Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Tückischer goldener Handschlag

Wollen Firmen Mitarbeite­r hinauskomp­limentiere­n, kommen oft Abfindunge­n ins Spiel

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DVon Sabine Meuter

Gen Arbeitspla­tz durch eine Kündigung zu verlieren, ist meist bitter. Viele glauben, dass ihnen der Verlust durch eine Abfindung versüßt werden muss. Doch das ist ein Trugschlus­s. „Grundsätzl­ich haben Arbeitnehm­er im Fall einer Kündigung keinen Rechtsansp­ruch auf eine Abfindung“, stellt der Arbeitsrec­htler Johannes Schipp aus Gütersloh klar. Dennoch kann es unter bestimmten Voraussetz­ungen sein, dass Betroffene­n eine Abfindung zusteht. Das ist der Fall, wenn Entspreche­ndes etwa in einem mit dem Betriebsra­t ausgehande­lten Sozialplan oder in einem Tarifvertr­ag verankert ist.

Ein Anspruch besteht auch bei einer betriebsbe­dingten Kündigung. Voraussetz­ung hierbei: Der Arbeitgebe­r muss bereits in der Kündigung eine Abfindung von mindestens einem halben Bruttomona­tsgehalt pro Beschäftig­ungsjahr für den Fall ankündigen, dass der Beschäftig­te nicht vor dem Arbeitsger­icht gegen die Entlassung klagt. „Der Arbeitgebe­r muss in dem Fall die Kündigung schriftlic­h mit dringenden betrieblic­hen Erforderni­ssen begründen“, erklärt Schipp. Um die Abfindung zu erhalten, muss der Beschäftig­te dann die dreiwöchig­e Klagefrist verstreich­en lassen und auf eine Kündigungs­schutzklag­e verzichten.

Eine weitere Konstellat­ion, in der Arbeitnehm­er eine Abfindung erhalten: Der Arbeitgebe­r kündigt im Rahmen einer Betriebsän­derung, also meist einer größeren Entlassung­swelle, ohne den Betriebsra­t ordnungsge­mäß zu beteiligen. Dann kann der Arbeitnehm­er einen Nachteilsa­usgleich nach dem Betriebsve­rfassungsg­esetz (Paragraf 113 BetrVG) geltend machen.

Oft erheben Arbeitnehm­er bei einer Entlassung eine Kündigungs­schutzklag­e vor dem zuständige­n Arbeitsger­icht. Sind die Aussichten gut, dass der Beschäftig­te den Prozess gewinnt, zeigen Arbeitgebe­r häufig die Bereitscha­ft, das Verfahren mit einem Vergleich zu beenden – und dem Arbeitnehm­er eine Abfindung zu zahlen.

Denn Arbeitgebe­r laufen vor allem bei langwierig­en Verfahren Gefahr,

bei einem Sieg des Arbeitnehm­ers dessen Lohn für die Zeit, in der er kündigungs­bedingt nicht gearbeitet hat, nachzahlen zu müssen. Generell gilt: Je fehlerhaft­er die Kündigung war, desto höher ist oft die Abfindung.

Fünftelreg­elung spart Steuern

Oft ziehen Gerichte eine Faustforme­l von einem halben Bruttomona­tsgehalt pro Beschäftig­ungsjahr heran, wenn sie die Verhandlun­gen zwischen den Parteien in Gang bringen wollen, erläutert Tjark Menssen. Er ist Leiter der Rechtsabte­ilung vom Rechtsschu­tz des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). „Zwingend ist diese Faustforme­l aber nicht.“

Grundsätzl­ich gilt eine Abfindung als einmalige Geldzahlun­g des Arbeitgebe­rs an den Beschäftig­ten. Sie soll den Arbeitnehm­er für den Verlust des Arbeitspla­tzes entschädig­en. Abfindunge­n gehen oft mit einem Aufhebungs­vertrag einher. Der Vorteil für Arbeitgebe­r: Das Risiko sinkt, dass der Arbeitnehm­er klagt.

Für Arbeitnehm­er kann ein Aufhebungs­vertrag den Ausstieg planbarer machen – vor allem, wenn sie bereits einen neuen Arbeitgebe­r gefunden haben. Aber: „Bei einem Aufhebungs­vertrag ohne ein neues Arbeitsver­hältnis besteht das Risiko einer bis zu zwölfwöchi­gen Sperrfrist beim Arbeitslos­engeld“, warnt Menssen.

Um das zu vermeiden, muss aus dem Aufhebungs­vertrag klar hervorgehe­n, dass der Arbeitnehm­er die Beendigung des Arbeitsver­hältnisses nicht veranlasst oder verschulde­t hat, sondern dies allein auf Betreiben des Arbeitgebe­rs erfolgt. Zudem muss der Arbeitnehm­er die Kündigungs­frist für das Beendigung­sdatum einhalten.

„Bei einem Aufhebungs­vertrag kann auch eine sogenannte Turboklaus­el vorteilhaf­t sein“, erklärt Schipp. Darin können beide Seiten festlegen, dass der Arbeitnehm­er das Unternehme­n schon vor dem vorgesehen­en Ende des Arbeitsver­hältnisses verlässt und die dann noch ausstehend­e Vergütung zusätzlich zur Abfindung bekommt. Egal, ob mit oder ohne Aufhebungs­vertrag: Sozialabga­ben wie Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslos­enversiche­rung

fallen bei einer Abfindung nicht an. Allerdings sind sie voll zu versteuern.

Schipp nennt dazu ein Beispiel: Ein Arbeitnehm­er hat ein Jahresbrut­toeinkomme­n von 50 000 Euro. Er bekommt eine Abfindung in Höhe von ebenfalls 50 000 Euro. „Für die 100 000 Euro müsste er in dem jeweiligen Kalenderja­hr deutlich mehr Steuern zahlen als in den Jahren zuvor“, so Schipp.

Um das zu vermeiden, lohnt sich oft die sogenannte Fünftelreg­elung, mit der der Arbeitnehm­er die Steuerlast mindern kann. Dabei wird fiktiv so verfahren, als erhielte der Arbeitnehm­er über einen Zeitraum von fünf Jahren jeweils ein Fünftel der Abfindung. Das reduziert in aller Regel den zu zahlenden Steuerbetr­ag.

Was auch wichtig ist zu wissen: „Selbst wenn eine Abfindung in einem Sozialplan vereinbart ist, heißt das nicht, dass man eine Kündigung akzeptiere­n müsste“, sagt Menssen. Klagt ein Arbeitnehm­er trotzdem gegen seine Kündigung, kann im Zuge eines Gerichtsve­rfahrens eine Situation entstehen, die eine höhere Abfindung ermöglicht. (dpa)

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Ein Aufhebungs­vertrag kann den Ausstieg aus einem Unternehme­n planbarer machen. Am besten holen sich Arbeitnehm­er dazu Beratung.

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