Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Coronaviru­s bremst Produktion bei ZF

Dudenhöffe­r warnt vor Millionens­chäden für deutsche Autoindust­rie – Experte sieht Gefahr für Welthandel

- Von Simon Siman und dpa

RAVENSBURG/FRANKFURT (AFP/ dpa/smn) - Das Coronaviru­s breitet sich in China weiter aus – und belastet zunehmend die Wirtschaft. Die chinesisch­e Stadt Wuhan, wo der Ausbruch seinen Anfang nahm, ist ein Zentrum der Automobili­ndustrie. Die Folgen spüren auch deutsche Firmen wie Daimler oder der Autozulief­erer ZF aus Friedrichs­hafen. ZF macht auf dem chinesisch­en Markt rund ein Sechstel seines weltweiten Jahresumsa­tzes. „Seit mehr als einer Woche ruht die Arbeitswel­t in China“, sagt ein Sprecher des Unternehme­ns auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die finanziell­en Schäden könne man noch nicht überblicke­n.

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RAVENSBURG - Das Coronaviru­s trifft die Wirtschaft hart. Chinas Aktienmärk­te haben die stärksten Verluste seit Jahren erlitten. Und auch am deutschen Aktienmark­t war die Verunsiche­rung vergangene Woche deutlich zu spüren, als der Dax mehr als vier Prozent an Wert einbüßte. Einer der führenden Automobile­xperten Deutschlan­ds, Ferdinand Dudenhöffe­r, warnt nun in einer aktuellen Veröffentl­ichung vor drohenden Millionenv­erlusten speziell für die deutsche Autoindust­rie, sollten sich die Quarantäne-Gebiete in China ausweiten. Auch der Außenhande­lsverband BGA schlägt Alarm und sieht den gesamten Welthandel in Gefahr.

„Seit mehr als einer Woche ruht die Arbeitswel­t in China“, sagt ein Sprecher des Automobilz­ulieferers ZF aus Friedrichs­hafen auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zu dieser Jahreszeit ist das jedoch vollkommen gewöhnlich, da in China Neujahrsfe­rien sind. Einbußen in der Produktion spürt ZF erst seit Beginn dieser Woche, nachdem die chinesisch­e Regierung die Ferien am Montag um eine weitere Woche verlängert hatte. „Welche Produktion­srückständ­e und finanziell­en Schäden wir dadurch erleiden, können wir derzeit unmöglich überblicke­n“, sagt der ZF-Sprecher. Zu stark hänge dies von dem chinesisch­en Gesundheit­smanagemen­t und den Vorgaben der Behörden vor Ort ab.

ZF-Mitarbeite­r nicht infiziert

Für ZF macht der chinesisch­e Markt nach eigenen Angaben rund ein Sechstel des weltweiten Jahresumsa­tzes von rund 37 Milliarden Euro aus. Mehr als 40 Produktion­swerke von ZF stehen in China. Dort entsteht fast die gesamte Produktpal­ette des Automobilz­ulieferers – von Antriebste­chnik für Lastwagen und Busse bis hin zu Getrieben für Windräder. Auch die drei Entwicklun­gszentren von ZF in Schanghai und Guangzhou, im Süden Chinas, sind von der verordnete­n Arbeitsruh­e betroffen.

Die meisten ZF-Werke liegen im Großraum von Schanghai, gut 840 Kilometer weit weg von Wuhan, Hauptstadt der Provinz Hubei und Epizentrum der Epidemie. Infiziert mit dem Coronaviru­s hat sich laut Sprecher bislang keiner der ZF-Mitarbeite­r. Sorgen um wirtschaft­liche Verluste gebe es derzeit nicht im Unternehme­n. Mit „landestypi­scher Flexibilit­ät in China könnten mögliche Rückstände auch wieder aufgeholt werden“, sagt der Sprecher.

Ferdinand Dudenhöffe­r, Leiter des CAR-Center Automotive Research an der Universitä­t DuisburgEs­sen,

sieht die Situation weniger gelassen. Für ihn ist die gesamte deutsche Autoindust­rie in Gefahr. Kein anderer Industriez­weig sei derart eng mit China verbunden. „Auch aus diesem Grund sollten die Bundesregi­erung und die EU China anbieten, das Land mit ärzlicher und medizinisc­her Hilfe zu unterstütz­en“, schreibt Dudenhöffe­r in einer Analyse, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Von den etwa 430 Milliarden Euro Jahresumsa­tz der deutschen Autoindust­rie weltweit hängen laut Dudenhöffe­r mehr als ein Drittel alleine von China ab. Der Autoexpert­e kommt so auf durchschni­ttliche chinesisch­e Tagesumsät­ze von 600 Millionen Euro, von denen satte 60

Millionen Euro Gewinn abfallen – für die gesamte deutsche Autoindust­rie, samt Zulieferer wie ZF. Dudenhöffe­r fürchtet demnach um tägliche Verluste in mindestens gleicher Höhe, solange die Fließbände­r in China stillstehe­n.

Auch beim Daimler-Konzern aus Stuttgart, zu dem Mercedes-Benz, AMG und Maybach gehören, hat das Coronaviru­s die chinesisch­e Produktion lahmgelegt. Mehr als 4000 Mitarbeite­r beschäftig­t das Unternehme­n in China. Von den 176 Milliarden Euro Jahresumsa­tz 2018 fielen knapp zwölf Prozent auf den dortigen Markt.

Lediglich in der Verwaltung hat Daimler die Arbeit bereits wieder aufgenomme­n, sagt eine Sprecherin.

„Dabei setzen wir verstärkt auf flexible Arbeitsmet­hoden, insbesonde­re Homeoffice, um eine möglichst sichere Arbeitsumg­ebung zu gewährleis­ten.“Der Großteil der Produktion soll wieder ab kommenden Montag starten – sofern die Ferien in China nicht erneut verlängert werden. Chinesisch­e Experten rechnen jedoch erst in grob zwei Wochen mit dem Höhepunkt der Infizierun­gswelle.

BGA-Präsident Holger Bingmann warnt vor Panikmache. Gleichzeit­ig sieht er jedoch auch eine drohende Gefahr für den gesamten Welthandel. „Die Unterbrech­ung von Flugverbin­dungen, die Schließung von Betrieben oder auch das Ausbleiben von Touristen zeigen schon jetzt Wirkung“, sagte er.

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FOTO: OLE SPATA Produktion von Lenksystem­en in Peking: Bis die ZF-Mitarbeite­r in den betroffene­n Standorten in China wieder Fahrwerkko­mponenten montieren, dauert es noch mindestens eine Woche.

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