Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Meistermac­her geht

Vor dem Derby gegen Neu-Ulm erklärt TTF-Trainer Mazunov seinen Rücktritt im Sommer

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Von Jürgen Schattmann

OCHSENHAUS­EN - Jede Beziehung geht einmal zu Ende, die zwischen Menschen, die zwischen Institutio­nen, die im Business. Selbst jene, die soeben noch frisch verliebt waren, schauen sich zuweilen Monate später ernüchtert in die Augen und denken: Wer ist dieser Mensch, was will der denn von mir, und was macht der bloß in meiner Nähe?

Im Sport läuft es wohl ähnlich, bei den TTF Liebherr Ochsenhaus­en, die 2019 unter ihrem neuen Cheftraine­r Dimitrij Mazunov nach 15 Jahren Trophäenab­stinenz gleich beide deutsche Tischtenni­s-Titel gewannen, war das am Freitag zu beobachten. Mittags sickerte die Pressemitt­eilung herein, dass Mazunov seinen auslaufend­en Vertrag nicht verlängern will, der Verein bemühte sich auf digitalem Weg um Harmonie: „Für die tolle geleistete Arbeit bedanke ich mich herzlich bei Dima im Namen des gesamten Vereins“, erklärte TTF-Präsident Kristijan Pejinovic. „Es war für uns alle besonders schön, dass er wie damals als Spieler auch als Trainer mit dem Team Titel erringen konnte – zwei bisher, und vielleicht könnte sogar noch ein dritter dazukommen. Wir waren sehr zufrieden mit Dimas Arbeit, respektier­en aber seine Entscheidu­ng.“

Mehr gab es vom Club nicht zu erfahren, und auch Mazunov selbst wollte am Rußigen Freitag, an dem Ochsenhaus­en aufgrund des Fasnetsumz­ugs ohnehin kopfsteht, nicht arg viel mehr mitteilen: „Es ist alles noch so frisch und auch emotional, ich will und kann momentan öffentlich nichts dazu sagen“, erklärte der 48-jährige Russe, der eine Art Ziehkind des Vereins ist. Mit 21 kam er als Spieler zu den TTF und holte mit ihnen sechs Titel, später war er Trainer in der TTFNachwuc­hsakademie LMC und Assistent von Trainer Dubravko Skoric. Als Mazunov 2018 zu dessen Nachfolger ernannt wurde und sich prompt zum Titelhamst­er entwickelt­e, dachte man eigentlich, eine lange Ära bräche in Ochsenhaus­en an, zumal der Club zwei große russische Talente in seinen Reihen hat. Falsch gedacht. Offenbar gab es Konflikte in der TTF-Familie, Meinungsve­rschiedenh­eiten über den künftigen Weg beim derzeit besten deutschen Tischtenni­sclub. Vor einem Monat habe er die Entscheidu­ng getroffen, aufzuhören, sagte Mazunov, „es sind persönlich­e Gründe“, den Spielern habe er noch nichts gesagt, einen neuen Job ab Sommer habe er noch nicht. „Es gibt mehrere Möglichkei­ten, ich prüfe die Optionen und bin etwas in Zeitnot.“Auch ein Engagement bei den Olympische­n Spielen in Tokio sei nicht auszuschli­eßen.

Die TTF führen derweil laut Pejinovic intensive Gespräche, wer neuer Cheftraine­r wird: „Es ist nicht auszuschli­eßen, dass Dimas Nachfolger aus dem Trainerber­eich des Liebherr Masters College kommen wird, zumal die Symbiose zwischen Verein und College ja Teil unserer Philosophi­e ist“, erklärte Pejinovic. „Derzeit lässt sich das aber noch nicht mit letzter Sicherheit sagen.“

Sicher ist nur, dass der Meister und Ligadritte am Sonntag (15 Uhr/Ehingen) erstmals zu Hause auf den neuen Nachbarn TTC Neu-Ulm treffen wird. Ein Sieg gegen den Ligasiebte­n, der bereits den Klassenerh­alt geschafft hat, und die TTF hätten zwei Spieltage vor Ende der Punkterund­e bereits den

Halbfinal-Einzug in der Tasche. Am 8. März könnten sie dann im direkten Duell bei Borussia Düsseldorf auf Platz zwei rücken, der ihnen in einem dritten Play-off-Spiel gegen den Rekordmeis­ter um Timo Boll Heimrecht sichern würde. „Das wäre sicher ein psychologi­scher Vorteil, aber so weit ist es noch lange nicht. Erst einmal müssen wir gegen Ulm gewinnen, und das wird schwer genug. Tiago Apolonia ist mit seiner Bilanz von 20:6 der zweitbeste Spieler der Liga und kann jederzeit zwei Punkte machen“, warnt Mazunov. Und bei den TTF kehren Anführer Hugo Calderano und Jakub Dyjas erst heute von den Ungarn Open zurück. Beim 1:3 im Ligaduell in Neu-Ulm fehlten die TTF-Asse Calderano und Simon Gauzy. Im Pokal allerdings schlugen die Ochsenhaus­ener den Neuling in Bestbesetz­ung mit 3:2.

Die Neu-Ulmer fühlen sich in jedem Fall pudelwohl in der Außenseite­rrolle. „Wir sind super zufrieden mit unserer ersten Saison, vor allem wenn man bedenkt, wie spät wir in die Planung eingestieg­en sind, und können in Ehingen befreit aufspielen“, sagt Sportdirek­torin Nadine Berti. Im kommenden Jahr will der TTC dann selbst in den Kampf um die Play-offs und das Pokal-Final-Four eingreifen: Ein Top-50-Spieler aus Europa soll verpflicht­et werden, Apolonia verlängert­e gerade bis 2022, der Koreaner An Jaehyun soll fest zum TTC kommen. Dafür müssen der Schwede Viktor Brodd und der Brasiliane­r Gustavo Tsuboi wohl weichen – so wie der Österreich­er Stefan Fegerl bei den TTF, wo der Ex-Doppel-Europameis­ter zuletzt nur noch die Nummer 5 war. „Stefan hat auch andere Angebote und wollte von uns schnell Klarheit über seine Zukunft haben, die wir ihm aber nicht bieten konnten, zumal aufgrund eines Wasserscha­dens im Leistungsz­entrum noch Kosten auf uns zukommen, die wir in Ruhe kalkuliere­n möchten“, sagte Pejinovic, ein LMCTalent könnte Fegerl ersetzen.

Diverse Stühle werden also gerückt, Mazunov allerdings glaubt, dass sein anstehende­r Rücktritt sein Team nicht beeinfluss­t. „Die Jungs sind Profis, sie wissen, dass Sport ein Kommen und Gehen ist, und werden ihr Bestes geben. Genauso wie ich bis zum Ende mein Bestes geben werde.“

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FOTO: VOLKER STROHMAIER Zwei, die mit den TTF das Double holten, werden den Club im Sommer verlassen: Trainer Dimitrij Mazunov (re.) und Stefan Fegerl.

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