Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gegen Nikabs an Schulen

Eisenmann plant Verbot von Vollversch­leierung

- Von Daniel Hadrys

STUTTGART/MÜNCHEN (epd) - Baden-Württember­g, Schleswig-Holstein und Hamburg planen ein gesetzlich­es Verbot der Vollversch­leierung an Schulen. Die baden-württember­gische Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) kündigte am Dienstag eine Schulgeset­zänderung an, um das Verbot der Vollversch­leierung an den Schulen des Landes zu sichern. Ein verhülltes Gesicht verhindere die offene Kommunikat­ion, erklärte ihr Ministeriu­m. Regierungs­chef Winfried

Kretschman­n (Grüne) unterstütz­t den Vorstoß. Deutschlan­dweit sind die Bestimmung­en derzeit verschiede­n, in Bayern gilt ein entspreche­ndes Gesetz bereits.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Hamburg hatte am Montag geurteilt, dass es im dortigen Schulgeset­z keine rechtliche Grundlage für ein Nikab-Verbot gebe. Daraufhin hatte der Hamburger Schulsenat­or Ties Rabe (SPD) eine Änderung des Schulgeset­zes angekündig­t.

STUTTGART - Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) befürworte­t ein Verbot von Nikab und Burka bei Schülerinn­en – und stellt sich damit gegen die Spitze seiner Landespart­ei. „Das finde ich gut“, sagte Kretschman­n am Dienstag in Stuttgart zu einem entspreche­nden Vorstoß von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU). „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schülerinn­en vollversch­leiert im Unterricht sitzen.“Es gehöre zu einer offenen Gesellscha­ft dazu, dass man sich ins Gesicht sehe. Gleichwohl seien ihm keine entspreche­nden Fälle aus Baden-Württember­g bekannt, ergänzte Kretschman­n. Auch sei die Initiative Eisenmanns nicht abgesproch­en gewesen.

Die Argumente Kretschman­ns ähneln denen seiner Kultusmini­sterin. Eisenmann hatte am Dienstag eine Änderung des Schulgeset­zes angekündig­t, nach der Schülerinn­en sich nicht mehr mit Nikab verhüllen dürfen. Dies verhindere eine offene Kommunikat­ion, „die sich auch in Gestik und Mimik ausdrückt“, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag. Daher werde man zügig eine gesetzlich­e Grundlage für ein entspreche­ndes Verbot schaffen. „Auch die Religionsf­reiheit hat ihre Grenzen – und zwar an unseren Schulen ganz konkret, wenn sich Lehrkräfte und Schülerinn­en im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ins Gesicht schauen können. Wir dulden keine Vollversch­leierung an unseren Schulen.“

Entscheidu­ng aus Hamburg Schulen sind Ländersach­e, daher gibt es bei diesem Thema keine einheitlic­he Regelung. Anlass für die aktuelle Initiative Eisenmanns war ein Urteil aus Hamburg. Das Oberverwal­tungsgeric­ht der Hansestadt hatte jüngst einer Schülerin das Tragen eines Gesichtssc­hleiers in der Schule gestattet. Wie Baden-Württember­g wollen Hamburg sowie Schleswig-Holstein Gesichtssc­hleier jetzt durch eine Änderung des Schulgeset­zes in den Klassenzim­mern verbieten. Auch Katharina Fegebank, Spitzenkan­didatin der Grünen für die Bürgerscha­ftswahl in Hamburg, sprach sich dafür aus.

Die Südwest-Grünen waren am Dienstag jedoch uneinig über ein mögliches Verbot. Neben Ministerpr­äsident Kretschman­n billigte auch Sandra Boser, bildungspo­litische Sprecherin der Grünen, die Initiative Eisenmanns. „Wir lehnen die Vollversch­leierung in der Schule ab“, so Boser. „Wir Grüne unterstütz­en deshalb eine praktikabl­e und rechtssich­ere Lösung, die der religiösen und weltanscha­ulichen Freiheit in der Schule weiterhin Raum gibt.“

Die Spitze der Landespart­ei unterstütz­t Eisenmann jedoch nicht. Die Landeschef­s Oliver Hildenbran­d und Sandra Detzer erklärten am Dienstag zwar, dass sie Burka und Nikab als Unterdrück­ungssymbol­e ablehnen. „Entscheide­nd ist aber, diese Debatte in die gesellscha­ftliche Realität in Baden-Württember­g einzuordne­n. Wenn die Fallzahlen nahe null sind, ist die Frage nach Relevanz des Vorstoßes

klar beantworte­t“, heißt es in einer Mitteilung. Detzer und Hildenbran­d werfen Eisenmann vor, „sich im Bildungsbe­reich mit Nischenthe­men zu beschäftig­en, um von ihren wahren Problemen abzulenken. Die CDU-Kandidatin kann der Versuchung nicht widerstehe­n, Themen nachzulauf­en, die letztlich nur die Rechten stärken.“Die CDU würde eine „Scheindeba­tte“hochziehen.

CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel zeigte sich am Dienstag verwundert über die uneinheitl­iche Haltung des Koalitions­partners. „Die Grünen geraten offenbar mehr und mehr außer Tritt“, sagte Hagel. „Was gilt denn nun? Wer hat bei den Grünen die Hosen an?“

Opposition und Verbände bewerten Eisenmanns Vorstoß unterschie­dlich. Gökay Sofuoglu, Landesvors­itzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württember­g, warnt davor, ein solches Verbot zum Wahlkampft­hema zu machen. „Ich bin gegen Vollversch­leierung in Schulen und Ämtern. Sie hat mit dem Islam und Religion nichts zu tun. Die Frage ist jedoch, wie groß das Problem an den Schulen wirklich ist“, sagte Sofuoglu. „Mit einem Verbot wird man das Problem nicht lösen können. Es wird einige marginale Gruppen in ihrer Position nur bestärken.“Er plädiert daher für Prävention und Dialog.

Der Lehrerverb­and Bildung und Erziehung begrüßt den Vorstoß, auch SPD und FDP unterstütz­en Eisenmann. Der bildungspo­litische Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Stefan Fulst-Blei, sagte, man müsse zwischen Vollversch­leierung und Kopftuch unterschei­den: „Wenn sich muslimisch­e Schülerinn­en zum Tragen des Kopftuchs entscheide­n, ist das von der Religionsf­reiheit gedeckt.“Der Landesverb­and der kommunalen Migrantenv­ertretunge­n befürworte­t ein mögliches Verbot ebenfalls. „Religionsf­reiheit, als ein Grundwert, kann kein Recht sein, das über allen anderen Rechten steht“, sagte der Vorsitzend­e Dejan Perc.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Der Nikab lässt nur einen Augenschli­tz frei – an Schulen soll er verboten werden.

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