Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gurr-Hirsch würde noch ein Apfelbäumchen pflanzen
Staatssekretärin spricht Bauern bei der Eröffnung der Fruchtwelt Bodensee Mut zu
FRIEDRICHSHAFEN - Klimawandel, steigende gesetzliche Auflagen, Arbeitskräftemangel und Absatzprobleme: Die Obstbauern vom Bodensee stehen auch künftig vor großen Herausforderungen. Das wurde bei der Eröffnung der Messe Fruchtwelt Bodensee am Freitag deutlich. Staatssekretärin Friedlinde GurrHirsch (CDU) machte den Bauern bei ihrer Rede aber Hoffnung. Man werde sie auch bei der Umsetzung des ausgehandelten Eckpunktepapiers zum Artenschutz nicht alleine lassen.
„Diese Messe hat Tradition, sie ist verbunden mit den 39. Bodenseeobstbautagen“, sagte Gurr-Hirsch, das zeige, dass die Obstbaufamilie schon immer eine sehr fachlich fundierte Familie war. Man habe sich auf den Weg gemacht, sich fortzubilden. Die Aussage, dass wissenschaftlich gestützte Informationen in der Diskussion im aktuellen Spannungsfeld zwischen Artenschutz und Landwirtschaft entscheidend sind, zog sich wie ein roter Faden durch die Eröffnungsveranstaltung auf der Messe Friedrichshafen.
Nach zwei Extremjahren mit Frost und Ernteausfällen sowie Überangebot (2017/2018) habe man das Thema „Absatzmärkte schaffen“in den Landtag getragen. Eine PR-Aktion für heimische Äpfel sei die Folge gewesen. „Ich habe jetzt wieder ein Leuchten in den Augen der Anbieter vom Bodensee gesehen“, sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
Sie hoffe, dass die Tristesse weicht. „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, zitierte sie gemäß der Legende Martin Luther. Das solle den Bauern und ihren Kindern Mut geben: „Sie machen so einen tollen Job und Äpfel werden immer gebraucht.“Die Staatssekretärin zeigte sich begeistert von der Qualität der Bodenseeäpfel: „Egal welche Sorte ich probiert habe, es schmeckt immer nach mehr.“
Die Ernte im vergangenen Jahr habe dem langjährigen Durchschnitt entsprochen. „Absatz und Preise sind zufriedenstellend“, sagte sie. Sie hoffe, dass der Obstbau auch künftig mit EU-Geldern unterstützt wird. Gurr-Hirsch lobte, dass die Bauern hier unter der Marke Obst vom Bodensee vorbildlich zusammenarbeiten. Im Zuge des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“sei man noch enger zusammengerückt. Sie zeigte sich froh, dass es letztlich gestoppt wurde. „Die 770 000 Unterschriften wären locker zusammengekommen“, sagte sie. Die Menschen hätten sich nicht mit dem Inhalt des Volksbegehrens auseinandergesetzt, sondern hätten nur das Schlagwort Rettet die Bienen gesehen. Sie glaubt, dass 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche nicht mehr zu bewirtschaften gewesen wäre, wäre es umgesetzt worden.
Mit dem jetzt verhandelten Eckpunktepapier habe man das Volksbegehren gestoppt. Wichtig sei für die Obstbauern, dass der ökologische Landbau bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgeweitet werden soll. Letztlich seien es Entscheidungen der Unternehmer. Man könne niemand zu etwas zwingen. Aber der Markt könne Signale setzen. Im Obstbereich habe man schon 14 Prozent der Fläche im ökologischen Anbau. „Sie haben eine Vorreiterrolle“. Nur 120 Hektar der Sonderkulturen seien im Naturschutzgebiet. Man arbeite mit Hochdruck daran, um das Wirtschaften auch hier zu ermöglichen. Ausnahmemöglichkeiten seien möglich, etwa wenn es um die Existenz eines Betriebes geht. „Wir lassen hier niemand im Regen stehen“, sagte GurrHirsch. Außerdem soll gemäß Eckpunktepapier der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um 40 bis 50 Prozent gesenkt werden. Es gelte, alle Flächen in den Blick zu nehmen, auch Parkanlagen, Privatgärten und die Flächen der Deutschen Bahn.
Wichtig sei, dass man gute Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt hat, das werde dann gesellschaftlich auch akzeptiert. „Wir werden sie bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht alleine lassen.“
Um regionale Produkte zu fördern sieht Gurr-Hirsch das Thema Gemeinschaftsverpflegung „als wichtigsten Hebel“an. In der Porsche-Kantine setze man zum Beispiel auf Nachhaltigkeit. „Hier können sie auf 3,7 Millionen Essen Einfluss nehmen“, sagte die Staatssekretärin. Andere Kampagnen im Einzelhandel seien wesentlich aufwändiger und müssten langfristiger angelegt sein. „Da brauchen sie eine ganze Generation“, um Konsumenten lokal zu konditionieren. „Die Polen kommen nicht mehr“, sagte GurrHirsch zum Arbeitskräftemangel, sie hätten selbst eine blühende Wirtschaft. Deshalb drängte sie auf zwischenstaatliche Abkommen, um Saisonkräfte anzuwerben.