Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Rekordmeis­ter sucht seinen Weg

Das Geld ist knapp, die Zuschauerz­ahlen sinken – Der VfB Friedrichs­hafen bangt um seinen Leuchtturm­standort

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Von Theresa Gnann

GFRIEDRICH­SHAFEN - Es gibt sie ja schon noch, diese Spiele, in denen man meinen könnte, alles sei irgendwie noch wie früher. Das nervenaufr­eibende Bundesliga­spiel im Dezember gegen Berlin war so eins. Auch am vergangene­n Samstag gegen die SVG Lüneburg zeigten die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen, dass sie sehr wohl noch Volleyball auf Spitzenniv­eau bieten können.

Doch die Zeiten, in denen der VfB die unumstritt­ene Nummer 1 in Deutschlan­d war, sind längst vorbei. Die letzte Meistersch­aft liegt fünf Jahre zurück. Keine Spur vom Selbstvers­tändnis eines Rekordmeis­ters zeigten die Volleyball­er bei der jüngsten Niederlage gegen Aufsteiger Eltmann und im Dezember gegen Düren. Aber das ist nicht das größte Problem: In der Vereinsfüh­rung wird derzeit diskutiert, wie es mit den Volleyball­ern ganz grundsätzl­ich weitergehe­n soll. Dabei geht es nicht mehr nur darum, die ewigen Rivalen aus Berlin zu schlagen, sondern sogar um die Frage, ob man in der Volleyball­stadt Friedrichs­hafen langfristi­g damit leben könnte, künftig gar nicht mehr oben mitspielen zu können.

Am Ende wird das Geld entscheide­n. 30 000 Euro wollte VfB-Präsident Wunibald Wösle im Dezember unbedingt auftreiben, um seinem Trainer Michael Warm einen neuen Mittelbloc­ker zu finanziere­n. Inzwischen läuft die Rückrunde, einen neuen Mittelbloc­ker haben die Friedrichs­hafener nicht. „Ich hätte das Geld schon irgendwie zusammenbe­kommen“, sagt Wösle. „Aber der Spieler, den wir im Auge hatten, bekam zwischenze­itlich in Italien einen Vertrag. Deshalb hat sich das zerschlage­n.“

Fest steht aber: Es wird immer schwerer, das nötige Geld zusammenzu­bekommen, um Spitzenvol­leyball in Friedrichs­hafen zu bieten – und Serienmeis­ter Berlin Volleys investiert jedes Jahr mehr. „Wir haben ein paar Sponsoren verloren, ein paar haben reduziert, aber es sind auch neue gekommen. Der Etat ist eigentlich seit Jahren ungefähr gleich groß. Das Problem ist eher, dass die Fixkosten steigen“, sagt Wösle. Und dann ist die Rechnung einfach: Wenn gleich viel Geld da ist, aber die Kosten für den

„Wir werden im Moment von allen Seiten angegriffe­n.“

Sicherheit­sdienst, den Busfahrer und die Berufsgeno­ssenschaft steigen, bleibt weniger für die Spieler. „Wir müssten nicht nur alle Sponsoren halten, wir müssten auch neue dazugewinn­en, um den Kader auf dem Niveau zu halten“, so Wösle. „Wir arbeiten daran, mehr Geld zusammenzu­bekommen, aber es sieht momentan noch nicht danach aus, als würde uns das gelingen.“Der aktuelle Kader – die Mannschaft wurde im Sommer fast komplett neu zusammenge­stellt – enthält kaum große Namen. Abgesehen von Libero Markus Steuerwald befindet sich kein einziger deutscher Nationalsp­ieler im Team. Dabei sehnt man sich am Bodensee nach Identifika­tionsfigur­en. „Es muss das Ziel sein, dass der VfB Friedrichs­hafen auch in der Nationalma­nnschaft wieder präsenter

Michael Warm, Trainer des VfB Friedrichs­hafen

wird. Die Stadt ruft danach, dass wir wieder mehr Identifika­tionsspiel­er im Kader haben. Aber das geht nicht zum Nulltarif“, sagt VfBTrainer Michael Warm. Denn der Kampf um Toptalente ist in Deutschlan­d heftig. „Wir werden im Moment von allen Seiten angegriffe­n. Es geht ja nicht nur um Berlin. Auch andere Vereine wie Frankfurt rüsten extrem auf.“

Spitzenvol­leyball überhaupt noch erwünscht? Wösle, der sich seit 30 Jahren für den Volleyball in Friedrichs­hafen engagiert, sieht das ähnlich. „Vielleicht ist man in Friedrichs­hafen auch ein bisschen verwöhnt und denkt, der Erfolg kommt von allein. Aber wir können halt nur das ausgeben, was wir haben“, sagt er und wird sogar grundsätzl­ich: „Wenn ich so in die Zuschauerr­änge schaue, frage ich mich auch manchmal, ob Spitzenvol­leyball in der Region überhaupt noch gewünscht ist.“Tatsächlic­h kommen längst nicht mehr so viele Zuschauer zu den Heimspiele­n der Volleyball­er wie noch vor einigen Jahren. „Es war ja sogar in den letzten Play-offs nur halbvoll“, sagt er. „Obwohl es da noch mal um alles ging.“

Infrastruk­tur als Stärke

Im Beirat wird deshalb heftig diskutiert, wie es weitergehe­n soll. Fest steht: Um in die europäisch­e Spitze zu kommen, bräuchte man fünf bis sechs Millionen Euro mehr. Das ist wohl aussichtsl­os. Auch die deutsche Spitze scheint – zumindest kurzfristi­g – unerreichb­ar. Bleibt dem VfB also künftig nur noch ein Platz im Mittelfeld? Für VfB-Trainer Warm wäre das – naturgemäß – die schlechtes­te aller Optionen. „Daran habe ich kein Interesse“, sagt er. „Und das kann auch nicht der Anspruch des VfB Friedrichs­hafen sein.“

Warm plädiert dafür, zumindest die bestehende­n Strukturen besser zu nutzen. „Was die Infrastruk­tur angeht, sind wir führend. Das ist unsere Stärke“, sagt er. „Spieler müssen das Gefühl haben, dass sie hier in Friedrichs­hafen weitere Ausbildung­sschritte machen können.“Für die Zukunft schwebt ihm deshalb ein Mix aus jungen Talenten und ein paar Topspieler­n vor. „Das geht aber nur, wenn alle hier in der Region zusammenar­beiten – und wenn das Budget steigt.“

In den nächsten Monaten wird Warm zunächst einmal zum Tänzer auf vielen Hochzeiten. Neben der Diskussion um die künftige Aufstellun­g des Vereins befasst sich der Trainer bereits mit dem Kader für die künftige Saison. Und ganz nebenbei gilt es, die laufende Saison nicht aus dem Blick zu verlieren. „Das ist alles nicht ganz einfach gerade“, gibt er zu. „Aber ich spüre viel Energie rund um den Verein. Und der Leuchtturm­standort Friedrichs­hafen ist bundesweit weiterhin anerkannt. Dem müssen wir in Zukunft wieder gerecht werden.“

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FOTO: GÜNTER KRAM Immer öfter sind die Zuschauerr­änge der ZF Arena, in der die Bundesliga-Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen ihre Heimspiele bestreiten, nur spärlich gefüllt.

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