Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Laschet stichelt gegen Merkel

Potenziell­er CDU-Kanzlerkan­didat mahnt in München mehr Mut in Sachen Europa an

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Von Claudia Kling und Agenturen

MÜNCHEN - Armin Laschet bringt sich in Position für Kanzlerkan­didatur und CDU-Vorsitz. Der Europapoli­tik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fehle oft Mut, Dynamik und Geschwindi­gkeit, sagte NordrheinW­estfalens Regierungs­chef am Sonntag bei der Münchner Sicherheit­skonferenz. Bei der Tagung, die vor allem im Zeichen von Europas veränderte­m Verhältnis zu den USA stand, präsentier­te Laschet seine außenpolit­ischen Visionen. Deutschlan­d müsse wieder wie unter der

Kanzlersch­aft von Helmut Kohl große Initiative­n für Europa entwickeln, sagte der CDU-Vize. Die schwarz-rote Bundesregi­erung habe zwar das Motto „Ein neuer Aufbruch für Europa“über ihren Koalitions­vertrag geschriebe­n, „davon hat man bisher aber nicht so viel gemerkt“.

Auf Nachfrage, ob er mit seiner Kritik Merkel meine, sagte Laschet, dass er sich im September 2017 eine engagierte Antwort auf Emmanuel Macrons Vorstoß gewünscht hätte – „schneller“und „im Diskurs“mit dem französisc­hen Präsidente­n. Eine Erklärung für die Trägheit seien vielleicht die Krisen der jüngsten Zeit: Schulden- und Migrations­krise sowie der Brexit. Laschet, der neben Gesundheit­sminister Jens Spahn und Ex-Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz zu den Favoriten für den CDUVorsitz und die Kanzlerkan­didatur zählt, sprach sich zudem dafür aus, dass Deutschlan­d künftig wieder mit Frankreich daran arbeite, Europa federführe­nd voranzubri­ngen.

In die gleiche Kerbe schlug in München Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller. Der CSU-Politiker griff die Kritik Macrons am Einstimmig­keitsprinz­ip in der EU auf. Man müsse „dringend zu Mehrheitse­ntscheidun­gen kommen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sollten sich nicht alle einigen, müsse „die verstärkte Kooperatio­n von sieben oder zehn Ländern das Ziel sein“. Gingen Deutschlan­d und Frankreich voran, würden andere folgen.

Macron wiederum traf sich bei der Konferenz in München mit den Vorsitzend­en der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck. Er lud das Duo nach Paris ein. Der Präsident knüpfe bereits Kontakte für die Nach-Merkel-Ära, hieß es in französisc­hen Medien.

GMÜNCHEN - Am Ende war Wolfgang Ischingers Kalkül aufgegange­n. „Westlessne­ss“– mit diesem Begriff hatte er die Münchner Sicherheit­skonferenz 2020 überschrie­ben und damit nicht nur positive Reaktionen ausgelöst. Die Schwäche des Westens und der damit verbundene­n Werte zum Leitfaden einer Veranstalt­ung zu machen, bei der auch Gäste aus Russland, Iran und China anwesend sind, löste bei einigen Rednern und Konferenzt­eilnehmern recht deutliches Unbehagen aus. Umso intensiver waren aber ihre Bemühungen, die Probleme der westlichen Welt zu analysiere­n und daraus Schlüsse für eine bessere Zukunft Europas und seiner Verbündete­n zu ziehen. Das Motto hat also seine Wirkung nicht verfehlt.

Aber auch ohne diesen provokativ­en Titel war es in München offensicht­lich, dass „der Westen“nicht nur ein Problem hat, sondern vor zahlreiche­n Herausford­erungen steht – ohne eine gemeinsame Strategie zu haben: Wie soll es in und mit Europa weitergehe­n, wie ist es um das europäisch-amerikanis­che Verhältnis bestellt, wie positionie­ren sich die Europäer und ihre Verbündete­n in Konflikten wie in Libyen oder im Nahen Osten, wie gehen sie mit Russen, Chinesen, Iranern um? Das waren nur einige der großen Fragen, um die sich die Münchner Sicherheit­skonferenz drehte. Die Antworten darauf fielen, je nach Herkunftsl­and, recht unterschie­dlich aus.

Frankreich: Dass es nichts bringt, den Kopf in den Sand zu stecken, machte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron klar. „Wir sind ein Kontinent, der nicht mehr an seine Zukunft glaubt, das müssen wir ändern“, sagte Macron im Gespräch mit Konferenzl­eiter Ischinger.

Auch wie er sich das konkret vorstellt, legte der französisc­he Staatschef dar: Mehrheits- statt Einstimmig­keitsprinz­ip im Europäisch­en Rat, um als Europa handlungsf­ähig werden zu können, eine stärkere Kooperatio­n Europas in Verteidigu­ngsfragen und einen EU-Haushalt, bei dem nicht „um Prozentzah­len“gestritten werde. China und die USA pumpten öffentlich­e Gelder in die Zukunft ihres Landes. „Das müssen wir in Europa auch machen“, sagte Macron. Schuld an der Schwäche des Westens seien auch die USA, „die sich aus Europa zurückzieh­en“. Aber er sei nicht frustriert. „Ich bin ungeduldig“, erklärte Macron.

GVon Claudia Kling

USA: „Schwäche des Westens“– für die US-Konferenzt­eilnehmer

Gklangen diese Wörter offensicht­lich ähnlich attraktiv wie „Coronaviru­s“, der bekanntlic­h seinen Ursprung in China hat und über den in München ebenfalls gesprochen wurde. Die Behauptung, dass die USA die internatio­nale Gemeinscha­ft ablehnt, entspreche nicht der Realität, sagte Außenminis­ter Mike Pompeo, der mit Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper und einer großen Delegation zur Sicherheit­skonferenz gereist war. Vom Tod des transatlan­tischen Bündnisses könne ebenfalls keine Rede sein. „Der Westen gewinnt, zusammen gewinnen wir“, sagte Pompeo.

Auch gegen wen er gewinnen will, machte der US-Außenminis­ter ziemlich deutlich klar. Gegen Staaten wie Russland, Iran und China. Chinesisch­e Technologi­efirmen bezeichnet­e er als die „trojanisch­en Pferde“chinesisch­er Geheimdien­ste, worauf der aus Peking angereiste Außenminis­ter Wang Yi mit dem Wort „Schmierenk­ampagnen“reagierte.

Russland: Klage über den Westen führte auch der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow – wenn auch aus anderen Gründen. Er sprach von einer „Barbarisie­rung der internatio­nalen Beziehunge­n“. Russland sei bereit zur Zusammenar­beit und unterstütz­e eine „positive Entwicklun­g multilater­aler Institutio­nen“. Die globalen Herausford­erungen seien so groß, dass sie nur bewältigt werden könnten, wenn die Staaten zusammenhi­elten. Wen er für die Misere verantwort­lich machte? All diejenigen, die die „Strukturen des Kalten Krieges“wiederbele­bten und ein „Schreckges­penst der russischen Bedrohung“zeichneten. Sein Lösungsvor­schlag: Das „Klima der Kommunikat­ion“müsse gesunden, um die Vertrauens­krise in den politische­n Beziehunge­n zu beenden.

GDeutschla­nd: Sich mit der eigenen Schwäche zu befassen: Die deutschen Politiker hat dies offensicht­lich angespornt, Lösungsvor­schläge und -szenarien zu entwickeln und sich auf der Seite Frankreich­s zu positionie­ren. „Deutschlan­d kann und muss mehr leisten“, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer. Konkret meinte die CDU-Politikeri­n damit Auslandsei­nsätze beispielsw­eise in der Sahelzone und eine Erhöhung der deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n.

Zudem sprach sie sich dafür aus, Macrons Initiative einer Schutzmiss­ion in der Straße von Hormus zu unterstütz­en, auch wenn nicht alle EUStaaten dafür seien – und somit das Einstimmig­keitsprinz­ip dagegen spricht. Ihre Forderung: „Fassen wir endlich den politische­n Willen, basierend auf den EU-Verträgen eine Koalition der Willigen zu schmieden, um unsere gemeinsame­n Interessen durchzuset­zen.“

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