Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Pulsmesser für die Börse
Der Dax zeichnet die Entwicklung der 30 wichtigsten deutschen Aktien nach
Von Thomas Spengler
GSTUTTGART - Am 1. Juli 1988 erblickte er an der Frankfurter Wertpapierbörse das Licht der Welt – der Deutsche Aktienindex, der die Kursentwicklung der 30 vermeintlich wichtigsten deutschen Unternehmen nachzeichnet. Schnell wurde er unter dem gängigen Kürzel Dax zum Leitindex der hiesigen Wirtschaft, repräsentiert er doch drei Viertel des gesamten Grundkapitals inländischer börsennotierter Aktiengesellschaften. „Damit ist der Dax unser wichtigstes Börsenbarometer und so etwas wie der Pulsmesser für den deutschen Aktienmarkt“, sagt Jürgen Dietrich, Chefhändler für Dax-Aktien an der Börse Stuttgart.
Dabei hat er jede Menge Verwandte auf der ganzen Welt. So hat der Dax mit den Indizes S&P 500 (Europa), dem Dow Jones Industrial Average (USA), dem Nikkei 225 (Japan) oder dem Shenzen Composite Index (China) weltweit berühmte Pendants. Alle sind sie statistische Größen, die von Börsen oder anderen Finanzspezialisten berechnet werden und die Entwicklung einer bestimmten Gruppe von Wertpapieren messen und nachzeichnen. Dies können Marktsegmente, Branchen, Aktiengruppen oder bestimmte Themen und Trends wie Nachhaltigkeit sein. Im Falle des Dax wird die Börsenentwicklung der 30 deutschen Aktiengesellschaften dargestellt, die folgende Kriterien erfüllen: Sie müssen zum einen den größten Börsenumsatz auf die Waage bringen. Und sie müssen zum anderen die höchste Marktkapitalisierung aufweisen.
Dabei wird zur Gewichtung der Einzelwerte seit 2002 ausschließlich der frei handelbare Teil des Grundkapitals jedes Unternehmens herangezogen, den sogenannten Streubesitz – also jene Aktien, die nicht im Besitz von Großinvestoren sind. Nach dieser Rechnung ist derzeit die Aktie von SAP mit mehr als 153 Milliarden Euro oder einem Anteil von gut zwölf Prozent der schwerste Brocken im Index. Über die Veränderung seiner Zusammensetzung des Dax wacht die Deutsche Börse, indem sie einmal jährlich im September gegebenenfalls neue Mitglieder gegen alte austauscht. So musste beispielsweise 2019 die deutsche Industrie-Ikone Thyssenkrupp ihren Platz zugunsten des Emporkömmlings MTU räumen und in den MDax abwandern.
Damals, zu seinem Start, hatte die Frankfurter Börse den Dax auf 1000 Punkte gestellt. Seitdem hat das Börsenbarometer eine Bergund Talfahrt hingelegt, die ihm im Oktober 1989 mit einem Minus von 13 Prozent seinen bisher größten Dämpfer an einem einzelnen Tag verpasst hat. Weitere Schocks folgten 1997/1998 mit der
Zahlungsunfähigkeit Russlands, am 11. September 2001 mit dem Terroranschlag auf das World Trade Center sowie bei der Finanzkrise 2007 bis 2009. Und doch hat der deutsche Leitindex in seiner Geschichte eine langfristige Aufwärtsbewegung hingelegt, die ihn ausgerechnet vergangene Woche mit 13744,21 Punkten (14. Februar) auf Rekordniveau gehoben hat. Seinen größten Freudensprung an einem Tag machte der Leitindex übrigens im Oktober 2008 mit einem Plus von 11,4 Prozent wegen des Euro-Rettungsplans der europäischen Regierungen. Für 2019 gab es ein Plus von 25,5 Prozent.
Was man über den Dax wissen sollte: Mehr als die Hälfte seines Zugewinns stammt von den Dividenden, also den Gewinnausschüttungen der Firmen, welche beim Dax, so wie man ihn kennt, stets eingerechnet werden. „Es handelt sich daher um einen sogenannten Performanceindex“, erläutert Aktienhändler Dietrich. Das unterscheidet den deutschen Leitindex von nahezu allen anderen Leitindizes, die nur die Kursentwicklung messen, weshalb man den Dow Jones oder den EuroStoxx 500 auch Kursindex nennt. Damit ist der Dax mit einem thesaurierenden Investmentfonds vergleichbar, der die Dividenden reinvestiert. Der Dax-Kursindex, der ebenfalls berechnet wird, steht aktuell nur bei 6114 Punkten. Auf die historische Gesamtrendite gerechnet, gewinnt der Performance-Index im Mittel 8,2 Prozent jährlich hinzu, der Kursindex aber nur 5,6 Prozent. Auf diese Weise wird der Dax gegenüber anderen Leit-indizes deutlich aufgehübscht, Kritiker sprechen sogar von Irreführung. Man kann sich diesen Umstand allerdings auch zunutze machen – und zwar indem man ein ETF, also ein Indexzertifikat, auf den Dax-Performanceindex erwirbt. Damit werden die gezahlten Dividenden in den Index miteinberechnet, man legt diese also automatisch wieder mit an – ohne dass Kapitalertragssteuer anfällt.