Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die digitale Kunsthalle erscheint in neuem Glanz

ZDFkultur startet nach einer Publikumsb­efragung neu mit einer Serie zur NS-Raubkunst

- Www.zdf.de/kultur

Von Gottfried Bohl

GMAINZ (KNA) - Vor einem Jahr ging das digitale Angebot „ZDFkultur“an den Start. Zum Geburtstag hat der Sender seine digitale Kunsthalle überarbeit­et. Zur Neueröffnu­ng gibt es einen Schwerpunk­t zur NS-Raubkunst.

Man hätte auch leichtere Kost zum ersten Geburtstag wählen können – etwa Highlights wie die Matisse-Ausstellun­g, ein Coldplay-Konzert oder eine Serie mit jungen Comedians. Aber nein: Der frühere Fernsehkan­al „ZDFkultur“hat sich zum einjährige­n Bestehen als digitales Angebot für einen Neustart seiner digitalen Kunsthalle mit einem Schwerpunk­t zur NS-Raubkunst entschiede­n.

Das habe gleich mehrere Gründe, erklärt Anne Reidt, die Leiterin der ZDF-Hauptredak­tion Kultur: „75 Jahre Kriegsende und 75 Jahre Befreiung von Auschwitz sind gleich zwei Anlässe, uns auch in der Kultur mit der NS-Zeit zu befassen.“

Außerdem sei der neue Schwerpunk­t geradezu ein „Paradebeis­piel“für eine gelungene Zusammenar­beit mehrerer Kooperatio­nspartner, so Reidt. Deren Gesamtzahl sei im ersten Jahr von 35 auf 46 gestiegen und solle weiter wachsen. Die Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden, das Städelmuse­um Frankfurt, die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz und die Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen präsentier­en jetzt Werke der NS-Raubkunst, in deren Besitz sie gelangt waren und mit denen sie von der Enteignung und Verfolgung jüdischer Sammler profitiert hatten.

Konkret geht es um Sammlungen der Familien Saulmann, von Klemperer,

von Bleichröde­r und Rubinstein. Vier Namen, die stellvertr­etend für die Schicksale unzähliger jüdischer Familien während der NSZeit stehen – und für das Schicksal bedeutende­r privater Sammlungen, die von den Nationalso­zialisten gestohlen, auseinande­rgerissen, verkauft oder zerstört wurden.

Objekte aus den Sammlungen und deren Geschichte sind ab Donnerstag in Bild, Text und Videos in der neu gestaltete­n digitalen Kunsthalle zu sehen. Dazu kommen prominente Stimmen zum Thema NS-Raubkunst wie die von Kulturstaa­tsminister­in

Monika Grütters und die Filmdoku „Geraubte Kunst“, die auch in der Nacht zu Sonntag um 0.35 Uhr im linearen ZDF-Programm läuft und die bereits in der Mediathek zu sehen ist.

Als dritten Anlass für die aktuelle Themenwahl nennt Anne Reidt das Ziel, mit „ZDFkultur“auch gesellscha­ftspolitis­ch Zeichen zu setzen: „Unser erstes Motto war ,Kulturwelt­en erleben und verstehen’. Daraus wurde jetzt ,Erlebe die Vielfalt’. Denn wir wollen immer wieder die Frage stellen, wie Kultur in einer so vielfältig­en Gesellscha­ft zur Verständig­ung beitragen kann.“Und dazu gehöre in diesen Zeiten auch der Umgang mit der deutschen Vergangenh­eit.

Anne Reidt, Leiterin der ZDF-Hauptredak­tion Kultur

Außerdem habe eine Nutzerstud­ie gezeigt, dass die „Vielfalt des Angebots gut ankommt, die Navigation auf der Seite aber verbesseru­ngsfähig ist“. Beziehungs­weise „war“, wie Reidt hofft, denn die neue digitale Kunsthalle wolle mit besserer Navigation die Nutzerfreu­ndlichkeit verbessern und die einzelnen Objekte stärker in den Vordergrun­d rücken.

Zu den Höhepunkte­n des ersten Jahres – auch was die Nutzerzahl­en angeht – zählen eine Matisse-Ausstellun­g und die Videoserie „Heroes“mit jungen Comedians, die ihre Vorbilder treffen: „Aber nicht nur leichte Muse wie etwa ein großes Coldplay-Konzert, auch schwere Kost wie Philosophi­e läuft erstaunlic­h gut.“

Im Bereich Social Media wird bisher nur Facebook bespielt – aber das laufe, so Reidt weiter, „mit 126 000 Followern, davon zwei Drittel unter 45 und ein Drittel sogar unter 35, für ZDF-Verhältnis­se sehr erfreulich“.

Daher wolle „ZDFkultur“noch in diesem Jahr auch auf YouTube und Instagram starten. Als weiteres Beispiel für das Zusammensp­iel des Fernsehsen­ders mit der digitalen Welt nennt die ZDFKulturc­hefin einen FacebookPo­st zu Lehnwörter­n aus dem Arabischen. Dieser habe so viele Klicks und Reaktionen hervorgeru­fen, dass daraus ein eigener Instagram-Kanal „Sprachkult­uren“entwickelt werde.

„Auch schwere Kost wie Philosophi­e läuft erstaunlic­h gut.“

Die digitale Ausstellun­g „Geraubte Kunst“ist zu finden auf

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FOTO: BAYERISCHE STAATSGEMÄ­LDESAMMLUN­G Das Bild „Die Auferwecku­ng des Lazarus“(süddeutsch, um 1530/40) und seine Geschichte stellt die digitale Kunsthalle in der Rubrik „Geraubte Kunst“aus.

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