Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Streit um gelbe Säcke landet vor Gericht
Warum der Landkreis erbittert um eine Systemumstellung kämpft
RAVENSBURG (vin) - Der Streit um die Abfuhr der gelben Säcke eskaliert. Der Kreis Ravensburg versucht die Dualen Systeme Deutschland nun zu zwingen, den Verpackungsmüll bei den Bürgern daheim abzuholen. Gegen die entsprechende Vorgabe haben die Entsorgungsunternehmen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage eingereicht. Der für Abfallwirtschaft zuständige Kreisdezernent Franz Baur meint, dass die Sache schon im April erstmals verhandelt werden könnte. Gewinnt der Landkreis, wäre es denkbar, dass ab 2021 ein kombiniertes Hol- und Bringsystem eingeführt wird.
Wie mehrfach berichtet, wollte der Kreis Ravensburg eigentlich schon zu Beginn des Jahres 2019 erwirken, dass der Verpackungsmüll wie anderswo auch beim Bürger direkt vor der Haustür abgeholt wird. Bislang müssen die Kreisbewohner ihre Säcke zum Wertstoffhof oder zur rollenden Wertstofftonne bringen, womit vor allem alte oder behinderte Menschen Probleme haben. Zudem ist dieses Bringsystem aus ökologischen Gründen umstritten.
Da die Abfuhr und das Recycling des Verpackungsmülls in den gelben Säcken, die sich über den grünen Punkt refinanziert, aber Sache der Privatwirtschaft ist, war die Systemveränderung Verhandlungssache – und die Unternehmen des Dualen Systems sperrten sich dagegen. Unter anderem, weil die Bürger im Landkreis Ravensburg bundesweit den reinsten Verpackungsmüll produzieren, praktisch ohne Restmüllanteile. Warum? Weil sich niemand traut, etwas in den Sack zu werfen, was eigentlich gar nicht hineingehört, wenn die Gefahr besteht, auf dem Wertstoffhof kontrolliert zu werden. Ein weiterer Grund liegt auf der Hand: Im dünn besiedelten ländlichen Raum ist es für die privaten Entsorger teurer, die Säcke vor der Haustür abzuholen, als in Großstädten.
Trotzdem wollte der Kreis nicht locker lassen und beharrte auf der Systemumstellung. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz, speziell das neue Verpackungsgesetz, erlaubt es den Landkreisen, dem für sie jeweils zuständigen Unternehmen des Dualen Systems Vorgaben zu machen, wie der Verpackungsmüll eingesammelt werden muss – vor der Haustür oder an Sammelstellen wie den Wertstoffhöfen.
Wenn der Kreis seine Vorstellung von einem „kombinierten Hol- und Bringsystem“durchsetzt, hätten die Bürger künftig die Wahl. Sie könnten einmal im Monat ihre gelben Säcke vor die Tür stellen beziehungsweise die Papiertonne nutzen und den gelben Sack hineinlegen – einen Tag nach der Papiermüllabfuhr, damit die Tonne entsprechend leer ist. Alternativ könnten sie aber auch weiterhin zum Wertstoffhof fahren, der dann allerdings nur noch einmal monatlich geöffnet wäre. „So stand es in unserer Rahmenvorgabe, gegen den die Unternehmen des Dualen Systems Widerspruch eingelegt haben“, erklärt Baur. Diesen Widerspruch wiederum hat das Landratsamt abgeschmettert und einen Sofortvollzug erlassen, der eine Einführung des neuen Systems schon zum 1. Januar 2021 vorsieht. Gegen den Widerspruchsbescheid haben die Privatentsorger geklagt, vermutlich werden sie auch gegen den Sofortvollzug Rechtsmittel einlegen, mutmaßt Baur. Da der Sofortvollzug aber im Raum steht, werde die erste Verhandlung voraussichtlich schon im April stattfinden. Ausgang ungewiss. „Man kann sich ja auch auf den Standpunkt stellen, dass das jetzige System seit 1993 funktioniert hat und es nicht so schlimm ist, wenn es noch zwei Jahre länger dauert.“Am Ende, so ist Baur zuversichtlich, werden die Kreisbewohner aber in den Genuss einer Verpackungsmüllabfuhr kommen, bei der sie nicht mehr selbst als Müllkutscher durch die Gegend fahren müssen.