Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Neue Fähre mit umstrittener Klimabilanz
Am Bodensee verkehren künftig Flüssiggas-Schiffe – Das Problem: Sie stoßen Methan aus
Von Stefan Fuchs G
KONSTANZ - In Zukunft sollen Bodensee-Fähren zwischen Konstanz und Meersburg mit Flüssiggas (LNG) betrieben werden – und nicht mehr mit Schiffsdiesel. Doch während im österreichischen Fußach schon die Teile der LNG-Fähre zusammengefügt werden, wird Kritik an der Antriebsart laut. Die Stadtwerke Konstanz stehen weiter zu ihrer Entscheidung.
„Das Flüssigerdgas entpuppt sich als schädlicher Irrweg“, sagt die Umweltorganisation Nabu. Sie beruft sich auf einen Bericht des renommierten Internationalen Rats für sauberen Transport (ICCT), der zu alarmierenden Ergebnissen kommt. Danach verursacht ein LNG-Antrieb sogar deutlich mehr Treibhausgasemissionen als herkömmlicher Schiffsdiesel – und zwar 70 bis 80 Prozent zusätzlich. Grund ist das aggressive Treibhausgas Methan, das beim LNG-Betrieb austritt. Über einen Zeitraum von 20 Jahren seien die LNG-Schiffe deshalb klimaschädlicher als herkömmliche Frachter. „LNG ist gut für die Luftqualität, aber nicht für das Klima“, sagt Sönke Diesener vom Nabu.
Eine Fähre mit LNG-Antrieb soll ab 2021 zwischen Meersburg und Konstanz den Bodensee überqueren. Die „FS14“wird derzeit im österreichischen Fußach zusammengeschweißt. Gebaut wurden die einzelnen Sektionen des Schiffs in der
Hamburger Werft Pella Sietas. Die beiden 746-Kilowatt-Gasmotoren hat Rolls Royce Power Systems (RRPS) in Friedrichshafen entwickelt. Die Entscheidung, auf Flüssigerdgas zu setzen, fällten die Stadtwerke Konstanz bereits im Jahr 2017. Es handele sich um die „ökologisch und ökonomisch sinnvollste Lösung“, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter bei einer Präsentation im Januar.
Die amerikanischen Forscher des ICCT befürchten, dass der Einsatz von LNG tatsächlich den Einfluss der Schifffahrt auf das Klima sogar verschlechtern könnte. Weitere Investitionen in LNG-Infrastrukturen könnten den Übergang zu emissionsfreien Antrieben erschweren, heißt es in der Studie. Die Forscher aus Washington waren 2015 maßgeblich an der Aufdeckung des VW-Abgasskandals beteiligt.
Bei RRPS in Friedrichshafen ist man sich der Diskussion um das Flüssiggas bewusst. Das Unternehmen weist allerdings auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“darauf hin, dass der Motor die SchadstoffGrenzwerte aktueller Emissionsrichtlinien bereits ohne Abgasnachbehandlungen unterschreite. Damit habe der Motor „signifikante Vorteile gegenüber einem vergleichbaren Dieselmotor“. Auf dem eigenen Prüfstand stoße der Motor der „FS14“sechs Prozent weniger klimarelevantes Abgas aus als der Motor der Vorgängerfähre „Lodi“. Die höhere Klimaschädlichkeit
sei dabei bereits einberechnet worden.
Auf 100 Jahre gerechnet ist das Treihausgaspotential von Methan 25 -mal höher als das von CO2. Das ergibt eine Bewertung, die im KyotoProtokoll angefürt wird, dem globalen Klimaschutzabkommen von 1997. Dieser Wert wurde in die Berechnungen einbezogen.
Methan könnte allerdings noch deutlich klimaschädlicher sein. Eine Auswertung über einen Zeitraum von 20 Jahren zeigt für Methan eine 84-mal höhere Umweltbelastung als für CO2. Das liegt daran, dass Methan kürzer in der Atmosphäre verbleibt als CO2. Die übliche Betriebsdauer für Bodenseefähren liegt bei etwa 50 Jahren. Für eine Berechnung der Bilanz über 50 Jahre gebe es derzeit keinen Quotienten, heißt es vom Motorenhersteller RRPS.
Die Stadtwerke Konstanz stehen indes zu ihrer LNG-Fähre. Man habe eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt, um den bestmöglichen Antrieb zu finden. Der LNGAntrieb sei die beste Möglichkeit, auch unter ökologischen Gesichtspunkten. Die Fähre werde keine Rußpartikel ausstoßen, außerdem 80 Prozent weniger Stickoxide im Vergleich zum Diesel. Zudem habe man den Rumpf optimiert, was den Kraftstoffverbrauch um 17 Prozent senke.
Um die Klimaschädlichkeit weiter einzuschränken, wollen die Stadtwerke künftig auf Biogas setzen. Ein Anbieter ist aber noch nicht gefunden. Fürs erste müsse man auf Lieferungen aus dem arabischen Raum zurückgreifen.
Auch der Motorenhersteller RRPS verweist darauf, dass Biogas die Bilanz verbessern würde. Allerdings entweicht auch bei der Aufbereitung von Biogas Methan. RRPS weist darauf hin, dass die Motoren auch mit klimaneutral hergestellten synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können.
Für die „FS14“steht als nächstes allerdings noch eine Fahrt mit Dieselantrieb an. Ende März soll ein Schlepper das Schiff quer über den Bodensee nach Konstanz ziehen. Dort stehen die Motoren aus Friedrichshafen zum Einbau bereit.
Der riesige Tank fürs Flüssiggas ist bereits installiert, er befindet sich in einem hermetisch abgeriegelten Raum, der nur durch eine gasdichte Druckschleuse zugänglich ist. Alle Gasleitungen sind doppelwandig und mit integrierten Sensoren, sogenannte Gasschnüfflern ausgestattet.
Im Fährbetrieb soll der Unterschied zum Schiffsdiesel gering sein. „Die Charakteristik des Motors ist an einen Diesel angelehnt, für den Kapitän gibt es eigentlich keinen Unterschied“, sagt Hans-Dieter May, technischer Leiter der Stadtwerke Konstanz.
Für die Mannschaft gibt es allerdings eine Umstellung. Wo sie früher am Schiffsdiesel selbst Hand anlegen konnte, müssen künftig bei Defekten Spezialisten ran.