Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die kleine Schwester der Jogginghose
Dank des ebenso legendären wie verstorbenen Modeschöpfers Karl Lagerfeld hat die Welt ausgiebig über die Jogginghose diskutiert. Impliziert dieses Kleidungsstück auch große Sportlichkeit, so wird es in der Praxis meist für das Gegenteil missbraucht: endlose Sofa-Sitzorgien. Nicht selten dient sie als Hybrid, denn durch die dehnbaren Materialien genügt sie sowohl den Ansprüchen als Schlafanzughose, darüber hinaus kann sie ohne mühsamen Klamottenwechsel nach dem Aufstehen auch als Beinkleid in der Öffentlichkeit fungieren.
Erstaunlicherweise hat sich die Welt bislang noch keine größeren Gedanken über die kleine und schlüpfrig anhaftende Schwester der Jogginghose gemacht: die Leggings. Sie liegt im Gegensatz zur Jogginghose sehr eng an und wirkt daher wie eine zweite Haut. Der Nachteil besteht darin, dass die Leggings jedwede körperliche Eigentümlichkeit eskalierend unterstreicht.
Bemerkenswerterweise hat es die Leggings schon gegeben, bevor der Begriff überhaupt existierte. Wir erinnern uns andächtig an die Ballettkapriolen eines Rudolf Chametowitsch
Nurejew, die ohne elastische Behosung gar nicht denkbar gewesen wären. Auch in den meisten Mantel- und Degenfilmen hält höchst dehnbares Gewebe die Beine sowie wesentliche Unterleibsextremitäten von Leinwandhelden zusammen. Dass wer Jogginghosen trage, die Kontrolle über sein Leben verloren habe, geht auf Lagerfeld zurück. Darüber zu urteilen, worüber Träger von Leggings die Kontrolle verloren haben, kam der Meister zu Lebzeiten leider nicht mehr. Zu schade. (nyf)