstuhl als Symbol.

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