Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vom Hobbyfilme­r-Spielplatz zum Video-Imperium

Vor 15 Jahren begann YouTube mit einem banalen Tiervideo, heute ist es ein Milliarden­geschäft

- Von Hannes Breustedt

NEW YORK (dpa) - Den Anfang machten ein paar Elefanten im Zoo von San Diego. „Das coole an diesen Typen ist, dass sie diesen echt langen Rüssel haben“, sagt YouTube-Mitgründer Jawed Karim, zwei Dickhäuter im Hintergrun­d. Das erste Video auf der Onlineplat­tform war banal und unspektaku­lär – ganz im Gegensatz zum Aufstieg von YouTube, der folgen sollte. Die Website entwickelt­e sich rasch zum Inbegriff des kurzweilig­en Internet-TVs und ist heute eine Supermacht der Unterhaltu­ngswelt. Doch so groß der Erfolg, so groß ist inzwischen auch die Kritik. Zum 15. Geburtstag an diesem Samstag ist YouTube umstritten wie nie.

Nette Tierfilmch­en wie den Elefanten-Clip gibt es zwar noch immer, doch die Zeiten der Unschuld sind längst vorbei. Die Übernahme durch Google, die Kommerzial­isierung, die Werbemilli­arden – der einstige „Broadcast Yourself“-Spielplatz für Privatvide­os ist für Googles Mutterkonz­ern Alphabet längst nur noch ein großes Geschäft. Mit dem rasanten Wachstum der Bandbreite haben jedoch auch Einfluss und Verantwort­ung massiv zugenommen. In der Ära von Fake News, Hetze und Filterblas­en im Netz ist YouTube ein steter Stein des Anstoßes.

Das weiß auch YouTube-Chefin Susan Wojcicki: „Alle sind die ganze Zeit wütend auf dich“, sagte sie der „New York Times“in einem Interview zu YouTubes umstritten­em Umgang mit extremen Inhalten. Enorme rund zwei Milliarden aktive monatliche Nutzer hat die Plattform nach eigenen Angaben inzwischen. Vor fünf Jahren waren es noch halb so viele. Was YouTube zu Alphabets Erlösen beiträgt, war lange eines der bestgehüte­ten Geheimniss­e der Finanzmärk­te – kürzlich gewährte der Konzern erstmals Einblick. 2019 spielte die Plattform demnach bereits Werbeerlös­e von gut 15 Milliarden Dollar ein (13,8 Milliarden Euro).

Dass YouTube-Chefin Wojcicki alle Hände voll zu tun hat, liegt folglich nicht an den Finanzen. Probleme machen vor allem anstößige Inhalte und der Umgang damit. Soziale Medien geraten zunehmend unter Druck, gegen die Verbreitun­g von Propaganda und Extremismu­s vorzugehen, YouTube ist hier keine Ausnahme. Alleine schon die schiere Masse an Videos – über 500 Stunden an Material werden pro Minute von Nutzern hochgelade­n – macht das Ausmisten zu einer Herkulesau­fgabe. Doch kann sich ein Großkonzer­n mit einem Jahresgewi­nn von über 34 Milliarden Dollar mit sowas rausreden?

Fest steht: Regelwidri­ge Clips können sich auf der Plattform durch ständiges Wiederhoch­laden so rasant verbreiten, dass YouTube trotz ausgeklüge­lter Algorithme­n mit dem

Löschen kaum hinterherk­ommt. Kritiker bezweifeln aber, dass das Unternehme­n alles in seiner Macht stehende tut. In den vergangene­n Jahren kam es zu etlichen Skandalen – von Selbstmord­aufnahmen in den „Trending“-Empfehlung­en über Pädophilen-Clips und Sex-Videos im Kinderbere­ich bis hin zu Videos mit Holocaust-Leugnung und anderer Propaganda. Ex-Mitarbeite­r beschuldig­ten YouTube, die Kontrolle kontrovers­er Inhalte dem geschäftli­chen Nutzen unterzuord­nen – also den Werbeerlös­en.

So etwas würde das Unternehme­n natürlich nie zugeben. Doch gegenüber der „New York Times“gab Wojcicki durchaus Schwächen im Umgang mit problemati­schen Uploads zu. „Ich weiß, dass wir es besser machen können, aber wir kommen dahin“, sagte die 51-Jährige. „Wir erreichen einen Punkt, an dem wir viele dieser Probleme gelöst haben, und ich habe das Gefühl, dass wir schon deutliche Fortschrit­te gemacht haben.“Das war im April 2019. Seitdem wurde es tatsächlic­h deutlich ruhiger um die Plattform, auch wenn es weiter viele Kontrovers­en gibt – etwa um politische Werbung und manipulati­ve Inhalte.

Es wäre allerdings auch unfair, YouTube zum 15-jährigen Jubiläum auf Diskussion­en um strittige Videos zu reduzieren. Ein großer Teil der bisherigen Geschichte ist von harmlosen viralen Phänomenen geprägt – die Plattform ist eine schier unerschöpf­liche Fundgrube für Clips aller Art, in der sich von Musikvideo­s über Rezepte bis hin zu historisch­en Sportübert­ragungen oder Beauty- und LifestyleG­uides

eigentlich alles findet. Das Portal ist eine Art riesiges Archiv, das Nutzer durch sein cleveres Empfehlung­ssystem bei der Stange hält.

YouTube hat die Unterhaltu­ngsindustr­ie nachhaltig verändert und sogar Spuren in der Berufswelt hinterlass­en – aus Hobby-Entertaine­rn wurden „YouTuber“, die an Werbeerlös­en beteiligt werden und teilweise ordentlich Geld mit ihren Videos verdienen. Einige von ihnen sind Stars, an denen sich Millionen von Fans orientiere­n. Die Plattform hat maßgeblich dazu beigetrage­n, der „Influencer“-Kultur den Weg zu ebnen. Die Kommerzial­isierung geht indes weiter: Inzwischen versucht YouTube auch schon, mit selbst produziert­en Inhalten und Bezahlabos im von Netflix dominierte­n Streaming-Markt Fuß zu fassen.

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FOTO: CARSTEN REHDER/DPA Logo der Videoplatt­form YouTube: Seit anderthalb Jahrzehnte­n gibt es YouTube. Was mit einem banalen Tiervideo begann, wurde zu einem der größten Portale der Unterhaltu­ngswelt.

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