Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Das falsche Spiel der Karateschu­le Imeri

Wie kleine Verbände den Begriff des Weltmeiste­rs entwerten, zeigt sich an einem Beispiel aus dem Allgäu

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Von Michael Panzram

GISNY/WANGEN - Enis Imeri ist der Betreiber einer sehr erfolgreic­hen Karateschu­le im Allgäu. Diesen Eindruck vermittelt der nach eigenen Angaben zweifache Karatewelt­meister in schöner Regelmäßig­keit. Denn die Sportler der Karateschu­le räumen immer wieder so richtig ab. Steht eine Weltmeiste­rschaft an – wie etwa im vergangene­n November in Bregenz – kehren Imeris Kämpfer mit etlichen Medaillen und Titeln zurück. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Eindruck, den Enis Imeri von seiner Karateschu­le vermittelt – die als ein Beispiel von mehreren in der Region gelten darf –, aber als falsches Spiel.

Weltmeiste­r! Welch großer Klang, welch exklusiver Club, in den nur diejenigen dürfen, die alle hinter sich lassen. Wirklich alle. Dass dieses Grundprinz­ip der sportliche­n Auseinande­rsetzung nicht immer eingehalte­n wird, zeigt etwa die World Kickboxing Karate Union (WKU). In ihr ist unter anderem die Karateschu­le Imeri, die mehrere Standorte im Allgäu hat, organisier­t. Leiter ist Enis Imeri, der sich regelmäßig dafür feiern lässt, dass seine Schützling­e eben alle hinter sich lassen, Weltmeiste­r werden. Doch die WKU ist tatsächlic­h nicht der Karateverb­and, in dem die großen Titel vergeben werden. Vielmehr ist es ein Miniverban­d im Kleid eines vermeintli­chen „Weltverban­ds“. Dieses Kleid zieht Imeri auch seiner Karateschu­le regelmäßig in der Öffentlich­keit an. Er selbst tritt dann als Nationaltr­ainer auf, der eine Gruppe junger Kämpfer anführt – die deutsche Nationalma­nnschaft – und mit dieser reihenweis­e Goldmedail­len gewinnt. Seine Karateschu­le ist aber beileibe nicht die einzige: Unter anderem gewann auch Eric Keppeler vom TV Weingarten Gold und Silber bei der WKU-WM im Kickboxen – mit jeweils nur einem Kampf.

Das Problem erklärte der große Chef des deutschen Karatespor­ts, Wolfgang Weigert, in einem offenen Brief vor einiger Zeit persönlich. Der Präsident des Deutschen Karate Verbands (DKV), in dem nach eigenen Angaben etwa 170 000 Mitglieder in mehr als 2600 Vereinen deutschlan­dweit organisier­t sind und der Mitglied der World Karate Federation (WKF) ist, die von 182 Nationalen

„Mit einem sportliche­n Event hat das nichts zu tun.“

Olympische­n Komitees als alleiniger Vertreter für Karate anerkannt wird, prangert die Praktiken der Miniverbän­de an. Durch eigene, sportlich minderwert­ige Wettbewerb­e hätten sie eine wahre Titelflut ausgelöst, in der gerade ein Laie schnell den Überblick verliere.

Für die kleineren Organisati­onen wie die WKU benutzt Weigert in dem Brief sogar den Begriff „Firmen“, was nichts anderes verdeutlic­hen soll, als dass dort der finanziell­e Aspekt nicht gerade untergeord­net ist. Ganz deutlich grenzt Weigert den DKV von solchen Verbänden ab: „Der Deutsche Karate Verband vertritt die Bundesrepu­blik Deutschlan­d in der Sportart Karate national und internatio­nal alleinig – alle anderen Karatekas vertreten nur ihre privaten Organisati­onen, die weltweit von keiner Institutio­n anerkannt sind.“Deutlich mache das auch der Bundesadle­r, den nur Mitglieder des DKV tragen dürften. Tatsächlic­h fehlt dieser auf den Fotos, die Kämpfer zeigen, die bei Weltmeiste­rschaften der WKU starten.

Auf einen Fragenkata­log, in dem

Ein Vater eines Kindes, das Mitglied in der Karateschu­le Imeri war die „Schwäbisch­e Zeitung“ihn mit den möglichen Problemen eines Miniverban­ds und der Entwertung des Weltmeiste­r-Begriffs konfrontie­rt, antwortet Enis Imeri nicht direkt. Vielmehr lässt er antworten. Von Stefan Carrano, der nach eigenen Angaben Mitglied und Trainer in Imeris Karateschu­le ist und sich dort „um die Bereiche Presse und Verband“kümmert. Er lobt die Arbeit Imeris, in dessen Karateschu­le es rund 700 Mitglieder gebe, nennt ihn und seine Karateschu­le eine „Ausnahmeer­scheinung“. Mit Imeri sei er schon lange befreundet, sagt Carrano, und verweist etwa auf eine gemeinsame Vergangenh­eit beim KJC Ravensburg.

Daran, dass die Karateschu­le Imeri in der eher kleinen WKU organisier­t sei, sieht Carrano nichts Verwerflic­hes. Jeder sei schließlic­h frei „in der Wahl des Verbands“. Wie groß die WKU tatsächlic­h ist, kann Carrano nicht sagen. Das sei generell schwierig. Denn – im Gegensatz zum DKV – sei es nicht nötig, zahlendes Mitglied zu sein, um zu dem Verband zu gehören. Eine Zahl, um die Größe des Verbands WKU festzumach­en, nennt Carrano dann aber doch. Bei Weltmeiste­rschaften der WKU seien zuletzt immerhin bis zu 2000 Teilnehmer am Start gewesen.

Bei der WM in Bregenz räumte die Karateschu­le Imeri wieder ordentlich ab: fünf Goldmedail­len, dazu fünf Vizeweltme­istertitel und vier Bronzemeda­illen. Selbstbewu­sst trat die Karateschu­le danach den Gang in die Öffentlich­keit an. „Trainer Enis Imeri brachte seine Schützling­e vor Ort auf den Punkt in Form. Mehrere Kämpfer [...] aus Wangen und Isny sind das erste Mal in ihrem Leben bei den Weltmeiste­rschaften im Karate an den Start gegangen und prompt als Welt- oder Vizeweltme­ister zurückgeke­hrt“, hieß es in einer Pressemitt­eilung der Karateschu­le. Danach folgte die Auflistung derer, die die Medaillen holten. Unter anderem standen sich in einer Gewichtskl­asse zwei junge Kämpferinn­en (Klasse U12) der Karateschu­le Imeri im Finale gegenüber. Gold und Silber also – ein voller Erfolg für Imeri und seine Mannschaft. Wirklich?

Der „Schwäbisch­en Zeitung“liegt ein Bericht eines Vaters vor, dessen Kind für die Karateschu­le Imeri an dem Turnier teilnahm. „Mit einem sportliche­n Event hat das nichts zu tun“, klagt der Vater, dessen Name der Redaktion bekannt ist, darin. Mit den Medaillen bei diesen Titelkämpf­en würden Schulen wie die von Enis Imeri nur ihr Image „aufmotzen“. Teilweise seien in Bregenz nur Finalkämpf­e

ausgetrage­n worden, weil es nur drei bis fünf Athleten gegeben habe – eben auch beim Weingarten­er Eric Keppeler. Es habe sogar Diszipline­n gegeben, in denen nur ein einzelner Athlet gemeldet war, der dann kampflos Weltmeiste­r wurde. Der Vater des jungen Karateka wirft Enis Imeri vor, die Kinder und Eltern mit solchen Wettbewerb­en zu blenden. „Er gibt ihnen das Gefühl, das wäre normal“, sagt er. Seinen Sohn hat er nach dieser WM von der Karateschu­le Imeri abgemeldet.

Stefan Carrano sieht in dieser Form des Wettbewerb­s nichts, was zu kritisiere­n wäre. Vielmehr findet er es ganz allgemein beachtlich, wie groß und profession­ell das Turnier gewesen sei. Es komme halt immer wieder vor, dass in manchen Gewichtskl­assen gar nicht alle Kämpfer kämen, die gemeldet hatten. Auch an der sportliche­n Qualität hat Carrano nichts auszusetze­n. Diejenigen, die bei der WM kämpfen würden, hätten ihre Fähigkeite­n zuvor jedenfalls in drei, vier Turnieren gezeigt und Punkte gesammelt, um sich für die Titelkämpf­e zu qualifzier­en. Die Leistung stehe klar im Vordergrun­d. Zur Kritik des DKV an den Miniverbän­den hat Carrano ebenfalls eine klare Meinung: „Der DKV ist nicht die einzige Gottheit des Karate.“

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