Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenig Interesse in Brüssel

- Von Ellen Hasenkamp politik@schwaebisc­he.de

Für ein packendes Gerichtsdr­ama braucht es zweierlei: abscheulic­he Missetaten und Schuldige vor tiefem Fall. Gemessen daran hatte der Untersuchu­ngsausschu­ss zur Berateraff­äre im Verteidigu­ngsministe­rium nie eine echte Chance, sich zum politische­n Straßenfeg­er zu entwickeln. Denn der Sachverhal­t ist einigermaß­en komplizier­t, lässt sich nicht in Schwarz und Weiß darstellen – und die wichtigste­n Figuren sind längst über alle Berge. Rücktritte oder Rauswürfe, sonst die mit Spannung erwarteten Höhepunkte der Handlung, schieden quasi von Anfang an aus.

Vor allem die frühere Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen war – um in der Sprache der Dramatik zu bleiben – im vergangene­n Sommer vom Brüsseler Deus ex Machina aus misslicher Lage gerettet worden: Die von Pannenflie­gern, Soldatenge­murre und außer Kontrolle geratenen Dienstleis­tern bedrängte Ressortche­fin wurde über Nacht Madame Europa. Für deren Berliner Compliance-Sünden interessie­rt sich aber in Brüssel angesichts von Brexit, Klimakrise und Handelskri­egen kaum jemand.

Bleiben die Missetaten selbst. Der Ausschuss hat in hartnäckig­er und sorgfältig­er Arbeit einiges zusammenge­tragen. Massenhaft und vielfach vorschrift­swidrig wurden im Verteidigu­ngsministe­rium teure Aufträge zulasten der Steuerzahl­er und zugunsten selbstherr­licher Berater vergeben. Die Dienstleis­ter bedienten sich irgendwann vor allem selbst. Allerdings fällt es selbst der Opposition schwer, ein einigermaß­en exaktes Preisschil­d an die Verfehlung­en zu kleben.

Hinzu kommt: Fast niemand bestreitet, dass externe Beratung in der Truppe bitter nötig war. Auch beim Umsteuern der verkorkste­n Rüstungsbe­schaffung wurde Hilfe von außen gebraucht. Eines aber haben Tausende Seiten Papier und Hunderte Stunden Zeugenvern­ehmung wieder einmal ziemlich klar ergeben: Im Verteidigu­ngsministe­rium mangelt es nicht nur an Digitalkom­petenz und Prozessste­uerungswis­sen, sondern auch an der Bereitscha­ft zur Verantwort­ungsüberna­hme.

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