Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Franke: Ablehnung von Hirschlatt wäre ein fatales Signal
Verbandsdirektor sieht Standort als alternativlos – Hidden Champions könnten abwandern
Von Alexander Tutschner
GFRIEDRICHSHAFEN - Industriehallen anstelle von blühenden Wiesen? Der Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke erklärt im Gespräch mit der SZ, warum man das Gewerbegebiet Hirschlatt braucht.
Der Regionalplan wird laut Franke für die drei Landkreise Bodensee, Sigmaringen und Ravensburg, also für 87 Gemeinden fortgeschrieben. „Wir müssen jetzt 15 bis 20 Jahre in die Zukunft blicken und uns fragen, was wir für einen Flächenbedarf haben“, sagt er. Denken müsse man dabei an die großen Wohngebiete, an große Gewerbegebiete, Flächen für Trassen und Rohstoffabbaustandorte. „Das ist unser staatlicher Auftrag.“Das habe man nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, indem man auf Basis der jahrzehntelangen Erfahrung Prognosen gemacht habe. Man sei ein hoch attraktiver Raum und die gewerblichen Bauflächen gingen zur Neige. „Also müssen wir etwas tun.“Friedrichshafen sei der wirtschaftliche Schwerpunktraum der Region. „Das ist das wirtschaftliche Herz“, sagt Franke, allein mit den 10 000 Arbeitsplätzen bei ZF.
Im Bodenseekreis werden laut Franke bis 2035/2040 mindestens 200 Hektar Fläche gebraucht, um dem bestehenden Gewerbe Entwicklung zu ermöglichen. Die Prognose gehe am oberen Rand sogar von bis zu 700 Hektar aus. Bisher seien im Entwurf des Regionalplans nur 160 Hektar ausgewiesen. Man sei also unter dem unteren Prognosewert geblieben. „Weil wir sehen, dass die Flächen endlich sind“, sagt Franke,
„wir müssen deutlich schonender damit umgehen als in der Vergangenheit.“Die Frage sei jetzt, ob man überhaupt die 160 Hektar zusammenbringe. „Friedrichshafen ist ein Schlüsselstandort“, sagt Franke und „die 30 Hektar sind deutlich unter dem Bedarf der Stadt“. Zuletzt wurden hier knapp drei Hektar pro Jahr an Gewerbeflächen gebraucht. Mit Hirschlatt (30 Hektar) habe man künftig nur noch 1,5 Hektar pro Jahr. „Wenn wir nichts haben, weiß ich auch nicht, wo die gewerbliche industrielle Entwicklung im Herzen der Region stattfinden soll.“
Es sei ihm bewusst, dass man hier hochwertigste, landwirtschaftliche Flächen versiegle. Aber man müsse gesamtgesellschaftlich beantworten, wie es mit „unserem Gewerbe hier“weitergehen soll. „Es geht nicht darum, irgendwelche Amazons hierherzuholen“. Laut Franke wurden die Kommunen schon in den Jahren 2016 und 2017 in das Verfahren einbezogen und es wurde über Alternativen diskutiert.
Für Hirschlatt spricht laut Franke vor allem der Anschluss an die B30, „der zentralen Achse Friedrichshafen-Ulm“. Außerdem sei man nicht weit weg von der Schiene. Aber: „Wenn einer einen besseren Standort hat, sind wir offen“, sagt Franke. Man arbeite gerade 3500 Eingaben ab zu den Planungen. Es gebe natürlich auch Bedenken zu Hirschlatt. „Mit denen werden wir sorgfältig umgehen“, sagt er. Aber es gebe bisher keinen alternativen Vorschlag.
Auf dem betroffenen Areal in Hirschlatt liegt laut Franke bisher ein regionaler Grünzug. „Wir müssen den erst mal aktiv aufheben, um dann dort einen regional bedeutsamen Gewerbestandort machen zu können“, sagt Franke. Dem Vorschlag von Freien Wählern und CDU im Bauausschuss der Stadt, die Fläche zunächst weiß zu lassen, also ohne Grünzug und ohne Gewerbefläche, erteilt er eine klare Absage: „Das Ganze ist kein Wunschkonzert und keine Willkürveranstaltung“, sagt er. Laut Rechtslage sei seit 1996 im gültigen Regionalplan ein Grünzug auf dem Gebiet. Es gebe eine Reihe von Kriterien dafür. Nur wenn man sich in dem jetzigen Zielkonflikt dafür entscheide, gemäß staatlichem Auftrag Gewerbeflächen auszuweisen, könne der Grünzug runtergenommen werden. Weil es dann ein höherwertiges Interesse gebe. Ansonsten könnten die bisherigen Belange, die für den Grünzug sprechen, nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Dass man bestehende Gewerbeflächen zunächst besser ausnützen soll, „ist richtig“, sagt Franke, „ich möchte es nur erst mal sehen“. In den bestehenden Bebauungsplänen sei es rechtlich gar nicht durchsetzbar. Die Betriebe hätten Bestandschutz. Man müsse mit allen Eigentümern immer das Einvernehmen herstellen. Man könne die bessere Nutzung nur bei den neuen Gebieten vorschreiben, indem man etwa dreigeschossige Bauweise vorgebe.
Was bedeutet es für die Wirtschaft, wenn Hirschlatt nicht kommt? „Es wäre ein fatales Signal“, sagt Franke. Die Betriebe könnten zwar auf Flächen im Hinterland ausweichen. „Wir können aber niemand zwingen, dass er von Friedrichshafen nach Sigmaringen geht“, sagt Franke. Und Die Firmen, um die es hauptsächlich gehe, seien alles Globalplayer, auch die kleinen und mittleren. „Das sind Hidden Champions, die ihren Weltmarkt haben“, sagt Franke. Für die gebe es auch die Alternativen China oder Brasilien. „Wir wollen denen ein Angebot machen“.