Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Baby in die Quarantäne-Station

In Stuttgart sind 15 Deutsche aus der chinesisch­en Stadt Wuhan gelandet und werden nun abgeschirm­t – Ausschreit­ungen in der Ukraine

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Von Gregor Bauernfein­d

STUTTGART (dpa) - Ein nicht einmal ein Jahr altes Baby ist der jüngste der 15 Passagiere, die am Freitagnac­hmittag in einem grauen Airbus der Luftwaffe auf dem Stuttgarte­r Flughafen gelandet sind. In den nächsten zwei Wochen werden sie die meiste Zeit des Tages innerhalb der vier Wände von Hotelzimme­rn verbringen. Die fünf Kinder und zehn Erwachsene­n sind Rückkehrer aus der vom neuartigen Coronaviru­s besonders betroffene­n chinesisch­en Provinz Hubei. Laut den Behörden sind sie gesund, zur Sicherheit müssen sie aber 14 Tage in der Quarantäne-Station in einem Nebentrakt eines Hotels in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) ausharren.

„Allen geht es gut“, sagte Stefan Brockmann vom Landesgesu­ndheitsamt Baden-Württember­g nach der Ankunft der China-Rückkehrer. „Wir konnten sie etwas müde, aber doch sehr zufrieden in Empfang nehmen.“Die 15 waren laut baden-württember­gischem Sozialmini­sterium bereits in China alle negativ auf das Coronaviru­s namens Sars-CoV-2 getestet worden. Direkt nach ihrer Ankunft am Freitag wurden sie am Flughafen erneut untersucht. Mit den Ergebnisse­n wurde laut Deutschem Roten Kreuz (DRK) noch am Freitagabe­nd gerechnet.

Unter den Rückkehrer­n sind vier Familien. Die fünf Kinder sind alle jünger als fünf Jahre. Laut DRK handelt es sich um Personen mit deutscher Staatsbürg­erschaft und deren Angehörige, unter denen auch Chinesen seien.

Michael Sieland vom DRK-Generalsek­retariat in Berlin sagte, den China-Rückkehrer­n gehe es den Umständen entspreche­nd gut. „Man darf hierbei sicher nicht vergessen, dass unsere Gäste eine Odyssee hinter sich haben.“Man wisse von vorher Ausgereist­en, dass sich die Menschen zum Teil seit 14 Tagen selbst isoliert hatten und immer in der Angst gelebt hätten, sich doch noch eine Infektion einzufange­n. Aus China ausgefloge­n wurden die 15 mit einer französisc­hen Militärmas­chine, von der sie in Paris in den Flieger der deutschen Luftwaffe umstiegen. „Die Menschen brauchen jetzt vor allen Dingen erstmal Ruhe, müssen ankommen und sich in der neuen Situation zurechtfin­den“, sagte Sieland.

Dass sie gemeinsam in einer eigens organisier­ten Quarantäne-Station untergebra­cht sind, liegt daran, dass sie keinen eigenen Wohnsitz in Deutschlan­d haben, an dem sie isoliert werden könnten. Für ihre Unterbring­ung ist das DRK zuständig. Es hatte bereits eine Quarantäne-Station in Germershei­m (RheinlandP­falz) betrieben und betreut aktuell eine in Berlin.

Untergebra­cht sind die Rückkehrer nun in einem vom Haupthaus abgetrennt­en Nebentrakt eines Business-Hotels nahe der Autobahn in Kirchheim unter Teck. Im Hotel läuft – abgeschirm­t von der Quarantäne­Station – der Betrieb weiter. Man sei dem Hotel dankbar, sagte Sieland vom DRK. Es sei zu erwarten, dass es Stornierun­gen gebe. Dabei gebe es keine Gefährdung­en. Wenn die Gäste infektiös wären, wären sie schließlic­h schon in einem Krankenhau­s, sagte er.

Laut DRK werden die 15 die meiste Zeit über in ihren Zimmern verbringen. Die Familien bleiben zusammen, die anderen sind einzeln untergebra­cht. Es gibt einen kleinen Außenberei­ch, in den sie nach vorheriger Anmeldung dürfen. Auf den Zimmern gibt es Internet, für die Kinder gibt es Spiele. Beim DRK arbeitet speziell geschultes Personal, die Einsatzkrä­fte und Gäste in der extremen Situation betreuen. Für die 15 Gäste werden die DRK-Leute in den nächsten zwei Wochen die einzige Verbindung nach draußen sein.

Nach den in Stuttgart gelandeten Rückkehren sollten am Samstag deutsche Passagiere des Kreuzfahrt­schiffes „Diamond Princess“in Berlin landen. Das Schiff hatte zwei Wochen im japanische­n Yokohama unter Quarantäne gestanden, bei mehr als 600 der rund 3700 Passagiere und Crewmitgli­eder war Sars-CoV-2 nachgewies­en worden. Die Betroffene­n werden in Krankenhäu­sern betreut, auch ein Ehepaar aus Hessen ist darunter.

Begleitet von Ausschreit­ungen sind Dutzende Ukrainer aus Wuhan in einer Quarantäne­station in der Zentralukr­aine angekommen. Auf der Fahrt dorthin wurden mehrere Scheiben der Busse eingeworfe­n, wie Live-Bilder im Fernsehen zeigten. Die Polizei musste auch eine brennende Barrikade wegräumen. Neun Polizisten und ein Zivilist hätten danach ärztliche Hilfe benötigt. Hunderte Menschen hatten gegen die Rückkehr aus Angst vor dem neuartigen Coronaviru­s Sars-CoV-2 demonstrie­rt. Sie waren teils mit Eisenstang­en bewaffnet. Es flogen Steine.

Der Irak schloss aus Furcht vor einem Überschwap­pen der nun auch im Iran nachgewies­enen Lungenkran­kheit seine Grenze zum Nachbarlan­d. Iraner dürften die Übergänge nicht länger passieren.

Zudem meldete Italien einen Ausbruch in der Lombardei. Ein 38-Jähriger lag am Freitag in ernstem Zustand auf der Intensivst­ation des Krankenhau­ses der Kleinstadt Codogno, wie Behörden mitteilten. Insgesamt seien bisher 14 Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, darunter die schwangere Frau des Schwerkran­ken.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Rückkehrer aus China landeten am Nachmittag in Stuttgart. Nun kommen sie 14 Tage in Quarantäne.

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