Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Plötzlich Hauptdarsteller im persönlichen Horrorvideo
Schiedsrichter Marian Rohatsch wird vom Puck im Gesicht getroffen – Comeback beim Verein des Übeltäters
Von Martin Deck
GLINDAU - Das Video hat sich Marian Rohatsch „bestimmt 100-mal“angeschaut. Gerade einmal 19 Sekunden dauert die kurze Filmsequenz – aber die reichen, um zu verstehen, warum der 39-Jährige noch immer daran zu knabbern hat. Zu sehen ist ein kurzer Ausschnitt aus dem DEL-Spiel der Fishtown Pinguins Bremerhaven gegen die Adler Mannheim. Genauer gesagt eine Spielunterbrechung. Nachdem das Schiedsrichtergespann die Partie wegen einer Abseitsposition abgepfiffen hat, schießt Mannheims Verteidiger Thomas Larkin den Puck frustriert in Richtung Bande – und trifft einen Referee direkt im Gesicht. Sein Name: Marian Rohatsch.
Unter Schmerzen bricht der Hauptschiedsrichter zusammen, das Spiel kann er nicht zu Ende leiten. Noch in der Kabine macht er ein Foto von seiner Verletzung. Die rechte Wange ist aufgeplatzt und zu der Größe eines Tennisballs angeschwollen. „Ich habe Riesenglück gehabt, dass nichts gebrochen ist und auch die Zähne unbeschadet sind“, sagt der 39-Jährige knapp zwei Wochen nach dem Vorfall noch immer etwas konsterniert. „Das ist nichts, was man so einfach wegsteckt. Da denkt man schon eine Weile drüber nach.“
Seit 2012 pfeift der gebürtige Priener für den EV Lindau in Deutschlands höchster Eishockeyliga. So etwas hat er aber noch nie erlebt. Das Verhalten Larkins kritisiert er scharf: „Es ist auszuschließen, dass er mich absichtlich treffen wollte. Er schießt aber absichtlich nach dem Pfiff den Puck hoch weg. Das geht nicht. Hier geht es klar um die Sicherheit für alle Beteiligten.“So sieht es auch die DEL und hat den in London geborenen Italo-Amerikaner, der nicht das erste Mal mit Undiszipliniertheiten aufgefallen ist, hart bestraft: neun Spiele Sperre.
Marian Rohatsch möchte als Betroffener das Strafmaß nicht kommentieren. Er sagt aber: „Der Disziplinarausschuss ist dafür zuständig, hat es begründet, die Szene gesichtet und alle Beteiligten gehört und im unteren Rahmen der Grenze entschieden. In der NHL hätte so eine Aktion ein Strafmaß ab 20 Spielen Sperre gegeben.“
Für den Schiedsrichter des EV Lindau ist der Vorfall damit abgehakt – zumal eine derartig unsportliche
„Es ist auszuschließen, dass er mich absichtlich treffen wollte.“
Aktion die große Ausnahme im Eishockey sei. „Wir sind häufig in der Schusslinie von außen und kriegen viel Kritik von den Fans und den Medien ab. Aber das Gros der Spieler hat großen Respekt vor unserer Arbeit.“
Marian Rohatsch weiß, wovon er spricht. Er war einst selbst Eishockeyprofi, spielte für den EHC Klostersee und die Hannover Indians. Heute zählt er zu den besten Unparteiischen Deutschlands. Neben mehr als 400 DEL-Spielen hat er in den vergangenen drei Jahren die Finals um die deutsche Meisterschaft und letztes Jahr das Halbfinale der Champions League geleitet. Bei den meisten Spielern genießt er hohes Ansehen – auch dank seiner Vergangenheit als Spieler: „Ich kenne einige Spieler noch aus meiner Aktivenzeit. Mag sein, dass es hilfreich ist, dass sie wissen, dass ich auch mal auf der anderen Seite stand.“
Deshalb drückt Rohatsch gerne auch mal ein Auge zu, wenn sich
Marian Rohatsch
Spieler nach einer Entscheidung aufregen. „Wir wollen Emotionen haben. Davon lebt dieser Sport“, sagt er. „Wenn es aber in Richtung Beleidigung geht, bestrafen wir das konsequent.“Niemand erwarte, dass alle mit den Entscheidungen einverstanden sind, „aber die Spieler sollen darauf vertrauen können, dass das Spiel sicher und vor allem fair für beide Teams ist. Wenn die Spieler das von vornherein wissen, hat niemand ein Problem, wenn auch wir Fehler machen. Denn Eishockey ist einfach viel zu schnell, um alles perfekt zu machen.“
Bei dieser Einstellung will Marian Rohatsch auch nach dem Vorfall bleiben und seine Linie auf dem Eis wie bisher beibehalten. „Ich darf mich davon nicht beeinflussen lassen. Ansonsten mache ich alles falsch, was ich bisher gut gemacht habe.“
Dabei hatte es der Spielplan nicht unbedingt gut mit dem Referee der Islanders gemeint. Die Ironie des Schicksals wollte es so, dass er ausgerechnet in Mannheim, bei der
Mannschaft Larkins, sein Comeback auf dem Eis gibt. „Es war ok, aber auch teilweise komisch“, sagte der 39-Jährige nach dem 5:1 der Adler gegen die Nürnberg Ice Tigers am Donnerstagabend. Es sei aber schön gewesen, dass sich viele Spieler nach seinem Zustand erkundigten. Und auch ein Treffen mit Thomas Larkin hat es vor der Partie gegeben. „Wir hatten ein gutes Gespräch. Er hat sich entschuldigt und somit ist das Thema aus der Welt.“Es reicht, dass der Vorfall auf Video festgehalten ist.