Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Nicht jede Ferienwohnung ist gemeldet
Rechtlich sind der Stadt die Hände gebunden – Ferienwohnungen sind nicht Ursache für Wohnungsknappheit
FRIEDRICHSHAFEN - Aus Neubauprojekten, die als „Neue Wohnungen, die dringend gebraucht werden“laufen, werden Ferienwohnungen. Das sorgt mancherorts für Unmut. Der Stadt sind aber die Hände gebunden. Der Vertreter des Friedrichshafener Mieterbeistands, Maik Fodor, und der Geschäftsführer von Haus und Grund, Achim Brotzer, sehen darin kaum Probleme. „Wir brauchen einfach mehr Wohnungen“, sagt Brotzer.
„Bei der Tourist-Information Friedrichshafen sind 128 Ferienwohnungen, 17 Bauernhöfe, drei Ferienhäuser, 17 Ferienzimmer und ein Obsthof (insgesamt 166) gemeldet“, teilt die Stadt mit. Faktisch jedoch gibt es deutlich mehr Wohnungen, die in Friedrichshafen dem allgemeinen Wohnungsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen, weil sie als Feriendomizil angeboten werden. Die Plattform „Booking.com“weist 204 Ein-Zimmer-Ferienunterkünfte aus. Bei „Airbnb.de“sind „über 300 Unterkünfte“ausgewiesen und auf der Seite „FeWo-direkt.de“ergibt die Suche nach „Friedrichshafen“sogar „1065 Feriendomizile“als Treffer aus.
Auf der einen Seite ist bezahlbarer Wohnraum in dieser Stadt Mangelware, auf der anderen Seite werden aus großen Wohnbauprojekten der jüngsten Vergangenheit immer wieder Ferienwohnungen angemeldet. Ein Paar aus Hessen, das im Sommer in Friedrichshafen zu Gast war, wunderte sich darüber, dass in Fischbachs Neuer Mitte ein „enorm großer Wohnbau“steht, unten aber keine Geschäfte besetzt seien und auf den Fluren „viele der Wohnungen keine Namensschilder haben, weil sie möglicherweise als Ferienwohnungen genutzt werden.“
Zu den Ursachen für dieses Missverhältnis gemeldeter zu tatsächlich vorhandenen Ferienwohnungen gefragt, schreibt die Stadtverwaltung: „Gewerbliche Ferienwohnungen sind nicht anzeigepflichtig, solange dort weniger als zehn Betten vermietet und keine Nebenleistungen wie Frühstück, Freizeitangebote und ähnliches angeboten werden.“Werden in einem Haus also vier Wohneinheiten mit jeweils zwei Betten angeboten, ist das Haus aus gewerblicher Sicht nicht anzeigepflichtig.
Werden Wohnungen als Ferienwohnungen vermietet, muss grundsätzlich mit dem Bauamt abgeklärt werden, ob es einer Nutzungsänderung bedarf, sagt die Stadt. Insofern müssten die Daten zu den Ferienwohnungen vorliegen. Aber nicht alle Privatanbieter in Friedrichshafen lassen ihre Ferien wohnungen über die Tourist Information vermarkten und melden die Wohnungen damit auch beim Bauamt an. „Booking.com“und „airbnb“sind die größten OnlineVerm ar ktungs plattformen für Unterkünfte.„ Es ist üblich, dass sich viele Anbieter direkt über Online buchungs plattformen selbst vermarkten“, so die Verwaltung
In Raderach steht ein Haus, das nach Aussagen von Nachbarn ausschließlich als Feriendomizil angeboten werde, obwohl die Bauflächen damals ausdrücklich zur Deckung des Wohnungsbedarfs ausgewiesen waren. Welche Möglichkeiten hat eine Stadt überhaupt, etwas gegen die Umwidmung von Wohnraum in Ferienwohnungen zu tun?
Auch dazu antwortet die Verwaltung: „Die Stadt hat privatrechtliche Regelungs möglichkeiten durch vertragliche Vereinbarungen über Formulierungen im Kaufvertrag beider Vergabe oder dem Verkauf eines städtischen Grundstücks.“Daneben gibt es planungsrechtliche Möglichkeiten zur Steuerung. „Von Seiten der Stadt können Regelungen in einem städtebaulichen Vertrag im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens nach Paragraf 11 Baugesetzbuch (BauGB) festgeschrieben werden. Außerdem können in einem Durchführungsvertrag im Zuge eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach Paragraf 12 Baugesetzbuch (BauGB) Regelungen getroffen werden.“
In einem Bebauungsplan können zudem planungsrechtliche Festsetzungen zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen über Paragraf 13a Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelt werden. Diese Möglichkeit gibt es erst seit 2017.
Daher enthalten ältere Bebauungspläne wie der in Raderach zum Beispiel keine Regelungen über Ferienwohnungen. Bei künftigen Bebauungsplänen macht die Stadtplanung von dieser Regelungsmöglichkeit Gebrauch.
Laut Pressestelle sind im Bebauungsplan Nr. 746 „Lachenäcker“in Kluftern „Ferienwohnungen in der Regel ausgeschlossen“. Regelungen zur Umnutzung von Wohnraum in Ferienwohnungen im Stadtgebiet wären mittels Erlass einer Zweckentfremdungssatzung auf Grundlage des „Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“(ZwEWG) möglich. Eine solche Satzung wurde bislang in Friedrichshafen jedoch nicht erlassen.
Und das sei auch gut so, sagt Achim Brotzer, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat in seiner Funktion als Geschäftsführer von Haus und Grund, der Interessenorganisation der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Die Zweckentfremdungssatzung sei nicht das geeignete Mittel, Wohnraum für diejenigen zu schaffen, die derzeit noch mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für Wohnraum aufbringen müssten. „Es ist nicht zielführend, über Bußgelder und Verbote Wohnraum schaffen zu wollen. Es muss Anreize geben. Um die Menschen, die Wohnraum brauchen, mit solchem zu versorgen, brauchen wir einfach mehr Wohnungen“, sagt der Haus- und GrundChef. Die Zweckentfremdungssatzung greife zu sehr in die Selbstbestimmung der Eigentümer ein. Mit ihr sei im Privatbereich keine Investitionsbereitschaft zu schaffen. „Gutes tun mit schlechten Mitteln, das ist auch politisch kein Weg“, so Brotzer.
Maik Fodor, Vertreter der Beratungsstelle Mieterbeistand Friedrichshafen, sieht in dem Umstand, dass es viele Ferienwohnungen gibt, wenig Probleme. Die gebe es erst, wenn Wohnungseigentümer wegen Eigenbedarfs Mietern kündigen würden und die Wohnungen später als Ferienwohnungen nutzen würden. Das aber komme nicht häufig vor.
Unter dem Strich: Die Verhinderung von Ferienwohnungen – zumal in einer klassischen Tourismusregion – löst das Problem der Wohnungsnot keineswegs. Die Stadt hat nur einen sehr engen gesetzlichen Rahmen, in die Einrichtung von Ferienwohnungen im privaten Bereich einzugreifen. Der Bau weiterer Wohnungen ist somit unumgänglich.
Eine Übersicht über die aktuellen Wohnbauprojekte in der Stadt lesen Sie auf den