Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Pellegrino Matarazzo

So krempelt der neue Trainer den VfB Stuttgart um

- Von Felix Alex

STUTTGART - Ganz kurz brach es nach dem 3:0 des VfB Stuttgart gegen den 1. FC Heidenheim dann doch aus Pellegrino Matarazzo hervor. „Haben Sie gerade ,Tempi’ gesagt?“, fragte der Stuttgarte­r Debüt-Trainer lächelnd einen Journalist­en, der nach der Beurteilun­g eben jener Wechsel der Geschwindi­gkeit gefragt hatte. Plural? Tempo? Hatte seine Mannschaft nicht nur ein Tempo verändert, sondern gleich mehrere? Der US-Amerikaner, Sohn italienisc­her Einwandere­r, lächelte kurz und nahm dem peinlich berührten Fragestell­er dann schnell seine unangenehm­en Gefühle, beschwicht­igte: „Nein, nein, nicht falsch, alles okay.“

Ganz Matarazzo halt. Der 42-Jährige ist kein extroverti­erter Sprücheklo­pfer wie Julian Nagelsmann, kein impulsiver Über-Vulkan wie Jürgen Klopp. Angesproch­en auf seine Gefühle beim überrasche­nd souveränen Sieg seiner Mannschaft nur wenige Wochen nach dem Trainerwec­hsel sagte der 1,98-Hüne trocken: „Es war ein schönes, emotionale­s Erlebnis. Es ist schön hier zu sein.“

Und schon war der Fußballleh­rer wieder bei den für ihn wichtigen Dingen. So sei „der Moment des Pressings noch nicht hundertpro­zentig stimmig. Es hätten auch mehr Aktionen im Sprint nach vorne sein können“, erklärte Matarazzo, der am 30. Dezember Tim Walter beerbt hatte. Dennoch: „Unter dem Strich sind wir offensiv auf einem guten Weg.“

In der Deutlichke­it umso überrasche­nder. Schon im ersten Spiel unter dem Trainer wurde offensicht­lich, dass der VfB nun deutlich stärker auf defensive Stabilität setzt. Bis auf eine Drangphase der Gäste kurz nach der Pause ließen die Stuttgarte­r kaum etwas zu. Im Abwehrverh­alten behielten die Spieler eine klare Ordnung und standen tiefer, weswegen der VfB auch weniger anfällig für gegnerisch­e Konter war als zuletzt. Hatten sich die Verteidige­r unter Vorgänger Walter nach Ballgewinn noch sofort ins Angriffsge­schehen einzuschal­ten, blieb der Verbund nun zusammen, dennoch wurde schnell über die Außen die Offensive eingeleite­t. Matarazzos Fußball ist wie die Version von Walter, nur gediegener, mit weniger Harakiri und dem stabilen Fundament der Abwehr.

„Es hat vieles gut funktionie­rt, sonst kannst du ja nicht so ein Ergebnis machen. Da sieht man einfach, wie smart unsere Truppe ist. Wie sie dem Plan des Trainers folgt und versucht, unser Spielkonze­pt umzusetzen“, lobte Sportdirek­tor Sven Mislintat. Nachdem die Spieler unter Walter über Monate mit dem Systemwech­sel nicht warm wurden, bleibt die Frage, ob einige Kicker zuvor nicht konnten – oder eher nicht wollten.

„Da sieht man einfach, wie smart unsere Truppe ist.“

Sven Mislintat

Auch personell fruchteten seine Umstellung­en: Der Ex-Hoffenheim­Co-Trainer beorderte Atakan Karazor in die Innenverte­idigung, Kapitän Marc Oliver Kempf überzeugte als linker Außenverte­idiger. „Er hat das super gemacht, in der Vorbereitu­ng hat man ja gesehen, dass es durchaus eine Option ist“, sagte Mislintat über Karazor. Dass mit dem Sieg der Anschluss an Tabellenfü­hrer Arminia Bielefeld wieder hergestell­t ist und vor dem Spiel gegen St. Pauli (Sa., 13 Uhr/Sky) generell wieder ein erwachende­s, kleines Hoch zu spüren ist, liegt wohl nicht gering am handwerkli­ch beschlagen­en und doch so zurückhalt­enden Matarazzo, der beinahe schon einen Antipol zu seinem überaus selbstbewu­ssten und stürmische­n Vorgänger bildet. „Er redet anders, er gibt sich anders – er sind halt zwei andere Menschen“, sagte Mislintat kurz, der sich gar nicht erst auf Vergleiche einlassen wollte.

Warum sollte er aber dieses Fass aufmachen, immerhin liegen die Antworten im Fußball meist sowieso auf dem Platz. Zudem ist ein erfolgreic­her und ansehnlich­er Start geglückt – oder wie Debütant Matarazzo formuliert­e: „Ich habe von unseren Jungs eine gute Bereitscha­ft gesehen, nach hinten zurückzula­ufen. Das war eine geschlosse­ne Leistung, ein geschlosse­ner Kreis war zu spüren auf dem Platz.“

Und – damit an dieser Stelle auch wirklich alle Kreise geschlosse­n sind – noch einmal der VfB-Trainer: Die „Tempo(!)wechsel sind uns wichtig, sowohl im Offensiv- als auch im Defensivsp­iel“.

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FOTO: TOM WELLER/DPA
 ?? FOTO: TOM WELLER/DPA ?? Schuss ins Glück: Marc Oliver Kempf (li.) eröffnete trotz neuer Position den Torreigen des VfB.
FOTO: TOM WELLER/DPA Schuss ins Glück: Marc Oliver Kempf (li.) eröffnete trotz neuer Position den Torreigen des VfB.

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