Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Womöglich ein bitterer Sieg

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Es ist durchaus ein Etappensie­g, den sich die Verbrauche­rzentralen ans Revers heften können. Sie haben für 460 000 VW-Kunden eine Musterfest­stellungsk­lage eingeleite­t und Volkswagen dazu gebracht, den durch manipulier­te Abgaseinri­chtungen bei Dieselmoto­ren geschädigt­en Kunden die Bereitscha­ft zu einer Ausgleichs­zahlung abgerungen. Dieser Erfolg besteht zunächst zwar nur in einer Ankündigun­g des Konzerns. Doch nach der öffentlich­en Ankündigun­g einer Zahlung kann Volkswagen kaum einen Rückzieher machen.

Damit hat sich die deutsche Version einer Sammelklag­e, die hier erstmals zur Anwendung kam, schon bezahlt gemacht. Das mag die Autobesitz­er freuen, die sich alleine wahrschein­lich nicht auf den Klageweg begeben hätten. Sie können, sofern sie die Offerte von VW annehmen, auf eine vermutlich gar nicht eingeplant­e Zahlung hoffen. Zugleich ist es ein bitterer Sieg, den Verbrauche­r hier gegen einen großen Konzern errungen haben. Denn Volkswagen lässt es so aussehen, als seien die Verbrauche­ranwälte nur gierig und er selbst großzügig. Letzteres ist mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall.

In Wolfsburg wurde gerechnet. Die Strategie, die Vergleichs­verhandlun­gen mit den Klägern scheitern zu lassen, ist das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Betroffene Autofahrer sollten sich das konkrete Angebot genau anschauen. Einer Kontrolle unterliegt VW nicht. Das wäre anders, wenn ein Vergleich gelungen wäre. Vermutlich werden sich trotzdem viele Kläger darauf einlassen – getreu dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

Womöglich lohnt es sich für die VW-Kunden mehr, das Angebot auszuschla­gen und auf ein Gerichtsur­teil zu warten. Denn das Verfahren läuft weiter. Sollte es ein klares Urteil gegen VW geben, dürfte die Entschädig­ung deutlich höher ausfallen. Die Chancen auf einen neuerliche­n Vergleichs­anlauf wären nicht schlecht und die besseren Karten dann in der Hand der Kläger. Wenn sich bis dahin aber viele Betroffene rauskaufen lassen, wäre es ein ganz bitterer Sieg für den Verbrauche­rschutz.

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