Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gegen Nikabs an Schulen
Eisenmann plant Verbot von Vollverschleierung
STUTTGART/MÜNCHEN (epd) - Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg planen ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung an Schulen. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kündigte am Dienstag eine Schulgesetzänderung an, um das Verbot der Vollverschleierung an den Schulen des Landes zu sichern. Ein verhülltes Gesicht verhindere die offene Kommunikation, erklärte ihr Ministerium. Regierungschef Winfried
Kretschmann (Grüne) unterstützt den Vorstoß. Deutschlandweit sind die Bestimmungen derzeit verschieden, in Bayern gilt ein entsprechendes Gesetz bereits.
Das Oberverwaltungsgericht in Hamburg hatte am Montag geurteilt, dass es im dortigen Schulgesetz keine rechtliche Grundlage für ein Nikab-Verbot gebe. Daraufhin hatte der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) eine Änderung des Schulgesetzes angekündigt.
STUTTGART - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befürwortet ein Verbot von Nikab und Burka bei Schülerinnen – und stellt sich damit gegen die Spitze seiner Landespartei. „Das finde ich gut“, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart zu einem entsprechenden Vorstoß von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schülerinnen vollverschleiert im Unterricht sitzen.“Es gehöre zu einer offenen Gesellschaft dazu, dass man sich ins Gesicht sehe. Gleichwohl seien ihm keine entsprechenden Fälle aus Baden-Württemberg bekannt, ergänzte Kretschmann. Auch sei die Initiative Eisenmanns nicht abgesprochen gewesen.
Die Argumente Kretschmanns ähneln denen seiner Kultusministerin. Eisenmann hatte am Dienstag eine Änderung des Schulgesetzes angekündigt, nach der Schülerinnen sich nicht mehr mit Nikab verhüllen dürfen. Dies verhindere eine offene Kommunikation, „die sich auch in Gestik und Mimik ausdrückt“, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag. Daher werde man zügig eine gesetzliche Grundlage für ein entsprechendes Verbot schaffen. „Auch die Religionsfreiheit hat ihre Grenzen – und zwar an unseren Schulen ganz konkret, wenn sich Lehrkräfte und Schülerinnen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ins Gesicht schauen können. Wir dulden keine Vollverschleierung an unseren Schulen.“
Entscheidung aus Hamburg Schulen sind Ländersache, daher gibt es bei diesem Thema keine einheitliche Regelung. Anlass für die aktuelle Initiative Eisenmanns war ein Urteil aus Hamburg. Das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt hatte jüngst einer Schülerin das Tragen eines Gesichtsschleiers in der Schule gestattet. Wie Baden-Württemberg wollen Hamburg sowie Schleswig-Holstein Gesichtsschleier jetzt durch eine Änderung des Schulgesetzes in den Klassenzimmern verbieten. Auch Katharina Fegebank, Spitzenkandidatin der Grünen für die Bürgerschaftswahl in Hamburg, sprach sich dafür aus.
Die Südwest-Grünen waren am Dienstag jedoch uneinig über ein mögliches Verbot. Neben Ministerpräsident Kretschmann billigte auch Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, die Initiative Eisenmanns. „Wir lehnen die Vollverschleierung in der Schule ab“, so Boser. „Wir Grüne unterstützen deshalb eine praktikable und rechtssichere Lösung, die der religiösen und weltanschaulichen Freiheit in der Schule weiterhin Raum gibt.“
Die Spitze der Landespartei unterstützt Eisenmann jedoch nicht. Die Landeschefs Oliver Hildenbrand und Sandra Detzer erklärten am Dienstag zwar, dass sie Burka und Nikab als Unterdrückungssymbole ablehnen. „Entscheidend ist aber, diese Debatte in die gesellschaftliche Realität in Baden-Württemberg einzuordnen. Wenn die Fallzahlen nahe null sind, ist die Frage nach Relevanz des Vorstoßes
klar beantwortet“, heißt es in einer Mitteilung. Detzer und Hildenbrand werfen Eisenmann vor, „sich im Bildungsbereich mit Nischenthemen zu beschäftigen, um von ihren wahren Problemen abzulenken. Die CDU-Kandidatin kann der Versuchung nicht widerstehen, Themen nachzulaufen, die letztlich nur die Rechten stärken.“Die CDU würde eine „Scheindebatte“hochziehen.
CDU-Generalsekretär Manuel Hagel zeigte sich am Dienstag verwundert über die uneinheitliche Haltung des Koalitionspartners. „Die Grünen geraten offenbar mehr und mehr außer Tritt“, sagte Hagel. „Was gilt denn nun? Wer hat bei den Grünen die Hosen an?“
Opposition und Verbände bewerten Eisenmanns Vorstoß unterschiedlich. Gökay Sofuoglu, Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, warnt davor, ein solches Verbot zum Wahlkampfthema zu machen. „Ich bin gegen Vollverschleierung in Schulen und Ämtern. Sie hat mit dem Islam und Religion nichts zu tun. Die Frage ist jedoch, wie groß das Problem an den Schulen wirklich ist“, sagte Sofuoglu. „Mit einem Verbot wird man das Problem nicht lösen können. Es wird einige marginale Gruppen in ihrer Position nur bestärken.“Er plädiert daher für Prävention und Dialog.
Der Lehrerverband Bildung und Erziehung begrüßt den Vorstoß, auch SPD und FDP unterstützen Eisenmann. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, sagte, man müsse zwischen Vollverschleierung und Kopftuch unterscheiden: „Wenn sich muslimische Schülerinnen zum Tragen des Kopftuchs entscheiden, ist das von der Religionsfreiheit gedeckt.“Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen befürwortet ein mögliches Verbot ebenfalls. „Religionsfreiheit, als ein Grundwert, kann kein Recht sein, das über allen anderen Rechten steht“, sagte der Vorsitzende Dejan Perc.