Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Innovation an vorderster Stelle“
RAVENSBURG Baden-Württembergs Europaminister Guido Wolf (CDU/Foto: dpa) äußert im Gespräch mit Ulrich Mendelin Vorbehalte gegen die Vorschläge von EU-Ratspräsident Charles Michel zum EU-Haushalt.
Die Gretchenfrage nach dem Austritt Großbritanniens lautet: Soll die EU sparen, oder sollen die übrigen Nettozahler einschließlich Deutschland mehr zahlen? Wir brauchen einen Mix aus Einsparungen einerseits und Mehreinnahmen der EU andererseits. Am Ende werden die aktuellen Verhandlungen einen gewissen Mehrbeitrag Deutschlands mit sich bringen.
Was erwartet speziell BadenWürttemberg von Europa?
Das Thema Grenzsicherung ist für die Menschen entscheidend wichtig. Natürlich spielt der Klimaschutz eine große Rolle. Für uns BadenWürttemberger stehen außerdem immer Forschung und Innovation an vorderster Stelle, damit starke Regionen als Lokomotiven fungieren können. Im aktuellen Kompromissvorschlag von Charles Michel scheinen die Mittel dafür etwas reduziert worden zu sein, zugunsten von Agrar- und Strukturförderung. Ganz entscheidend sind außerdem Investitionen in europäische Begegnungen – konkret: Erasmus plus –, um Europa für die junge Generation erlebbar zu machen.
Ratspräsident Michel hat Vorschläge unterbreitet, wie die Auszahlung von EU-Mitteln an die Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden soll. Sind die geeignet, um bedenklichen Entwicklungen in Polen oder Ungarn entgegenzutreten?
Nach einer ersten Einschätzung bin ich mit den Vorschlägen unzufrieden. Wir brauchen handhabbare Mechanismen, um in den Staaten, die sich der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze hartnäckig widersetzen, Zuschüsse reduzieren und im Extremfall streichen zu können. Der aktuelle Vorschlag weicht die harten Vorgaben auf. Er sieht vor, dass es für Kürzungen von Fördergeldern wegen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Diese Mehrheitskriterien könnten am Ende ein stumpfes Schwert werden, weil die betroffenen Länder sich Verbündete suchen und so möglicherweise gemeinsam konsequente Sanktionen verhindern.