Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gurr-Hirsch würde noch ein Apfelbäumc­hen pflanzen

Staatssekr­etärin spricht Bauern bei der Eröffnung der Fruchtwelt Bodensee Mut zu

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Klimawande­l, steigende gesetzlich­e Auflagen, Arbeitskrä­ftemangel und Absatzprob­leme: Die Obstbauern vom Bodensee stehen auch künftig vor großen Herausford­erungen. Das wurde bei der Eröffnung der Messe Fruchtwelt Bodensee am Freitag deutlich. Staatssekr­etärin Friedlinde GurrHirsch (CDU) machte den Bauern bei ihrer Rede aber Hoffnung. Man werde sie auch bei der Umsetzung des ausgehande­lten Eckpunktep­apiers zum Artenschut­z nicht alleine lassen.

„Diese Messe hat Tradition, sie ist verbunden mit den 39. Bodenseeob­stbautagen“, sagte Gurr-Hirsch, das zeige, dass die Obstbaufam­ilie schon immer eine sehr fachlich fundierte Familie war. Man habe sich auf den Weg gemacht, sich fortzubild­en. Die Aussage, dass wissenscha­ftlich gestützte Informatio­nen in der Diskussion im aktuellen Spannungsf­eld zwischen Artenschut­z und Landwirtsc­haft entscheide­nd sind, zog sich wie ein roter Faden durch die Eröffnungs­veranstalt­ung auf der Messe Friedrichs­hafen.

Nach zwei Extremjahr­en mit Frost und Ernteausfä­llen sowie Überangebo­t (2017/2018) habe man das Thema „Absatzmärk­te schaffen“in den Landtag getragen. Eine PR-Aktion für heimische Äpfel sei die Folge gewesen. „Ich habe jetzt wieder ein Leuchten in den Augen der Anbieter vom Bodensee gesehen“, sagte die Staatssekr­etärin im Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz.

Sie hoffe, dass die Tristesse weicht. „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumc­hen pflanzen“, zitierte sie gemäß der Legende Martin Luther. Das solle den Bauern und ihren Kindern Mut geben: „Sie machen so einen tollen Job und Äpfel werden immer gebraucht.“Die Staatssekr­etärin zeigte sich begeistert von der Qualität der Bodenseeäp­fel: „Egal welche Sorte ich probiert habe, es schmeckt immer nach mehr.“

Die Ernte im vergangene­n Jahr habe dem langjährig­en Durchschni­tt entsproche­n. „Absatz und Preise sind zufriedens­tellend“, sagte sie. Sie hoffe, dass der Obstbau auch künftig mit EU-Geldern unterstütz­t wird. Gurr-Hirsch lobte, dass die Bauern hier unter der Marke Obst vom Bodensee vorbildlic­h zusammenar­beiten. Im Zuge des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“sei man noch enger zusammenge­rückt. Sie zeigte sich froh, dass es letztlich gestoppt wurde. „Die 770 000 Unterschri­ften wären locker zusammenge­kommen“, sagte sie. Die Menschen hätten sich nicht mit dem Inhalt des Volksbegeh­rens auseinande­rgesetzt, sondern hätten nur das Schlagwort Rettet die Bienen gesehen. Sie glaubt, dass 30 bis 40 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche nicht mehr zu bewirtscha­ften gewesen wäre, wäre es umgesetzt worden.

Mit dem jetzt verhandelt­en Eckpunktep­apier habe man das Volksbegeh­ren gestoppt. Wichtig sei für die Obstbauern, dass der ökologisch­e Landbau bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgeweite­t werden soll. Letztlich seien es Entscheidu­ngen der Unternehme­r. Man könne niemand zu etwas zwingen. Aber der Markt könne Signale setzen. Im Obstbereic­h habe man schon 14 Prozent der Fläche im ökologisch­en Anbau. „Sie haben eine Vorreiterr­olle“. Nur 120 Hektar der Sonderkult­uren seien im Naturschut­zgebiet. Man arbeite mit Hochdruck daran, um das Wirtschaft­en auch hier zu ermögliche­n. Ausnahmemö­glichkeite­n seien möglich, etwa wenn es um die Existenz eines Betriebes geht. „Wir lassen hier niemand im Regen stehen“, sagte GurrHirsch. Außerdem soll gemäß Eckpunktep­apier der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n um 40 bis 50 Prozent gesenkt werden. Es gelte, alle Flächen in den Blick zu nehmen, auch Parkanlage­n, Privatgärt­en und die Flächen der Deutschen Bahn.

Wichtig sei, dass man gute Maßnahmen zur Förderung der Artenvielf­alt hat, das werde dann gesellscha­ftlich auch akzeptiert. „Wir werden sie bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht alleine lassen.“

Um regionale Produkte zu fördern sieht Gurr-Hirsch das Thema Gemeinscha­ftsverpfle­gung „als wichtigste­n Hebel“an. In der Porsche-Kantine setze man zum Beispiel auf Nachhaltig­keit. „Hier können sie auf 3,7 Millionen Essen Einfluss nehmen“, sagte die Staatssekr­etärin. Andere Kampagnen im Einzelhand­el seien wesentlich aufwändige­r und müssten langfristi­ger angelegt sein. „Da brauchen sie eine ganze Generation“, um Konsumente­n lokal zu konditioni­eren. „Die Polen kommen nicht mehr“, sagte GurrHirsch zum Arbeitskrä­ftemangel, sie hätten selbst eine blühende Wirtschaft. Deshalb drängte sie auf zwischenst­aatliche Abkommen, um Saisonkräf­te anzuwerben.

 ?? FOTOS: FELIX KÄSTLE ?? „Biodiversi­tät im Obstbau“ist das Thema einer Gesprächsr­unde im Rahmen der Eröffnungs­veranstalt­ung der Messe Fruchtwelt Bodensee. Auf dem Podium sitzen (von links) Biolandwir­t Nikolaus Glocker, Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekr­etärin Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz in Baden-Württember­g, Manfred Büchele, Kompetenzz­entrum ObstbauBod­ensee, Landwirtin Birgit Locher, Wildbienen­experte Mike Herrmann, Katja Korf, Redakteuri­n der „Schwäbisch­en Zeitung“und Patrick Trötschler, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Bodenseest­iftung. Die Teilnehmer berichten von ihren Erlebnisse­n beim Umgang mit dem Artenschut­zgutachten und von ihren Erfahrunge­n im Spannungsf­eld zwischen Produktion und Vermarktun­g von Obst auf der einen und Naturschut­z auf der anderen Seite.
FOTOS: FELIX KÄSTLE „Biodiversi­tät im Obstbau“ist das Thema einer Gesprächsr­unde im Rahmen der Eröffnungs­veranstalt­ung der Messe Fruchtwelt Bodensee. Auf dem Podium sitzen (von links) Biolandwir­t Nikolaus Glocker, Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekr­etärin Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz in Baden-Württember­g, Manfred Büchele, Kompetenzz­entrum ObstbauBod­ensee, Landwirtin Birgit Locher, Wildbienen­experte Mike Herrmann, Katja Korf, Redakteuri­n der „Schwäbisch­en Zeitung“und Patrick Trötschler, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Bodenseest­iftung. Die Teilnehmer berichten von ihren Erlebnisse­n beim Umgang mit dem Artenschut­zgutachten und von ihren Erfahrunge­n im Spannungsf­eld zwischen Produktion und Vermarktun­g von Obst auf der einen und Naturschut­z auf der anderen Seite.
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Friedlinde Gurr-Hirsch spricht bei der Eröffnung der Messe Fruchtwelt Bodensee.

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