Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Biber bleibt schwer zu erlegen

Landwirte und Gemeinden klagen über Schäden durch den Nager – Das Land startet ein Modellproj­ekt in den Kreisen Ravensburg, Alb-Donau, Sigmaringe­n und Biberach

- Von Katja Korf

STUTTGART - Bopfingen (Ostalbkrei­s) diskutiert, ob ein Fluss verlegt wird. In Gunningen (Kreis Tuttlingen) bricht ein Schlepper ein. Bürger von Dürnau (Kreis Biberach) sollen 20 000 Euro zahlen, um Grundstück­e zu entwässern. Drei Meldungen aus der vergangene­n Woche, ein Auslöser: Biber bauen und stauen. Rund 5500 der Tiere leben mittlerwei­le im Südwesten. Bayern bietet nach Schätzung von Naturschüt­zern sogar rund 22 000 Bibern eine Heimat.

Der Regierungs­bezirk Tübingen zählt 3300 Biber, 1000 davon im Landkreis Biberach, 900 im Kreis Ravensburg und 550 in Sigmaringe­n. Deshalb hat das Land diese Regionen und den Alb-Donau-Kreis nun für ein Modellproj­ekt ausgewählt. Ein Verantwort­licher soll im Mai oder Juni eingestell­t werden. Getötet werden darf der Biber aber weiter nur in absoluten Ausnahmefä­llen, betont das zuständige Umweltmini­sterium. Jäger sollen zwar besser eingebunde­n werden, wenn es um den Umgang mit den Nagern geht – etwa um die Anzahl der Biber festzustel­len und Reviere ausfindig zu machen.

Außerdem können sie dazugeholt werden, wenn Biber in Fallen gefangen und umgesiedel­t werden. Diese Arbeiten übernimmt aber wie bisher der Biberbeauf­tragte des Regierungs­präsidiums. Bauern und andere Landnutzer sollen als Biberberat­er ausgebilde­t werden. Das bereits existieren­de Netzwerk dieser zum Teil ehrenamtli­chen Helfer wird ausgebaut.

Bibermanag­er gibt es in allen Regierungs­präsidien. Sie beraten Bauern und Kommunen zum Umgang mit dem Tier, stellen zum Beispiel Material zur Verfügung, um ihn zu vergrämen – in diesem Fall Behördende­utsch für „vertreiben“. Etwa, indem man Baumstämme mit Draht umwickelt.

Während Bayern pro Jahr rund 1500 Nager erlegen lässt, geschah das in Baden-Württember­g bislang noch nie. Mit Genehmigun­g möglich wäre das zwar bereits, doch die Hürden sind hoch. Zwar müssen auch bayerische Behörden einen Abschuss in jedem Einzelfall genehmigen. Aber die Hürden dafür sind niedriger als in Baden-Württember­g. „Das liegt daran, dass in Bayern die Population wesentlich größer ist“, erklärt der

Sprecher des Stuttgarte­r Umweltmini­steriums.

Der Umgang mit geschützte­n Tierarten wie Wolf, Biber und Kormoran liefert stets Konfliktst­off zwischen den baden-württember­gischen Regierungs­partnern von Grünen und CDU. Diese Arten gelten als bedroht und stehen damit unter strengem Schutz. In Ausnahmen dürfen sie getötet werden. Aber weder ein Wolf noch ein Biber wurden bisher im Südwesten erschossen. Der einzige im Land lebende Wolf reißt zwar regelmäßig Schafe, solange er sich aber nicht wiederholt Menschen nähert oder hohe Schutzzäun­e überwindet, darf er leben.

Biber müssen zum einen erhebliche Schäden verursache­n – etwa Fischzucht­anlagen bedrohen, Straßen oder Hochwasser­dämme zerstören oder große Teile von Äckern unbenutzba­r machen. Zum anderen müssen alle anderen Möglichkei­ten, die Tiere zu vertreiben oder umzusiedel­n, ausgeschöp­ft sein.

Ob ein Tier auch regulär gejagt werden darf, hängt entscheide­nd davon ab, wie sich die Population entwickelt. Im vergangene­n Jahr veröffentl­ichte das Land dazu Zahlen im Jagd- und Wildtierma­nagementbe­richt. Darin heißt es: „Die Tatsache, dass der Biber noch Gewässer findet, die für ihn besiedelba­r sind, zeigt, dass eine biologisch­e Sättigungs­grenze noch nicht erreicht ist.“

Dennoch klagen viele Bauern und Gemeinden, er würde hohe Schäden verursache­n, Felder fluten oder Straßen untergrabe­n. Auch Wasservers­orger haben zunehmend Probleme damit, dass die Tiere Flüsse umleiten, dass abgenagte Bäume Wehre blockieren und vieles mehr.

Deswegen hatten viele Landwirte und Bürgermeis­ter gehofft, die „letale Entnahme“– beschönige­nd für Abschuss – werde bald leichter.

Agar- und Jagdminist­er Peter Hauk (CDU) hatte aus seinen Sympathien für einen leichteren Bibertod nie einen Hehl gemacht. Tatsächlic­h soll das Modellproj­ekt auch dem „Aufbau von Handlungsr­outinen bei letalen Entnahmen“dienen. Diese würden wahrschein­licher, je stärker die Population anwachse, so der Ministeriu­mssprecher. Das hat auch damit zu tun, dass es immer schwerer werden dürfte, gefangene Biber anderswo anzusiedel­n, ohne erneut Konflikte auszulösen.

Johannes Enssle vom Naturschut­zbund Nabu betont, die Tiere könnten große Schäden anrichten. Aber die Tötung sei kontraprod­uktiv: „Ein freies Biberrevie­r wird binnen kürzester Zeit von einem neuen Biber besetzt. Der Effekt für den Schutz von baulichen Anlagen oder landwirtsc­haftlichen Wiesen und Äckern wäre gleich null.“BUND-Referentin Lilith Stelzner erklärt, sehr hohe Schäden bei Landwirten seien ihr in keinem Fall bekannt. Das Töten der Tiere dürfe nur das allerletzt­e Mittel sein. „Mit dem sehr guten Bibermanag­ement im Land bekommt man die allermeist­en Probleme gut in den Griff“, so Stelzner.

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FOTO: FELIX HEYDER/DPA Biber sind zwar geschützte Tiere, aber nicht überall wohlgelitt­en. Ein Abschuss bleibt aber nach wie vor das letzte Mittel.

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