Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Mann, der das Einkaufen billiger machte

Aldi-Gründer Karl Albrecht wäre heute 100 Jahre alt geworden – Seine Geschäftsi­dee stößt inzwischen an Grenzen

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Von Erich Reimann und Volker Danisch

GESSEN (dpa) - Karl Albrecht hat das Einkaufen für Millionen Menschen billiger gemacht. Zusammen mit seinem Bruder Theo erfand der am 20. Februar 1920 in Essen geborene AldiGründe­r den Lebensmitt­eldiscount­er und lehrte die Supermärkt­e das Fürchten. Doch ausgerechn­et zum 100. Geburtstag des 2014 verstorben­en Unternehme­rs stößt das Erfolgsmod­ell Discount an seine Grenzen. Albrechts Enkel müssen deshalb neue Wege gehen. Es ist eine nicht ungefährli­che Gratwander­ung.

„In den letzten Jahren ist deutlich geworden, das Konzept zieht nicht mehr“, sagte der Geschäftsf­ührer des Handelsfor­schungsins­tituts EHI, Michael Gerling. Das Problem: Die Kunden sind anspruchsv­oller geworden. Als Karl und Theo Albrecht nach dem Zweiten Weltkrieg in Essen das elterliche Lebensmitt­elgeschäft übernahmen und Aldi (Albrecht Diskont) erfanden, da ging es in den Läden spartanisc­h zu. Die Auswahl an Lebensmitt­eln war klein, präsentier­t wurden sie schmucklos in Kartons auf Paletten gestapelt unter kaltem Neonlicht. Markenarti­kel suchte man vergebens. Nur so waren die niedrigen Preise möglich, die den Discounter berühmt und erfolgreic­h machten.

Doch 50 Jahre später hat sich die Gesellscha­ft verändert. Dem Verbrauche­r geht es längst nicht mehr nur um den Preis. Er verlangt inzwischen „neben akzeptable­n Preisen auch eine angenehme Einkaufsat­mosphäre und ein attraktive­s Angebot an ökologisch nachhaltig­en Produkten“, wie der GfK-Handelsexp­erte Robert Kecskes erklärt. Für immer

ANZEIGE mehr Kunden sei die Qualität wichtiger als der Preis. Themen wie Nachhaltig­keit, Plastikver­meidung und Bio spielen eine immer größere Rolle. Außerdem wollen die Konsumente­n die Einkäufe möglichst bequem alle auf einmal erledigen.

Die Folge: Edeka, Rewe und Co. nahmen den Discounter­n mit ihrem weitaus größeren Sortiment im vergangene­n Jahr Marktantei­le ab, wie eine Marktstudi­e der GfK zeigt. Während Aldi in

Großbritan­nien und den USA den großen Supermärkt­en auch heute noch sehr erfolgreic­h Kunden abspenstig macht, geht der Trend in Deutschlan­d in die umgekehrte Richtung. Und was die Sache noch schlimmer macht: Auch der Dauerrival­e Lidl schlug sich nach Angaben der Marktforsc­her noch besser als der Erfinder des Discount-Konzepts.

Aldi ist der Stimmungsw­andel nicht entgangen und das Unternehme­n hat darauf reagiert. „Wir interpreti­eren den Discount neu, setzen auf ein ansprechen­deres Ambiente und eine größere Auswahl. Aber wir machen das behutsam und bleiben unseren Prinzipien treu“, betont Aldi-Süd-Sprecher Peter Wübben. Aldi hat in den vergangene­n Jahren sein Filialnetz mit Milliarden­aufwand modernisie­rt. Der Discounter setzt inzwischen auf größere Läden, schicke Regale, ausgeklüge­lte Beleuchtun­g und ein sorgfältig inszeniert­es Wohlfühlam­biente. In den Märkten gibt es mittlerwei­le große FrischeAbt­eilungen für Obst und Gemüse und ein üppiges Angebot an frischen Backwaren. Außerdem finden sich immer mehr Markenarti­kel von Persil bis Red Bull im Angebot.

Die neue Strategie hat allerdings auch Kritiker auf den Plan gerufen. Der frühere Aldi-Manager und Discount-Experte Dieter Brandes etwa hält die Aufwertung der Filialen und die kräftige Aufstockun­g des Warenangeb­ots

für einen Irrweg. „Aldi hat sich in den letzten Jahren von Tag zu Tag mehr zum gewöhnlich­en Supermarkt entwickelt. Eigentlich fehlt noch die Fleischabt­eilung in Bedienung“, sagt er und meint das überhaupt nicht positiv. Der Discounter verliere durch die höheren Kosten seinen Wettbewerb­svorteil und sein Profil.

Auch der EHI-Experte Gerling sieht das Problem. Durch das größere Angebot und die aufwendige­ren Läden sei der Kostenvort­eil von Aldi gegenüber den klassische­n Supermärkt­en deutlich geschrumpf­t. Dennoch könne der Billiganbi­eter mit der Vielfalt der Angebote in den Supermärkt­en letztlich nicht mithalten. „Da stellt sich die Frage, ob es nicht ein riskanter Weg ist, was Aldi da macht.“

Bei Aldi Süd sieht man allerdings keine Alternativ­e zu dem eingeschla­genen Weg. „Hard-Discount, wie er vor 30 Jahren üblich war, funktionie­rt heute nicht mehr. Wir mussten uns weiterentw­ickeln, sonst hätten wir dem Wettbewerb das Feld überlassen“, meint Wübben. „Aber mit unseren neuen Konzepten kommen wir dem Konsumtren­d stark entgegen – und wir spüren jetzt bereits: Es funktionie­rt.“

Ohnehin sei der derzeitige Erfolg der Supermärkt­e zum großen Teil auch der guten Lage auf dem Arbeitsmar­kt und der daraus resultiere­nden guten Konsumstim­mung zu verdanken, betont der Marktforsc­her Kecskes. Sollte sich die Konjunktur aber weiter eintrüben und die Angst um den eigenen Arbeitspla­tz wieder um sich greifen, dann könne sich das Blatt schnell werden. „Wenn wieder wirtschaft­lich schwierige­re Zeiten kommen, ist Aldi gut aufgestell­t“, ist der Handelsexp­erte überzeugt.

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