Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bereit für die Bretter, die die Welt bedeuten
Fabio Kopf will Musicaldarsteller werden – Im Frühjahr reist er zu den Aufnahmeprüfungen durch das Land
Von Silja Meyer-Zurwelle
GIMMENSTAAD - Gerade erst schlüpfte er beim Neujahrsempfang im Bürgersaal in die großen Rollen aus „West Side Story“und „Tanz der Vampire“, bald will er sein liebstes Hobby zum Beruf machen und auf die Bretter, die für jeden Musicaldarsteller die Welt bedeuten: der 18-jährige Immenstaader Fabio Kopf. Auch wenn er nicht aus einem Musikerhaushalt kommt, so hat er die Begeisterung für das Musicalgenre bereits früh von seiner Mutter mitbekommen. „Meine Mutter liebt Musicals – schon immer“, sagt er.
Doch bevor Fabio Kopf seine Singstimme entdeckte, lernte er zunächst das Instrument, das den Ruf hat, dieser besonders nahe zu sein. „Ich habe seit dem sechsten Lebensjahr Geige gelernt“, erzählt er. Schnell sei die Entscheidung gefallen, dass er das Droste-HülshoffGymnasium besuchen will, um sein musikalisches Talent auch ins Abitur einbringen zu können, denn die Schule bietet diese Möglichkeit an. „Auf der Suche nach Tanzunterricht für mich, ist meine Mutter dann auf die Überlinger Musicalschule aufmerksam geworden. Bis dahin hatte ich noch nicht groß gesungen, doch dort gehörte das dazu und die Schule war gerade in Vorbereitung auf eine Aufführung, für die noch ein Aladdin gesucht wurde. Meine Gesangslehrerin hat mich wohl irgendwie in dieser Rolle gesehen. So stand ich kurze Zeit später – mit 13 Jahren – das erste Mal als Sänger auf der Bühne“, schildert Fabio Kopf.
Dieser Abend war nach seiner Erzählung eine Initialzündung für alles, was kommen sollte. „Als ich im Verlauf der Show gesehen habe, was die anderen Schüler in Überlingen schon können, war für mich klar: Das will ich auch“, meint der Sänger. Fünf Mal die Woche war Fabio Kopf von da an in der Musicalschule. Er lernte Ballett, Jazz, war Teil einer Showgruppe, die an Meisterschaften teilnahm und bekam Schauspielunterricht. „Ich hatte seither immer Lust, auf der Bühne zu stehen. Ob ich es beruflich machen will, hing aber noch von einer Sache ab“, räumt der junge Sänger ein. Im April 2019 sei er das erste Mal in einem Abend füllenden Programm, nämlich als Joe Vegas innerhalb des Musicals „Fame“in Überlingen dabei gewesen. „Es gab dort keine Zweitbesetzung für mich. Somit war klar, dass ich die sechs geplanten Shows alle spielen muss. Ich hatte vorher immer Sorge, dass es für mich doch langweilig werden könnte, die gleiche Show jeden Abend zu spielen, aber durch diese Aufführungen habe ich gemerkt: Theoretisch ist es zwar jedes Mal die gleiche Musik, aber praktisch ist es doch immer wieder etwas anderes“, erklärt Fabio Kopf.
Für ihn sei diese Sorge das einzige Hindernis gewesen. „Dass man als Musicaldarsteller blöde Arbeitszeiten hat, viel umziehen muss und auch nicht immer so gut verdient, das macht mir nichts. Wichtig ist für mich, dass der Beruf nicht langweilig wird“, erläutert er. Auf dem Weg zum Profi-Sänger hat sich der regelmäßige Unterricht jedenfalls nicht nur für ihn selbst spürbar, sondern auch für
Profis hörbar gelohnt: 2018 erreichte Fabio Kopf die Höchstpunktzahl beim Wettbewerb „Jugend musiziert“auf Bundesebene.
„Schon die Vorbereitung darauf hat mich sehr gepusht, weil ich das Programm mit meinen Lehrern ein ganzes Jahr lang, also in einer verhältnismäßig langen Zeitspanne, einstudiert habe. Das war nicht immer einfach, denn wenn man ein Programm so lange singt, kommen schon Momente, in denen man denkt, man wird noch wahnsinnig, wenn jetzt nichts Neues kommt. Es war rückblickend aber eine wirklich wichtige Erfahrung so intensiv in die Stücke einzusteigen“, sagt er.
Auf dem Weg bis zu dem heutigen Punkt sei die Musicalschule ein wichtiger Ort gewesen. „Es ist eine Schule, an der man alles findet, was zur Ausbildung dazugehört. Die Zeit dort hat meinen Blick geweitet“, resümiert der 18-Jährige. Nun stehen für ihn bald die Aufnahmeprüfungen an. „Ab Mai geht es los. Ich möchte gerne an eine staatliche Schule“, stellt Fabio Kopf klar. Die Bedingungen für die Eingangsprüfung sind hart – das weiß auch der Nachwuchssänger.
„Da kommen mehrere Hundert auf eine Handvoll Plätze. Es wird knallhart ausgesiebt“, sagt Kopf. Doch die Ausbildung sei eben auch dementsprechend hochwertig. „An den staatlichen Schulen sind es dann eben Kurse in kleinen Gruppen und es gibt Möglichkeiten auf Vollstipendien. Die privaten Schulen sind nicht nur teuer, sondern nehmen auch viel mehr Leute auf“, erklärt er. Bewerben will er sich demnach in Osnabrück,
Essen, Berlin, München und Wien. „Wenn 200 Bewerber auf vielleicht acht Plätze kommen, darf man nicht mehr wählerisch sein“, betont er und will sich nicht festlegen, welche Hochschule er am liebsten besuchen würde. Klar, „keiner will vom See weg“, bekennt er sich schließlich zu seiner Heimat und räumt dann doch ein, dass München da natürlich am naheliegendsten wäre. „Aber ich mache mir darüber jetzt noch keine Gedanken“, sagt Fabio Kopf.
Nicht umsonst heißt es in Musikerkreisen, dass die Aufnahmeprüfung oft der schwerste Part der ganzen Ausbildung ist. So muss auch der junge Immenstaader drei
Runden in den jeweiligen Prüfungen bestehen. „Es geht mit Ballett in der ersten Runde los. Grundlage ist eben immer die klassische Ausbildung. Ich denke, da checken die gleich mal, ob man eine gute Körperspannung mitbringt. Weiter geht es mit Jazz – da muss man eine spontane Choreografie lernen und dann vorführen. Erst in der Finalrunde zeigt man sein Können in Gesang und Schauspiel“, erzählt Fabio Kopf.
Zudem prüfen die Hochschulen ihre Anwärter natürlich in Musiktheorie. Fabio Kopf winkt ab: „Das habe ich auch schon im Abi gemacht, da bin ich, denke ich, gut vorbereitet“, sagt er. Unter schlimmem Lampenfieber leidet Kopf nicht. „Die Stimme ist mein vertrautes Instrument.
„Es gibt viele Rollen, aber ich weiß auch, dass das Alter begrenzt ist.“
Bei der Geige war ich früher immer aufgeregt, da hat der Bogen auch schon mal gezittert. Im Singen fühle ich mich sicher. Und eine gesunde Aufregung gehört natürlich zu jedem Auftritt auch irgendwie dazu“, meint er.
Mit Fabio Kopf hat die Gemeinde Immenstaad, wie es scheint, nicht nur vielleicht einen angehenden Musicalstar in ihren Reihen, sondern auch – das wird schnell deutlich, wenn er über seine Leidenschaft spricht – einen von der Sorte, der sich keine Illusionen macht und sehr genau weiß, welches Leben ihn auf der Bühne erwartet. Dazu gehört auch, dass er sich bewusst ist, dass dieser Beruf – ähnlich wie bei Hochleistungssport – ein früheres Ablaufdatum hat, als andere Berufszweige.
Fabio Kopf
„Es gibt viele Rollen, aber ich weiß auch, dass das Alter begrenzt ist. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, irgendwann auch hinter der Bühne zu stehen – als Regisseur oder künstlerischer Leiter. Allerdings will ich niemandem erzählen, wie man es macht, ohne nicht selbst dort gestanden zu haben“, sagt er.
So ungewiss eine Zukunft im Musikbusiness vielleicht ist, eines dürfte schon jetzt ganz klar sein: Wenn Fabio Kopf im Frühjahr von Hochschule zu Hochschule reist, wird ihm sicher ganz Immenstaad die Daumen drücken.