Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Betriebsra­t macht Schluss mit der Zollern-Kultur

Erstmals äußert sich die Mitarbeite­rvertretun­g öffentlich zum Austritt aus dem Arbeitgebe­rverband

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Von Michael Hescheler

GSIGMARING­EN - „So eine hohe Beteiligun­g hatten wir noch nie“, sagt Alfons Venturino, der stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitze­nde von Zollern. Mehr als 1000 Mitarbeite­r kamen zur Betriebsve­rsammlung vor zwei Wochen, zu der der Betriebsra­t eingeladen hatte. Weil die Lage in den beiden Werken im Kreis Sigmaringe­n aus Sicht des Betriebsra­ts nach wie vor angespannt ist – beinahe alle Geschäftsb­ereiche befinden sich in Kurzarbeit – wurde die Betriebsve­rsammlung lediglich unterbroch­en. „So können wir kurzfristi­g wieder eine Sitzung einberufen, ohne Fristen einhalten zu müssen“, sagen die Betriebsrä­te.

Die Mitarbeite­r in den beiden Werken in Lauchertha­l und Herberting­en werden von insgesamt 17 Betriebsrä­ten vertreten. Die vier freigestel­lten Mitarbeite­rvertreter beantworte­ten am Freitagnac­hmittag die Fragen der „Schwäbisch­en Zeitung“. In erster Linie wollen die Mitarbeite­r zurück in den Tarifvertr­ag. „Das ist unser Auftrag, das ist unsere Botschaft“, sagt Alfons Venturino.

Das metallvera­rbeitende Unternehme­n hatte im Dezember den Austritt aus dem Arbeitgebe­rverband verkündet. „Für uns war das ein Schlag ins Gesicht“, sagt der Betriebsra­tsvorsitze­nde Eberhard Fischer. „Wir hätten im Vorfeld Gespräche erwartet“, sagt Fischer und lässt durchblick­en, dass der Betriebsra­t zu Zugeständn­issen bereit gewesen wäre.

Der Hersteller von Stahlprofi­len, Guss- und Schmiedete­ilen sowie Getrieben begründete den Austritt mit steigenden Kosten auf der einen und Preisdruck im Wettbewerb auf der anderen Seite. Die deutlichen Lohnsteige­rungen der vergangene­n Jahre seien für das Unternehme­n mit weltweit 3000 Mitarbeite­rn zu einer Belastung

geworden. Aktuell „humpeln“nach Angaben des Betriebsra­ts alle Geschäftsf­elder.

Der Zollern-Betriebsra­t im Kreis Sigmaringe­n hatte unter der Belegschaf­t und in Gewerkscha­ftskreisen den Ruf, eng mit der Unternehme­nsleitung verbunden zu sein. Jahrzehnte galt in Lauchertha­l die Devise: Beim Fürst streikt man nicht. Doch da das Fürstenhau­s nun den Austritt aus dem Arbeitgebe­rverband mitträgt, sieht sich der Betriebsra­t nicht mehr an die Zollern-Kultur gebunden. „Diese Zeiten sind vorbei“, sagt der Vorsitzend­e.

Per Unterschri­ft fordern 900 der 1500 Mitarbeite­r an den beiden Standorten im Kreis den Wiedereint­ritt. Ihre Angst ist, dass weitere Einschnitt­e folgen. Das Hauptargum­ent ist das Werben um Fachkräfte: „Die Tarifbindu­ng hat uns als Arbeitgebe­r attraktive­r gemacht“, sagt Thomas Späth.

Wie realistisc­h ist ein Wiedereint­ritt? Zollern-Geschäftsf­ührer Klaus F. Erkes gilt als harter Hund. „Biegen lässt er sich normalerwe­ise nicht“, sagt Alfons Venturino. Deshalb lägen die Chancen lediglich bei 50 Prozent.

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FOTO: MICHAEL HESCHELER Die freigestel­lten Betriebsrä­te von Zollern (von rechts): Thomas Späth, Alfons Venturino, Peter Rebholz und der Vorsitzend­e Eberhard Fischer.

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