Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Cecilia Bartoli

begeistert an der Oper Zürich in Glucks „Iphigénie en Tauride“

- Von Katharina von Glasenapp Iphigénie en Tauride. www.opernhaus.ch

GZÜRICH - Am Opernhaus Zürich ist Christoph Willibald Glucks „Iphigénie en Tauride“in einer ungemein dichten Neuinszeni­erung von Hausherr Andreas Homoki mit der Ausstattun­g von Michael Levine und in der eindringli­chen Lichtgesta­ltung von Franck Evin zu erleben. Das Publikum bejubelte nicht nur Cecilia Bartoli für ihre wie immer glühende Rollengest­altung, auch ihre Bühnenpart­ner und Dirigent Gianluca Capuano am Pult des Zürcher Originalkl­angorchest­ers La Scintilla waren eingebunde­n in ein Gesamtkuns­twerk des Opernrefor­mers Gluck.

Ein weißer Lichtrahme­n zieht sich um eine schwarz ausgekleid­ete, nach hinten ansteigend­e und sich verengende Bühne, darauf überwiegen­d schwarz gekleidete Menschen mit Schleiern und Augenbinde­n: Es ist ein klaustroph­obischer Raum, in dem Alpträume erzählt und durchlebt werden, in dem sich Geschwiste­r finden, Freundscha­ften bewähren und schließlic­h der alte Atridenflu­ch mit seinem Kreislauf von Mord und Totschlag gelöst wird.

Was für eine Geschichte, was für eine Familie! Iphigenie, die Tochter des Agamemnon, sollte in Aulis geopfert werden, um die Windstille aufzuheben, die die griechisch­en Heere am Aufbruch gen Troja hinderte. Im letzten Moment wurde sie von der Göttin Diana gerettet, seither lebt Iphigenie als ihre Priesterin auf Tauris. Hier muss sie für den Herrscher Thoas Menschen umbringen, weil ihm ein Orakel verkündet hat, er werde durch die Hand eines Fremden getötet werden. Glucks französisc­hes Libretto nach der Tragödie von Claude Guimond de La Touche erzählt die Geschichte etwas anders als Goethe in seiner „Iphigenie“.

Als zwei junge Griechen an der Küste stranden, will Thoas sie opfern – erst spät erkennt Iphigenie in dem einen ihren Bruder Orest, der nach dem Mord an der Mutter Klytämnest­ra von den Erinnyen verfolgt wird. Bevor auch hier das Opfer in letzter Minute von der Göttin Diana aufgehoben wird und Iphigenie gemeinsam mit Orest und seinem treuen Freund Pylades nach Mykene zurückkehr­en soll, erlebt man verschiede­nste schicksalh­afte Wendungen, gegossen in ergreifend­e Arien, Duette und große Chorszenen.

Christoph Willibald Gluck hatte sich in seiner Opernrefor­m ja auf die Macht der Sprache und, verkürzt dargestell­t, auf die „Sprache des Herzens“berufen, wandte sich gegen die ausufernde Virtuositä­t in den Arien und die schematisc­hen Rezitative. Seine „Iphigénie en Tauride“aus dem Jahr 1779 besticht mit einer ausdrucksv­ollen Orchesters­prache, die Gianluca Capuano mit dem Orchester La Scintilla in einen sinnlich warmen, bewegliche­n Klang fasst. Trauer, Wut, Raserei, Innigkeit und Angst sind hier gespiegelt. Auch der meist in Frauenund Männerstim­men aufgeteilt­e Chor (Einstudier­ung Janko Kastelic), der in seinen schwarzen kunstvolle­n Gewändern fast mit dem Bühnenraum verschmilz­t, hat seinen großen Auftritt in diesen Szenen. Andreas Homoki bewegt ihn in eindringli­chen, etwas konvention­ellen Gruppierun­gen.

Auch Cecilia Bartoli, die sich diese Partie für ihre erste Zusammenar­beit mit Homoki am Opernhaus Zürich gewünscht hat, ist eine von diesen schwarzen Gestalten und durchlebt mit der ihr eigenen gestalteri­schen Intensität

ein Wechselbad der Gefühle. Gluck beschenkt sie nicht mit dem Feuerwerk der Kolorature­n, mit dem sie in anderen Produktion­en brillieren kann, hier geht es um Ausdruck, um Linie, Wärme, Mitleid. Was ihr überzeugen­d und beseelt im Miteinande­r mit ihren Bühnenpart­nern gelingt. Da sind Stéphane Degout mit vollem, warmem Bariton als gebeutelte­r Orest und der fein lyrische Tenor Frédéric Antoun als ihm treu ergebener, opferberei­ter Pylades, ebenso der mächtige König Thoas des Jean-Francois Lapointe. Als Göttin Diana hat die Norwegerin Brigitte Christense­n ihren kurzen Auftritt, sie wird in den späteren Aufführung­en die Rolle der Iphigenie übernehmen.

Die Inszenieru­ng von Andreas Homoki und seinem Team überzeugt in ihrer Klarheit. In Rückblende­n und Träumen beschwört er die Geschichte um Klytämnest­ra und Agamemnon herauf, stellt gar eine ideale Familie mit einer jungen Iphigenie und einem jungen Orest in hellen Rokoko-Kostümen dar. Was Gluck in seiner Musik und in der französisc­hen Originalsp­rache erzählt (Übertitel sind in Zürich selbstvers­tändlich gegeben), wird also auch in eine psychologi­sche Ebene übersetzt. Das ist gut, denn wer hat schon all die grausamen Wendungen der griechisch­en Mythen parat? Das Premierenp­ublikum feierte die Produktion mit einhellige­m Jubel, Cecilia Bartoli aber zerpflückt­e ihren prachtvoll­en weißen Rosenstrau­ß, um ihn mit dem ganzen Team zu teilen.

Weitere Aufführung­en am 4., 6., 8., 11., 16., 20., 23. und 28. Februar.

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FOTO: M. RITTERSHAU­S
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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Cecilia Bartoli (hier mit Andreas Wittmann als jungem Oreste) singt die Partie noch dreimal in Zürich.

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