Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erleichter­ung in Deutschlan­d

Der erste Reaktor des AKW Fessenheim geht jetzt vom Netz – In Frankreich überwiegen die Sorgen

-

FESSENHEIM (lsw) - Erleichter­ung auf deutscher und Resignatio­n auf französisc­her Seite: Der erste Schritt der Stilllegun­g des elsässisch­en Atomkraftw­erks Fessenheim ruft an den Ufern des Rheins unterschie­dliche Reaktionen hervor. Die Atomkraft sei kein Klimarette­r, sagte Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) vor der geplanten Abschaltun­g des ersten Reaktors am Freitag. „Sie ist riskant, teuer und hinterläss­t radioaktiv­en Abfall für Tausende Generation­en.“Die geplante Abschaltun­g des Reaktors an der Grenze trage auch zur Sicherheit Deutschlan­ds bei, sagte Schulze. Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) warnte indes, es bestehe weiter ein enormes Risiko, solange der zweite Block noch in Betrieb sei. „Es ist Fakt, dass Fessenheim den Sicherheit­sanforderu­ngen an ein modernes Kraftwerk nicht genügt“, teilte Unterstell­er in Stuttgart mit.

Die Abschaltun­g des Kernkraftw­erks sollte nach Angaben des französisc­hen Energiekon­zerns EDF am Freitagabe­nd beginnen. Am frühen Samstagmor­gen sollte der Vorgang abgeschlos­sen sein. Seit vielen Jahren habe man sich für diesen Schritt eingesetzt, sagte Schulze. „Oft wurde die Stilllegun­g angekündig­t, jetzt ist es endlich so weit.“Für Deutschlan­d stehe der Atomaussti­eg fest. Sie werde aber auch in den Nachbarlän­dern für die Abkehr von Atomkraft werben, erklärte die Umweltmini­sterin.

Fessenheim ist seit 1977 in Betrieb und damit das älteste noch laufende Kernkraftw­erk Frankreich­s. Kritikern gilt es seit Jahrzehnte­n als Sicherheit­srisiko. Atomkraftg­egner, vor allem in Deutschlan­d und der Schweiz, hatten sich lange ohne Erfolg für ein Abschalten der beiden Reaktoren eingesetzt. Der zweite

Block soll am 30. Juni vom Netz genommen werden. Es gibt kein Zurück – die französisc­he Regierung veröffentl­ichte das Dekret mit den Daten diese Woche im Amtsblatt.

„Das Abschalten des AKW Fessenheim ist für uns das bedeutends­te Ereignis des Jahres“, sagte die Freiburger Regierungs­präsidenti­n Bärbel Schäfer (parteilos). Es sei ein schwierige­r, langwierig­er Prozess gewesen. „Dass es letztlich doch gelungen ist, ist ein gutes Zeichen für gelebtes deutsch-französisc­hes Verständni­s und Miteinande­r.“Deutschlan­d werde sich an die Planungen für die künftige Nutzung des Geländes in Fessenheim beteiligen. Währenddes­sen fühlt sich der Bürgermeis­ter von Fessenheim, Claude Brender, von der französisc­hen Regierung alleingela­ssen. „Es gibt immer noch große Bedenken hinsichtli­ch der Zukunft unserer Gemeinden, der Zukunft der Stadt“, sagte Brender zu Beginn der Woche dem Radiosende­r RTL. Es gebe noch wesentlich­e Punkte, die nicht geklärt seien, beispielsw­eise der Verlust von Steuereinn­ahmen nach der Schließung des Kraftwerks. Brender sprach von rund 3,4 Millionen Euro.

Frankreich­s Umweltmini­sterin Élisabeth Borne, die am Freitag laut Medienberi­chten im Elsass erwartet wurde, betonte wiederholt, dass die AKW-Schließung keinen Verlust von Arbeitsplä­tzen zur Folge haben werde. Er hoffe, dass die Worte der Ministerin wahr seien, sagte Brender.

Das Kraftwerk hatte Medienberi­chten zufolge rund 2000 Arbeitsplä­tze in der Region geschaffen. Die Belegschaf­t des AKW selbst soll nun schrittwei­se abgebaut werden. Nach EDF-Angaben sollen zu Beginn der Demontage im Jahr 2025 noch rund 60 EDF-Mitarbeite­r und rund 100 Angestellt­e vor Ort sein.

 ?? FOTO: PATRICK SEEGER/DPA ?? Der Kirchturm der katholisch­en Kirche St. Peter und Paul im deutschen Hartheim am Rhein steht vor dem Atomkraftw­erk Fessenheim in Frankreich.
FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Der Kirchturm der katholisch­en Kirche St. Peter und Paul im deutschen Hartheim am Rhein steht vor dem Atomkraftw­erk Fessenheim in Frankreich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany