Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bloß keine Zeit verlieren!
Um es extrem vorsichtig zu formulieren: Es läuft nicht gut bei und für die CDU – und das nicht erst, seit sich Annegret KrampKarrenbauer durch ihren Rückzug auf Raten zur „lame duck“an der Parteispitze gemacht hat. Eine „lahme Ente“, also ein Politiker, der noch im Amt ist, obwohl sein Ende bereits besiegelt ist, hat naturgemäß wenig Autorität. Fatal ist, wenn die Autorität zuvor schon angekratzt war. Exakt dies hatte die Causa Kemmerich offensichtlich gemacht. Thüringen ist jedoch nur ein Teil der Misere. Hinzu kommt, dass auch die Bundeskanzlerin unter dem Lahme-Enten-Phänomen leidet: Angela Merkel hatte ja ebenfalls erklärt, nach der Legislatur nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Dass es an der klaren Linie fehlt, wird in Thüringen seit Tagen deutlich. Die letzte große Volkspartei des Westens wirkt unvorbereitet auf die gar nicht mehr so überraschende Situation im Osten. Erst lässt sich die dortige Fraktion von der AfD vorführen, nun auch noch vom linken ExMinisterpräsidenten Bodo Ramelow, der eine CDU-Politikerin als Übergangsregierungschefin präsentiert. Dass Christine Lieberknecht nach ihrem Blitz-Rückzug allen Ernstes eine „direkte Zusammenarbeit mit der Linken“vorschlägt, macht klar, dass die CDU schnellstmöglich eine neue Parteispitze benötigt.
Wer es wird? Norbert Röttgen gebührt jedenfalls Dank. Denn seine Kandidatur macht eine von KrampKarrenbauer ausgetüftelte Teamlösung unwahrscheinlich. Mit einer Troika Laschet, Spahn, Merz in den Wahlkampf zu gehen? Mit dieser Idee ist die SPD 1994 krachend gescheitert. Nur mal hypothetisch: Kanzlerkandidat Laschet wäre der Scharping, Merz und Spahn hielten sich insgeheim aber jeweils für den besten Kandidaten, genau wie einst Lafontaine und Schröder. Die Grünen würden sich ins Fäustchen lachen, von der AfD ganz zu schweigen. Wenn die CDU eines nicht mehr braucht, dann konturlosen Einheitsbrei. Und zu glauben, dass sich die Partei bei der Chefsuche Zeit lassen kann, ist naiv. Jeder Tag, an dem über Personen, nicht aber über Inhalte gesprochen wird, nutzt den anderen.