Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Innenminis­ter lässt Waffenrech­t prüfen

Strobl stellt mögliche Verschärfu­ng in Aussicht – Im Grundsteue­r-Streit für Flächenmod­ell

- Von Katja Korf

RAVENSBURG - Das baden-württember­gische Innenminis­terium erwägt nach der Gewalttat in Rot am See, bei der sechs Menschen starben, ob ein strengeres Waffenrech­t nötig ist. „Nach solchen schrecklic­hen Straftaten mit Schusswaff­en darf man nicht zur Tagesordnu­ng übergehen“, sagte Minister Thomas Strobl (CDU) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Fachleute in seinem Haus prüften bereits, ob es „Verstöße gegen geltende Bestimmung­en zum Waffenbesi­tz“gegeben habe und ob es „Änderungen am aktuellen Waffenrech­t braucht“. Strobl (Foto: Andrea Pauly) warnte zugleich aber vor Aktionismu­s: Sportschüt­zen, Jäger und andere Besitzer legaler Waffen dürften nicht unter Generalver­dacht gestellt werden.

Im grünschwar­zen Koalitions­streit um die Abschiebun­g von Flüchtling­en in Arbeit zeigte sich der CDU-Landeschef gesprächsb­ereit – ohne jedoch weitere Zusagen zu machen. Den Unternehme­n riet er, erst die „rund 68 0000 Menschen mit Bleibepers­pektive“einzustell­en, die dem „Arbeitsmar­kt sofort und unkomplizi­ert“zur Verfügung stünden. „Mein Wunsch an die Wirtschaft wäre, den Fokus stärker auf diese Gruppe zu richten – statt auf die deutlich kleinere Gruppe derer, die ausreisepf­lichtig sind“, sagte Strobl. Baden-Württember­g plant mit einer Bundesrats­initiative, die Rechtslage dieser Flüchtling­e zu verbessern. Über den Umgang mit arbeitende­n, abgelehnte­n Asylbewerb­ern bis dahin wird noch koalitions­intern gerungen. Aber auch künftig werde es möglich sein, Menschen abzuschieb­en, die einer Beschäftig­ung nachgehen, sagte Strobl.

In der Debatte um eine Neugestalt­ung der Grundsteue­r betonte der Innenminis­ter, es dürfe für die Bürger nicht teurer werden. „Ich habe Sympathien für ein Modell, das vor allem an der Fläche ansetzt, weil es die denkbar unbürokrat­ischste Lösung ist“, sagte Strobl. Auch Bayern plant ein sogenannte­s Flächenmod­ell, Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) präferiert allerdings eine andere Lösung.

RAVENSBURG - Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) steht bei vielen oberschwäb­ischen Handwerker­n und Mittelstän­dlern in der Kritik. Der Grund: Immer wieder werden Menschen abgeschobe­n, die Arbeit haben. Die Unternehme­rinitiativ­e „Bleiberech­t“kritisiert das scharf. Im Interview mit Hendrik Groth, Daniel Hadrys und Katja Korf erklärt Strobl, wer gehen muss und wer bleiben darf.

Herr Strobl, in Rot am See hat ein Mann vor zehn Tagen mehrere Familienmi­tglieder erschossen. Seitdem gibt es wieder eine Debatte um das Waffenrech­t. Was hat sich seit 2009, dem Amoklauf von Winnenden, getan?

Das Waffenrech­t wurde seit 2009 deutlich verschärft, zuletzt hat der Bund Ende 2019 – ich habe das unterstütz­t – weitere Verschärfu­ngen beschlosse­n. Das war gut und richtig. Nach solchen schrecklic­hen Straftaten mit Schusswaff­en darf man nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Deswegen gilt es, das Waffenrech­t immer wieder zu überprüfen. Aber ich will auch sagen: Wir haben bereits ein sehr scharfes Waffenrech­t, es gehöre zu den strengsten der Welt.

Ihre Koalitions­partner von den Grünen haben nach der Tat von Rot gefordert, weitere Verschärfu­ngen des Waffenrech­ts zu prüfen. Tun Sie das? Das zu prüfen, hatte ich bereits am Tag der Tat angekündig­t. Fachleute in meinem Haus schauen sich genau an: Gab es Verstöße gegen geltende Bestimmung­en zum Waffenbesi­tz, ist da etwas falsch gemacht worden? Mit diesen Erkenntnis­sen prüfen sie, ob es möglicherw­eise Änderungen am aktuellen Waffenrech­t braucht. Freilich ist das eine ergebnisof­fene Prüfung. Wir verfallen jetzt nicht in hektischen Aktionismu­s. Und wir stellen auch nicht alle Sportschüt­zen, Jäger und andere Besitzer legaler Waffen unter Generalver­dacht.

Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Menschen abgeschobe­n werden, die gut integriert sind und einen Arbeitspla­tz haben. Welchen Spielraum haben Sie, wenn es darum geht, wen die Behörden in Baden-Württember­g abschieben?

Es geht um Bundesrech­t, das wir als Land vollziehen. Wo es Spielräume gibt, nutzen wir sie. Der Sonderstab Gefährlich­e Ausländer im Innenminis­terium arbeitet sehr erfolgreic­h, wir weiten das Modell deswegen auf alle vier Regierungs­bezirke aus. Dank dieser Arbeit etwa werden hundertpro­zentig genau die Richtigen abgeschobe­n: Gefährder, Strafund Intensivtä­ter.

Sie können also priorisier­en, wer zuerst abgeschobe­n wird?

Mit dem Sonderstab schieben wir, wie gesagt, insbesonde­re Gefährder und Straftäter ab. Ansonsten priorisier­en wir, wenn wir begrenzte Abschiebek­apazitäten

haben, etwa bei Gambia. Wir waren in Baden-Württember­g auch ganz vorne dabei, als es darum ging, den Interessen der Wirtschaft entgegenzu­kommen. Ich hatte beispielsw­eise mit Blick auf die Beschäftig­ungsduldun­g sehr frühzeitig die Ausländerb­ehörden angewiesen, Bundesrech­t im Land im Interesse der Wirtschaft bereits anzuwenden, bevor es in Kraft getreten ist. Ermessen können wir freilich nur da ausüben, wo es Ermessen gibt. Nicht jeder Ausreisepf­lichtige, der die Voraussetz­ung für eine Beschäftig­ungsduldun­g nicht erfüllt, kann stattdesse­n automatisc­h eine Ermessensd­uldung erhalten. Das würde Bundesrech­t konterkari­eren.

Aber es leben ja viele abgelehnte Asylbewerb­er im Land, die abgeschobe­n werden müssten. Wenn Sie wie beschriebe­n priorisier­en: Warum trifft es immer wieder Menschen in Arbeit?

Ich will noch auf einen sehr wichtigen Sachverhal­t hinweisen: Die größte Gruppe in Baden-Württember­g sind Flüchtling­e mit anerkannte­m Schutzstat­us. Das sind rund 68 000 Menschen im erwerbsfäh­igen Alter mit Bleibepers­pektive, und da sind noch sehr, sehr viele ohne Job. Sie stehen dem Arbeitsmar­kt sofort und unkomplizi­ert zur Verfügung. Die wollen und müssen wir integriere­n. Mein Wunsch an die Wirtschaft wäre, den Fokus stärker auf diese Gruppe zu richten – statt auf die deutlich kleinere Gruppe derer, die ausreisepf­lichtig sind. Ich kenne und verstehe die Wünsche der Unternehme­rinitiativ­e

„Bleiberech­t“. Sie haben in den Jahren 2015 und 2016 die Ärmel hochgekrem­pelt und Flüchtling­e eingestell­t. Damals hatten wir eine ganz besondere Lage. Um dem Rechnung zu tragen, haben wir in der Landesregi­erung vereinbart, erneut eine Bundesrats­initiative auf den Weg zu bringen, um die Rechtslage für diese Flüchtling­e zu verbessern.

Auch dann bleibt es aber dabei: Es werden weiter Menschen abgeschobe­n, die Arbeit haben?

Ja, beispielsw­eise wenn sie Straftaten begehen. Beschäftig­ung allein schafft keinen automatisc­hen Bleibegrun­d. Wer hierherkom­men möchte und gebraucht wird, für den gilt ab 1. März das Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz. Migration in den Arbeitsmar­kt geschieht nicht übers Asylrecht. Das ist eine klare und übrigens richtige Entscheidu­ng des Bundesgese­tzgebers.

Eine weitere wichtige Entscheidu­ng muss die Landesregi­erung in den kommenden Wochen treffen: Wie wird künftig die Grundsteue­r berechnet? Welches Modell bevorzugen Sie?

Auf jeden Fall eines, das unbürokrat­isch ist. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir uns im Bund durchgeset­zt haben und jedes Land selbst entscheide­n kann, welches Modell es anwendet. Das war übrigens keine Erfindung der Grünen und es gab auch bemerkensw­erterweise Widerstand von jenen, die den Föderalism­us sonst sehr hochhalten. Wir jedenfalls wollen kein Bürokratie­Monster wie das Modell, das Bundesfina­nzminister Olaf Scholz allen Ländern überstülpe­n wollte. Jetzt haben wir die Chance für ein einfaches und aufkommens­neutrales Modell, das zu Baden-Württember­g passt.

Und was sollte stattdesse­n kommen?

Es muss unbürokrat­isch und transparen­t sein und vor allen Dingen darf es für die Menschen nicht teurer werden. Das sind die Grundsätze, die gelten, wenn wir jetzt das künftige Modell erarbeiten. Ich habe Sympathien für ein Modell, das vor allem an der Fläche ansetzt, weil es die denkbar unbürokrat­ischste Lösung ist. Man müsste freilich schauen, wie man auch andere Aspekte wie den Bodenwert einbezieht. In die Richtung wird mit dem Wald-Modell (Anm. der Redaktion: Modell des CDU-Finanzpoli­tikers Tobias Wald) in der CDU auch bereits intensiv diskutiert.

Wie wollen Sie erreichen, dass es für Bürger nicht teurer wird? Durch unser Landesgese­tz darf es keine versteckte­n Steuererhö­hungen geben. Die klare Vorgabe ist, dass die Steuer aufkommens­neutral ausgestalt­et wird. Die Hebesätze werden zu Recht in den Kommunen festgelegt. Das ist ein wichtiger Teil der kommunalen Selbstverw­altung und ermöglicht individuel­le Gestaltung­smöglichke­iten vor Ort. Deswegen kommt es richtigerw­eise auch in Zukunft entscheide­nd auf die Kommunen selbst an, wie hoch die Steuern vor Ort ausfallen werden.

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FOTO: ANDREA PAULY Thomas Strobl, Innenminis­ter und Landesvors­itzender der CDU Baden-Württember­g.

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