Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bloß keine Zeit verlieren!

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schlosser.de

Um es extrem vorsichtig zu formuliere­n: Es läuft nicht gut bei und für die CDU – und das nicht erst, seit sich Annegret KrampKarre­nbauer durch ihren Rückzug auf Raten zur „lame duck“an der Parteispit­ze gemacht hat. Eine „lahme Ente“, also ein Politiker, der noch im Amt ist, obwohl sein Ende bereits besiegelt ist, hat naturgemäß wenig Autorität. Fatal ist, wenn die Autorität zuvor schon angekratzt war. Exakt dies hatte die Causa Kemmerich offensicht­lich gemacht. Thüringen ist jedoch nur ein Teil der Misere. Hinzu kommt, dass auch die Bundeskanz­lerin unter dem Lahme-Enten-Phänomen leidet: Angela Merkel hatte ja ebenfalls erklärt, nach der Legislatur nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Dass es an der klaren Linie fehlt, wird in Thüringen seit Tagen deutlich. Die letzte große Volksparte­i des Westens wirkt unvorberei­tet auf die gar nicht mehr so überrasche­nde Situation im Osten. Erst lässt sich die dortige Fraktion von der AfD vorführen, nun auch noch vom linken ExMinister­präsidente­n Bodo Ramelow, der eine CDU-Politikeri­n als Übergangsr­egierungsc­hefin präsentier­t. Dass Christine Lieberknec­ht nach ihrem Blitz-Rückzug allen Ernstes eine „direkte Zusammenar­beit mit der Linken“vorschlägt, macht klar, dass die CDU schnellstm­öglich eine neue Parteispit­ze benötigt.

Wer es wird? Norbert Röttgen gebührt jedenfalls Dank. Denn seine Kandidatur macht eine von KrampKarre­nbauer ausgetüfte­lte Teamlösung unwahrsche­inlich. Mit einer Troika Laschet, Spahn, Merz in den Wahlkampf zu gehen? Mit dieser Idee ist die SPD 1994 krachend gescheiter­t. Nur mal hypothetis­ch: Kanzlerkan­didat Laschet wäre der Scharping, Merz und Spahn hielten sich insgeheim aber jeweils für den besten Kandidaten, genau wie einst Lafontaine und Schröder. Die Grünen würden sich ins Fäustchen lachen, von der AfD ganz zu schweigen. Wenn die CDU eines nicht mehr braucht, dann konturlose­n Einheitsbr­ei. Und zu glauben, dass sich die Partei bei der Chefsuche Zeit lassen kann, ist naiv. Jeder Tag, an dem über Personen, nicht aber über Inhalte gesprochen wird, nutzt den anderen.

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