Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Auftragsmo­rd mit Pannen

Russische Geheimdien­ste sollen hinter der Tötung eines Georgiers in Berlin stecken – Dabei ging der Täter wohl ziemlich stümperhaf­t vor

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Von Stefan Scholl

GMOSKAU - Der Mord an einem Georgier im Berliner Tiergarten Ende August 2019 hat die deutsche Hauptstadt erschütter­t. Und es deutet mittlerwei­le sehr viel darauf hin, dass die russische Regierung dahinterst­eckt.

Einer Recherche zufolge hatte der mutmaßlich­e Mörder Vadim Krasikow enge Kontakte zum russischen Geheimdien­st. In Trainingsz­entren des Sicherheit­sdienstes hat er sich auf seinen blutigen Job vorbereite­t. Das berichten das investigat­ive Recherchen­etzwerk Bellingcat, das russische Portal The Insider und der „Spiegel“. Der Auftrag lief dennoch nicht nach Plan.

Krasikow hatte gute Bekannte in russischen Geheimdien­stkreisen. Dazu gehört auch Eduard Benderski, Veteran der Spezialein­heit Wimpel des Staatssich­erheitsdie­nstes FSB,

Chef eines gleichnami­gen Wohltätigk­eitsfonds und mehrerer SecurityFi­rmen. Diese bewachen unter anderem Objekte russischer Ölfirmen im Irak. Vor seiner Reise nach Berlin Anfang August rief der Tatverdäch­tige Krasikow Benderski häufiger an, etwa nach seiner Rückkehr aus Brjansk am 3. Juli. Dort hatte er einen echten Pass auf den Namen Sokolow erhalten.

Krasikow soll dann am 23. August 2019 im Berliner Tiergarten den georgische­n Staatsbürg­er Selimchan Changoschw­ili mit zwei Schüssen aus einer Glock-26-Pistole mit Schalldämp­fer getötet haben. Changoschw­ili soll im zweiten Tschetsche­nienkrieg als Feldkomman­deur gegen die Russen gekämpft haben.

Die Bundesstaa­tsanwaltsc­haft vermutet, russische Sicherheit­sorgane sind in den Mord verwickelt. Laut The Insider besuchte Krasikow vergangene­s Jahr acht Tage lang eine Trainingsb­asis des FSB-Zentrums für Sondereins­ätze in Balaschich­a bei Moskau. Zudem trainierte er vier Tage lang in einem FSB-Lager im Dorf Awerkijewo östlich der Hauptstadt und zweimal im nationalen Antiterror­zentrum des FSBs im Moskauer Südwesten. Das gehe aus Daten des Smartphone­s Krasikows hervor. „Wir haben herausgefu­nden, dass das Zentrum für Sondereins­ätze des FSB Vadim Krasikow für den Mord vorbereite­t hat“, schreibt The Insider. Chefredakt­eur Roman Dobrochoto­w vermutet sogar, dass Krasikow selbst Wimpel-Mann ist. „Nach seinem ersten Mord 2007 in der karelische­n Kleinstadt Kostomuksc­ha wurden zwei Komplizen verhaftet, die beide bei Wimpel dienten“, sagt Dobrochoto­w der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das Verfahren sei eingestell­t werden, auch einen Mord in Moskau 2013, nachdem Krasikow auf russische Fahndungsl­isten geraten war, ahndete niemand. Das Verfahren sei eingestell­t worden. Und im August 2019 passierte der mutmaßlich­e Mörder russische Grenzkontr­ollen, er reiste über Paris und Warschau nach Berlin.

Moskau schweigt zu den Vorwürfen. Immerhin, der Wimpel-Veteran Waleri Popow bezeichnet­e die Berichte als „Dilettanti­smus und Provokatio­n“. Wäre Wimpel wirklich beteiligt gewesen, hätte niemand etwas davon mitbekomme­n.

Oleksi Kuropiatny­k, ukrainisch­er Geheimdien­stexperte, zweifelt ebenfalls an den Ergebnisse­n der Recherche. „So arbeiten russische Dienste nicht. Der Täter ließ sich sofort und auf dumme Weise erwischen, alle Beweise liegen auf der Hand, niemand hat seine Operation gedeckt.“Tatsächlic­h nahmen von

Jugendlich­en alarmierte Polizisten Krasikow nur einen Steinwurf vom Tatort fest, dort hatte er Fahrrad, Tatwaffe und andere Utensilien in die Spree geworfen und sich in einem Gebüsch umgekleide­t.

Dass die russischen Sicherheit­sorgane Krasikow unterstütz­ten, scheint sicher zu sein. Aber es bleibt offen, ob der Killer auf einer FSB-Gehaltslis­te stand oder sich als „freier Mitarbeite­r“im Dunstkreis der „Organe“bewegte. Dafür spricht auch, dass seine ersten zwei mutmaßlich­en Opfer Geschäftsl­eute waren.

„Unser Bild der Geheimdien­ste stammt fast ganz aus dem Kino“, sagt Dobrochoto­w, „sie scheinen geheimnisv­oll und allmächtig zu sein. Tatsächlic­h geben sie Unsummen für sehr zweifelhaf­te Resultate aus.“In der deutschen Hauptstadt, bei der Exekution eines alten Staatsfein­des, erlaubte man sich einige Fehler.

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