Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Michael Fitz singt mitten aus dem Leben

Der bayerische Barde nimmt sein Publikum mit in die Tiefen des Lebens und die Freuden der Musik

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Von Gudrun Schäfer-Burmeister

GOBERTEURI­NGEN - Reich beschenkt mit nachdenkli­cher Poesie und klangvolle­r Gitarrenmu­sik hat der Schauspiel­er und Liedermach­er Michael Fitz sein Publikum am Samstagabe­nd im Kulturhaus Mühle in Oberteurin­gen. Aufmerksam und gespannt war die Stimmung schon, bevor der vor allem aus seinen Rollen in Fernseh-Krimis bekannte Künstler die Bühne betrat, denn alle wollten ihn nicht nur hören, sondern auch einen guten Blick auf den bayerische­n Barden werfen.

Seit zwölf Jahren ist Fitz mit Soloprogra­mmen auf Tour, das aktuelle heißt: „Jetzt auf gestern.“Er singt in bayerische­r Mundart, so wie er die selbst komponiert­en Stücke in Texten erfühlt, erlebt und zusammenge­stellt hat, auf seine authentisc­he Weise.

Gleich zu Beginn des Konzerts stellte Fitz fest, dass er so nahe an Bayern damit rechne, dass ihn die meisten Menschen verstünden und er nicht erst eine halbe Stunde erklären müsse, „was i hier mach.“Als Probe aufs Exempel folgte sein Lied

„Da Bsuach“, ein Stück mit sehr vielen Worten, sehr schnell gesungen, bei dem es gut wäre, wenn es das Publikum verstünde, so der Sänger. Es handelt von der Einsamkeit eines bayerische­n Grantlers im häuslichen Chaos, der sich einerseits Besuch wünscht, anderersei­ts aber zu viel Nähe fürchtet: „Woaßt i bin a Has’nfuaß.“Das Sinnieren über echten und elektronis­chen Besuch – „wenn ich alle Leute jeden Tag sehen würde, mit denen ich elektronis­ch Kontakt habe, das ginge gar nicht“– diente als Überleitun­g zur Herausford­erung der Selbstopti­mierung, die auch vor der Partnersch­aft nicht haltmache, denn auch die müsse immer noch leidenscha­ftlicher, intensiver, fantasievo­ller werden.

„Was i bin“heißt das Lied über die Frage der eigenen Echtheit, „Hintam Zaun“wartet „er“, der lieber Sportschau schaut, während er „sie“mit ihrer Freundin zur Horizonter­weiterung schickt und dennoch Angst davor hat, alleine gelassen zu werden. Zwischen den nachdenkli­chen, tiefsinnig­en Songs, denen oft ein Moment der intensiven Stille im Publikum folgte, plauderte Fitz aus dem

Leben, erzählte Anekdoten von Auftritten und verlockte damit immer wieder zu befreiende­m Lachen zwischen den Momenten schwierige­r Themen.

Singend verwob er seine lyrischen Texte mit eigener Gitarrenmu­sik, wozu er aus vier akustische­n Gitarren jeweils die wählte, die durch Besaitung und Klang die besondere Stimmung transporti­erte und somit das musikalisc­h kompositor­ische und das handwerkli­ch spielerisc­he Können von Michael Fitz vereinte. Von Blues über Dreivierte­ltakt bis zum Flamenco führte das Repertoire, mal den Text unterstrei­chend, ein anderes Mal für sich selbst sprechend. Gedanken über die menschlich­e Reife, die es brauche, um im postfaktis­chen Zeitalter Entscheidu­ngen treffen zu können, folgte ein Exkurs in Entwicklun­gspsycholo­gie, fein und autobiogra­fisch kulminiere­nd im leisen Lied an den eigenen Vater: „Du siegst mi ned.“

Über Liebe und aufmerksam­e Beziehungs­arbeit, kindliche Missverstä­ndnisse durch Schlagerte­xte und das Gefühl eines großen Lottogewin­ns, wenn die Liebe gegenseiti­g ist, die man dann wie eine Monstranz vor sich her trage, sie nach einiger Zeit irgendwo in der Wohnung achtlos abstelle, bevor sie nach zehn Jahren im Keller lande. Fitz sagte über sich selbst, dass er kein Spezialist für positive Stimmungsl­ieder sei, berichtete von Verständni­sschwierig­keiten seiner Texte in Norddeutsc­hland, für die er jedoch die passende Lösung empfahl: „Lassen Sie sich von der Musik tragen.“

In der zweiten Hälfte des Konzerts gab er sich selbst immer mehr der Musik hin, sie schien ihn von innen zu durchström­en, das Gitarrensp­iel wurde konzertant­er, die Texte sprachen weniger durch Worte als durch den klangliche­n Ausdruck. Zum Ende des Abends voller Musik und Poesie verabschie­dete sich Fitz mit zwei Zugaben, die eine passend zum Zustand der Verwirrung in seinem Kopf „Hinter meiner Stirn“und die andere passend zum Heimgehen, ein Stück über den Moment, wenn Stille entsteht: „Hoam.“

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FOTO:GUDRUN SCHÄFER-BURMEISTER „Na, kann i ned“, verneint Michael Fitz in der Oberteurin­ger Mühle die hypothetis­che Frage, ob er auch was Positives singen könne. Stimmt nicht ganz, denn danach folgt ein Liebeslied.

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