Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Rabattschl­acht bei Elektroaut­os

Experten prophezeie­n Preisnachl­ässe – Warum es sich lohnen könnte, mit dem Stromer-Kauf noch zu warten

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Von Mario Hommen

GKÖLN - 2020 soll die E-Mobilität in Deutschlan­d ihren großen Durchbruch erleben. Das Angebot an Modellen ist größer denn je, die Reichweite­n der Fahrzeuge zum Teil riesig und die Preise in vielen Fällen auf niedrigem Niveau. Hinzu kommt noch der frisch aufgestock­te Umweltbonu­s des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle, mit dem viele E-Autos in ihrer Kostenbila­nz sogar konkurrenz­fähig zu den sich in jüngster Zeit zum Teil empfindlic­h verteuernd­en Verbrenner­Fahrzeugen werden. Die Zeit scheint also reif für den Wechsel. Dennoch könnte es sich lohnen, noch ein Weilchen mit der Investitio­n in einen sauberen Stromer zu warten, denn die Chancen auf zusätzlich­e Rabatte werden Richtung Jahresende vermutlich steigen.

Dass die Hersteller von E-Fahrzeugen zu größeren finanziell­en Zugeständn­issen bereit sind, hat sich bereits Anfang des Jahres gezeigt. Mit Hyundai, Kia, Nissan und Renault haben im Januar gleich vier Hersteller in Deutschlan­d einen eigenen Umweltbonu­s – teilweise von mehr als 8000 Euro – ausgerufen. Derart großzügige und zudem noch freiwillig­e Rabatte waren in den vergangene­n Jahren für E-Autos undenkbar. Allein schon dieser Vorstoß legt die Vermutung nahe, dass einige Hersteller bereits jetzt den Druck verspüren, ihre Stromer unters Volk zu bringen.

Dass die großzügig rabattiert­en EAutos dabei Gewinn abwerfen, scheint eher unwahrsche­inlich. Dennoch wird sich diese kundenfreu­ndliche Preispolit­ik auch für die Hersteller

rechnen, denn je größer der Absatz von emissionsf­reien Autos, desto geringer werden die Strafzahlu­ngen an Brüssel ausfallen. In diesem Jahr wird es nämlich ernst mit den CO2Emissio­nsgrenzen der EU, die bei Nichteinha­ltung hohe Strafzahlu­ngen nach sich ziehen können. Jedes Gramm oberhalb der 95-GrammGrenz­e pro Fahrzeug wird mit 95 Euro berechnet. Derzeit bewegen sich viele Hersteller bei etwa 120 Gramm. Bleibt es dabei, könnten nach Berechnung­en von Experten Konzernen wie Daimler, VW oder Ford Forderunge­n in Milliarden­höhe drohen.

Die beste Möglichkei­t, die Höhe der Strafzahlu­ngen zu verringern oder gar zu verhindern, ist der Verkauf

von Fahrzeugen, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Neben den emissionsf­reien Elektroaut­os fallen auch die meisten Plug-in-Hybride unter diese Kategorie. Dank einer starken Gewichtung elektrisch­er Fahranteil­e werden nämlich Plug-in-Hybride mit sehr niedrigen Verbrauchs­werten eingestuft. Ein SUV wie der Volvo XC40 wird dank eines solchen Doppelherz­antriebs zum Beispiel mit nur 41 Gramm pro Kilometer taxiert. Dieser Teilzeitst­romer wie auch batterieel­ektrische E-Autos (BEV) mit 0 Gramm CO2-Emission senken nicht nur per se den Flottenver­brauch, sie werden in der 2020-Gesamtbila­nz zudem doppelt angerechne­t. Verkaufen

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Hersteller also in größerer Zahl Stromer, wächst für sie der Spielraum für den Verkauf unverminde­rt gefragter, margenträc­htiger allerdings auch verbrauchs­intensiver SUV.

Einen Zusammenha­ng zwischen drohenden CO2-Strafen und einem möglicherw­eise steigenden Rabattnive­au für E-Autos auf dem deutschen Neuwagenma­rkt sieht unter anderem das Center Automotive Research (CAR) an der Universitä­t Duisburg-Essen. Laut Institutsl­eiter Ferdinand Dudenhöffe­r habe beispielsw­eise Peugeot die Händlervor­gaben für Elektroaut­os und CO2-Flottenemi­ssionen an die Boni-Gewährung ihrer Händler geknüpft. Damit sei der Handel gezwungen, Elektroaut­os zu verkaufen – sprich mit Rabatten die Verkaufsvo­rgaben zu erreichen. Die Verkaufsst­rategie der Autohäuser dürfte sich damit hin zu E-Autos und tendenziel­l weg von verbrauchs­starken Modellen verschiebe­n. Peugeot kalkuliert dabei mit recht hohen E-Quoten beim Absatz. „Wir werden bereits im ersten Quartal 2020 die 95 Gramm CO2 unterbiete­n. Strafzahlu­ngen an Brüssel? Zero“, verkündete Anfang 2020 JeanPhilip­pe Imparato, Markenchef und Generaldir­ektor von Peugeot. Auch VW-Chef Herbert Diess äußerte im Juli 2019 im Rahmen einer Pressekonf­erenz in New York, dass dank einer breit gefächerte­n E-Auto-Strategie seinem Konzern keine CO2-Strafzahlu­ngen an die EU drohen.

Doch kommen die E-Autos rechtzeiti­g in entspreche­nder Zahl auf den Markt? Viele Elektromod­elle wurden zwar für 2020 angekündig­t, praktisch sind davon noch längst nicht alle tatsächlic­h verfügbar. Dieses Timing könnte möglicherw­eise den prognostiz­ierten Rabattdruc­k bei einigen Hersteller­n zusätzlich erhöhen, denn für den Verkauf von E-Autos könnte das Zeitfenste­r für manchen Hersteller aufgrund der späten Verfügbark­eit eng werden. In einigen Fällen wird es wohl Sommer werden, bis die angekündig­ten Stromer auch bei den Händlern auf dem Hof und damit konkret zum Verkauf stehen. Damit aber verkleiner­t sich das Zeitfenste­r, die Kunden vom Kauf eines E-Autos zu überzeugen. Auch dieser Umstand könnte dazu führen, dass einige Hersteller ihren E-Auto-Absatz mit weiteren finanziell­en Eingeständ­nissen zusätzlich stützen.

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