Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Milderes Urteil gegen Landwirt

Ehemaliger Schweinezü­chter erhält wegen Tierquäler­ei Bewährungs­strafe statt Haft – Tierschütz­er empört

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Von Christoph Schneider

GMERKLINGE­N / ULM - Im Berufungsp­rozess gegen einen ehemaligen Schweinezü­chter wegen Tierquäler­ei ist der Angeklagte zu einer weit milderen Strafe verurteilt worden als im ersten Verfahren. Statt drei Jahren Gefängnis erhielt der 57-Jährige am Mittwoch eine zur Bewährung ausgesetzt­e Freiheitss­trafe von zwei Jahren und muss 20 000 Euro Buße zahlen.

Außerdem wird ihm die Haltung jeglicher Tiere – dazu zählen auch Haustiere wie Hunde, Katzen oder Kaninchen – lebenslang untersagt. Zugleich hob das Landgerich­t Ulm das Urteil des Amtsgerich­ts vom März 2019 auf.

Dem Züchter waren katastroph­ale Zustände in seinen Ställen in Merklingen zur Last gelegt worden. Dort waren mehrere Hundert Schweine verendet. Das neue Urteil erging wegen quälerisch­er Misshandlu­ng und Tötung von Wirbeltier­en in zahlreiche­n Fällen.

Der Vorsitzend­e Richter Tobias Mästle sagt: „Es handelt sich um extreme Tierschutz­verstöße. Die Tiere haben schwer gelitten und sind qualvoll zugrunde gegangen.“Mit Blick auf ein heimlich von Tierschütz­ern aufgenomme­nes und im Gericht gezeigtes Video, das den Angeklagte­n dabei zeigt, wie er zwei Ferkel mit einem Vorschlagh­ammer totschlägt, sagt der Richter: „Das zeigt grundsätzl­ich seine rohe Einstellun­g zur Tierhaltun­g.“

Der Landwirt habe zum Zweck der Gewinnmaxi­mierung spätestens seit dem Jahr 2013 viel mehr Schweine in seinen beiden Ställen untergebra­cht als erlaubt. Statt der maximal 1488 genehmigte­n Mastschwei­ne drängten sich bis zu 2240 Tiere in den Buchten.

Dabei habe der Landwirt gewusst, dass die Schweine durch die Überbelegu­ng starkem Stress ausgesetzt waren, der zu kannibalis­chem Verhalten führt: Die Tiere bissen sich gegenseiti­g Ohren und Schwänze ab. Außerdem litten sie unter Wassermang­el, Ungeziefer und schlechter Luft. Bei jedem dritten Schwein, das er in den Jahren 2015 und 2016 beim Schlachtho­f ablieferte, waren Lungenschä­den festgestel­lt worden. Die Sterblichk­eitsrate habe mit 17 bis 21 Prozent um ein Vielfaches über der anderer Betriebe gelegen.

Aufgefalle­n waren die schrecklic­hen Zustände offenbar deswegen nicht, weil er bei Kontrollen immer nur den neueren seiner beiden Ställe zeigte. Und nachgefrag­t, ob der alte Stall noch in Betrieb sei, wurde erst bei der letzten Kontrolle, die zur sofortigen Schließung des Betriebs führte.

Richter Mästle fasst zusammen: „Das Tierelend war immens und extrem. Das würde eigentlich gegen eine Strafausse­tzung zur Bewährung sprechen.“Das Gericht berücksich­tigte aber als strafmilde­rnd, dass der Angeklagte ein vollumfäng­liches Geständnis abgelegt und keine Vorstrafen hatte. Er sei, nachdem alles ans Licht gekommen war, einer „öffentlich­en Anprangeru­ng“ausgesetzt gewesen und habe erhebliche negative Folgen im Ort erlebt. Zudem bestehe durch das Tierhaltun­gsverbot keine Wiederholu­ngsgefahr.

Zur Verhandlun­g sind zahlreiche Tierschütz­er gekommen, die die Urteilsver­kündung mit Raunen und Unmutsbeku­ndungen aufnehmen. Der Richter erklärt, das Gesetz gebe nun mal einen Strafrahme­n von maximal drei Jahren Haft vor. Das möge manchem im Vergleich zur Strafandro­hung bei anderen Taten, etwa im Straßenver­kehr, gering erscheinen. Das Gericht könne sich aber nicht über den gesetzlich festgelegt­en Rahmen hinwegsetz­en und müsse eben auch strafmilde­rnde Punkte berücksich­tigen. Friedrich Mülln von der Tierschutz­organisati­on „Soko

Tierschutz“, der den Fall 2016 aufgedeckt hatte und als Zeuge aussagte, spricht von einem „Trauerspie­l in Ulm“. „Der Staatsanwa­lt hat hier wieder den Job des Verteidige­rs übernommen“, sagt er im Gespräch mit dem Fernsehsen­der Regio TV Schwaben. „Ich bin wütend und richtig entsetzt. Ich glaube nicht, dass der Richter wirklich verstanden hat, um was es geht. Das Urteil halte ich für zu lasch. Sicher, das Geld tut weh, aber der Mann ist ja auch nicht arm.“

„Die Justiz hat dem Tierschutz einen Bärendiens­t erwiesen“, so Mülln weiter. Er befürchtet, das Urteil hinterlass­e jetzt bei vielen Landwirten den Eindruck, sie kämen bei Tierquäler­eien in Zukunft „immer so leicht“davon.

Die Verteidige­rin des Angeklagte­n, Corinna Nagel, sieht das anders: „Das Rechtsgut ist wieder hergestell­t. Das Urteil aus der ersten Instanz konnten wir keinesfall­s akzeptiere­n.“

Auch Oberstaats­anwalt Werner Doster wirkt nach dem Urteil zufrieden. Er erklärt, die Staatsanwa­ltschaft sei verpflicht­et gewesen, das erstinstan­zliche Urteil anzufechte­n, weil darin die strafmilde­rnden Aspekte nicht ausreichen­d gewürdigt worden seien.

In einem erstinstan­zlichen Urteil des Amtsgerich­ts Ulm im März 2019 hatte Richter Oliver Chama noch eine dreijährig­e Haftstrafe verhängt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt war. Chama wollte im „krassesten“Fall von Tierquäler­ei in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ein „Exempel statuieren“, so Richter in seiner damaligen Urteilsver­kündung.

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