Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Seglitz bringt den Schweigenberg zum Reden
Ravensburger Autorin stellt ihren neuen Roman auf der Meersburg vor
Von Gudrun Schäfer-Burmeister
GMEERSBURG - Die Autorin Katrin Seglitz hat am Samstagnachmittag in Meersburg ihren neuen Roman „Schweigenberg“vorgestellt. Zum „Jour Fixe“der Fachgruppe Literatur des IBC – Internationaler BodenseeClub fanden Freunde der Meersburger Autorenrunde und an der Thematik des neuen Romans interessierte Menschen ihren Weg zur Lesung im Burgcafé der verwinkelten mittelalterlichen Mauern, empfangen von Gastgeberin und Burgherrin Julia Naeßl-Doms.
Kaffeelöffel und Kuchengabeln schwiegen auf ihren Tellern, während die knapp 40 Gäste ihre Aufmerksamkeit der Stimme von Katrin Seglitz zuwandten. 30 Jahre nach dem Mauerfall hat sie einen Roman veröffentlicht, der in der Gegenwart spielt und in die Schicksale von Menschen eintaucht, die auf jeweils individuelle Weise von der politischen Vergangenheit und Entwicklung betroffen sind. Der Ort der Handlung ist Sahlen im Gebiet Saale-Unstrut in Sachsen-Anhalt, ein fiktiver Ort, der dem ehemaligen Zentrum der DDRSchuhindustrie Weißenfels nachempfunden ist. Den titelgebenden
Schweigenberg gibt es als Weinberg so tatsächlich, im Roman steht er außerdem als Metapher für eine Anhäufung des Schweigens. Katrin Seglitz stellte in ihrer etwa halbstündigen Lesung drei Protagonisten vor. Arne ist Böttcher und Weinbauer. Zufällig trifft er auf den Mann, der ihn als Richter zu drei Jahren Gefängnis wegen versuchter Republikflucht verurteilt hat. Er nutzt die Gelegenheit zur Rache und will ihm, eingesperrt in einen Keller, die gleiche Behandlung angedeihen lassen. Nora ist eine alte Frau, deren Leben bis in tiefe Empfindungen von der Schuhfabrik am Ort geprägt ist und die mit der Verlagerung dieser von handwerklichem Können geprägten Industrie in asiatische Länder ihre Arbeit verlor. Auf dem Weg zu ihr befindet sich ihre Enkelin Iris, die sich während der Autofahrt von Süddeutschland in den Osten gedanklich an die Großmutter annähert und sich dabei Erinnerungsmomenten hingibt. Ihren Beruf der Renaturierung von verbauten Grünflächen beschreibt Iris als Betonplatten aufbrechen, was allegorisch für ihr Interesse an der verschwiegenen Vergangenheit steht. Die Zuhörerschaft lauschte Katrin Seglitz Lesung gebannt. Eine Stärke ihrer Erzählkunst besteht in detailgetreuen, faszinierenden Beschreibungen wie beispielsweise dem Aufbau eines guten Schuhs, wonach man diesem Kleidungsstück vermutlich größere Aufmerksamkeit als bisher widmet. Dass Seglitz auch den Aufbau eines spannenden Romans beherrscht, zeigten der Applaus des Publikums und die sich anschließenden Fragen. Ob Arne nochmals in den Knast müsse, war eine davon, die offen blieb.
Seglitz berichtete von der Entstehung des Buches aus einer kleinen Erzählung heraus, von anderen Geschichten und Begegnungen, die sie allmählich verwob. Dass sie mit dem Roman nachempfindbare, wunde Punkte anspricht, wurde in Reaktionen persönlicher Betroffenheit deutlich. Die sorgfältige Recherche der Autorin ließ sie auch Wein vom Schweigenberg mitbringen, der nach der Lesung verkostet werden konnte. Wer auf den Geschmack kam, kaufte beides: Buch und Wein vom Schweigenberg.