Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Spätzle mit waffenscheinpflichtiger Käsemischung
Die kleinen Orte im Bodenseehinterland werden ja gerne übersehen. Dabei liegen gerade dort oft lohnende Ziele von gastronomischem Interesse. Ein solches ist seit 1910 der Gasthof Zum Forst, der sich in Gattnau, einem Örtchen nah bei Kressbronn, auf einem Hügel erhebt. Das führt dazu, dass sowohl von Terrasse als auch den Gasträumen aus der Mensch beim Speisen Richtung See und Berge blickt. Familie Osswald waltet dort seit mehreren Generationen ihres gutbürgerlichen Amtes. Und offenbar nicht schlecht: Sonntagmittag zum Zeitpunkt dieses Besuchs sind die zwei Gaststuben gerammelt voll. Fröhliche Menschen machen viel Geräusch, zwei Kellner manövrieren sich und das Bestellte zielsicher durch die Räume.
Besonders ist am Gasthof Zum Forst, dass die angeschlossene Landwirtschaft eigene Rohstoffe für Küche und Keller liefert – sei es nun der leckere Holundersirup, der im Lokal als Schorle verdünnt bestellt werden kann. Oder die Auswahl an Obstbränden und eine Reihe anderer Dinge mehr. Das Ambiente? Kennt man von Landgasthöfen mit Tradition: rustikale Kassettendecken, honigfarbenes Holz. Das Menü beginnt mit einer Freundschaftsgeste: gratis Tagessuppe im Rahmen einer Aktion. Eine schöne Kartoffelsuppe mit spürbaren Akzenten von Speck, dazu buttrige Croutons sowie Petersilie. Zusätzliche Vorspeise: geröstete Bauernbrotscheiben mit giftgrünem Pesto aus eigener Mache. Nussig und mit jeder Menge Kräuterpracht. Dann kommt mit nasenbetäubendem Duft der Star der Mahlzeit auf den Tisch: Allgäuer Kässpätzle – wobei das viel zu harmlos klingt. Denn die Käsemischung, die als fädenziehender Kitt diese würzmächtige
Spezialität zusammenhält, ist nichts für zartbesaitete Gaumen. Welche Mixtur der Küchenchef diesem waffenscheinpflichtigen Teller zugrunde legt, kann man nur raten: wahrscheinlich ausgiebig gereifter Romandur und Bergkäse. Jedenfalls alles andere als von schlechten Eltern und weit weg vom faden Käseeinerlei, das sonst oft nichts als Langeweile am Gaumen zu verbreiten vermag. Die süßlich geschmälzten Zwiebeln liefern einen milden Kontrast.
Ein weiteres Highlight ist der halbe Gockel, der mit imposanter Größe echte Sonntagsbratenqualitäten mitbringt. Tagesfrisch zubereitet, quillt der Saft beim Anschneiden nur so aus ihm heraus. Sein weiches Fleisch ist nicht übergart und zeigt noch ordentlich Struktur zum Beißen. Auch seine Größe deutet auf anständige Haltung hin und keine Turbomast. Eine knusperzarte Haut sorgt für herzhaftes Knacken im Mund. Viel besser geht Brathähnchen kaum. Und was selten der Erwähnung wert ist: goldkrosse Pommes von der Art, dass sie wirklich eine Sünde wert sind.
Solide präsentiert sich das Haus bei den Standards, etwa dem gemischten Salat, bei dem der Kartoffelsalat allerdings einen suppenwürfelartigen Geschmack aufweist. Das Joghurtdressing über dem Blattgrün überzeugt indes mit frischer Leichtigkeit. Den süßen Abschluss gestaltet Vanilleeis – aus einer Allgäuer Manufaktur – mit warmem Kirschkompott samt zimtigen Aromen. Der dazu gereichte Sauerkirschbrand schließt das Mahl heimatverbunden ab. Kommt er doch aus der hauseigenen Brennerei.
Wiesenweg 6
88079 Kressbronn-Gattnau Telefon 07543-96150 www.gasthaus-forst.de geöffnet Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr, sonn- und feiertags von 11-14 Uhr und ab 16.30 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgerichte 10,9022,90 Euro.
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