Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Airbag-Weste und Laser-Licht

Es gibt eine Menge Zubehör, das die Sicherheit von Fahrradfah­rern auf der Straße erhöhen soll – Doch nicht alles ist sinnvoll

- Von Stefan Weißenborn (dpa)

Ein Wortungehe­uer legt fest, was ein Fahrrad straßentau­glich macht: die Straßenver­kehrs-Zulassungs-Ordnung, kurz StVZO. Darin steht, dass zum Beispiel eine „helltönend­e Klingel“montiert sein muss oder neben Beleuchtun­g und „zwei unabhängig voneinande­r wirkenden Bremsen“auch diverse Reflektore­n.

Das Geschäft rund ums Rad boomt, die Vielfalt der Modelle nimmt zu und die des Zubehörs mit immer mehr Sicherheit­sfeatures. „Was das Thema Gadgets betrifft, ist es etwas unübersich­tlich geworden“, sagt David Koßmann vom Pressedien­st-Fahrrad (pd-f).

So tauchen im Netz UmschnallB­linker für die Handrücken auf, die ähnlich wie blinkende Handschuhe als Richtungsa­nzeiger dienen sollen. Sie funktionie­ren aber selten gut. Oder kleine Rückspiege­l, die wie ein Fitnessarm­band am Unterarm Platz finden. Smarte Helme dokumentie­ren die Konnektivi­tät am Rad einmal mehr. Und Handyhalte­rungen müssen auch mehr können, als nur das Telefon aufnehmen, zum Beispiel als Powerbank oder Positionsl­icht dienen. „Vieles, was man bekommen kann, fällt für mich unter Spielerei“, schränkt Koßmann ein. Vieles könne das Radeln aber auch sicherer machen.

Stichwort smarter Helm: Als ein kleines Multitalen­t vermarktet Hersteller Livall das Modell BH51 M Neo (ca. 170 Euro). So kann die rundum beleuchtet­e Sicherheit­skopfbedec­kung zum Beispiel blinken. Um die Fahrtricht­ung über LEDs an der Rückseite anzuzeigen, genügt ein Tastendruc­k an der Lenkerfern­bedienung. Eingebaute Lautsprech­er geben Naviansage­n, Musik oder Anrufe vom Bluetooth-gekoppelte­n Telefon wieder. Ein Mikrofon ist ebenfalls integriert. Wird gebremst, leuchtet das Rücklicht am Helm heller auf. Ein ähnliches Produkt ist der Helm Lumos (ca. 250 Euro) aus den USA mit individual­isierbarem Matrix-Rücklicht,

das ebenfalls als Fahrtricht­ungsanzeig­er genutzt werden kann. Selbst den Rucksack mit Richtungsa­nzeige gibt es schon – von Roadwarez (ca. 230 Euro).

Verkehrssi­cherheitse­xperten heben immer wieder hervor, wie wichtig unterwegs vor allem das Gesehenwer­den ist. Nicht umsonst führt die StVZO eine Vielzahl von Reflektore­n auf – die an vielen verkauften Rädern aber oft fehlen. Und nicht umsonst sind viele Produkte rund ums Fahrrad wahre Leuchtwund­er. Zum Beispiel Laserlicht-Rückstrahl­er. Dabei handelt es sich um eine Art moderne Variante des alten Ausklappwi­mpels für den Gepäckträg­er, sagt David Koßmann, „ein Aufmerksam­keits-Gadget.“Die oft kompakten Teile werden hinten am Rad fixiert und projiziere­n Linien auf den Boden, um dem Radler auf der Straße

einen Schutzraum zu markieren. Mehrere Hersteller bieten solche Laser-Projektore­n an.

Generell dürfen batteriebe­triebene Lichtanlag­en inzwischen an allen Fahrrädern verwendet werden. Alle angebracht­en Leuchtmitt­el benötigen jedoch eine Prüfnummer, die aus einer Wellenlini­e, dem Buchstaben „K“und einer Ziffernfol­ge besteht. „Ist das Fahrrad nicht vorschrift­smäßig ausgestatt­et und wird dadurch die Verkehrssi­cherheit wesentlich beeinträch­tigt, drohen Bußgelder“, informiert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) auf seiner Website – in heftigen Fällen bis zu 80 Euro und einem Punkt in Flensburg.

Vorsicht ist bei Blinkern geboten, die fest am Rad montiert werden, etwa den Winglights von Cycl (ab 20 Euro), die in die Enden der Lenkerstan­ge gesteckt werden, oder Displays

fürs Sattelrohr. Blinker sind nur bei mehrspurig­en Fahrrädern erlaubt, zum Beispiel Liegedreir­ädern. Doch „zusätzlich­e Beleuchtun­g an Helm, Rucksack oder Taschen ist erlaubt und darf auch blinken“, heißt es beim pd-f.

Rechtlich gesehen ersetzen Reflektorf­lächen an Radkleidun­g, Beinlingen, Überschuhe­n oder Rucksäcken nicht die vorgeschri­ebenen Rückstrahl­er, doch sie können eine ähnliche oder bessere Funktion haben. So sorgt beim Commuter Daypack von Ortlieb (ca. 200 Euro) ein rundum eingearbei­tetes Reflektion­sgarn großflächi­g für gute Sichtbarke­it im Dunkeln. Bei Tageslicht bleibt der Rucksack unauffälli­g schwarz – ein Vorteil für modebewuss­te Radler, die sich ungern mit Signalfarb­en schmücken.

Speziell, aber funktional ist die Radler-Jeans von Maloja mit StretchEin­satz im Gesäßberei­ch und reflektier­enden Elementen am Beinumschl­ag auf der Rückseite der Hose (ca. 165 Euro). Beim Radeln bewegen sich die Reflektor-Elemente wie die Rückstrahl­er an den Pedalen optisch auf und ab – ein ins Auge fallendes Sicherheit­splus.

Zu den Zubehörart­ikeln, die Unfällen vorbeugen sollen, zählt auch die Trigger Bell (ca. 12 Euro), die mit einer Handbewegu­ng gleichzeit­iges Klingeln und Bremsen ermöglicht und dadurch den Bremsweg verkürzen soll. Oder auch Garmins Abstandsra­dar, der an Lenkerdisp­lay oder kompatible­n Fahrradcom­puter rückwärtig­en Verkehr anzeigt.

Selbst eine Handyhalte­rung, wie sie zum Beispiel Quad Lock oder Messingsch­lager im Programm haben, steigert die Sicherheit. „Ein absoluter Riesenvort­eil“, findet Koßmann. Denn das Halten und gleichzeit­ige Benutzen der Geräte während der Fahrt birgt wie im Auto Risiken – und ist verboten.

Der eingangs erwähnte LivallHelm kann übrigens auch einen Notruf absetzen. Für solche Funktionen sorgen spezielle Sensoren, die Bewegung, Neigung, Beschleuni­gung und Stürze registrier­en. Entspreche­nde Technik nutzen auch der AirbagHelm von Hövding oder die AirbagWest­e B'Safe der Marke Helite (ca. 690 Euro). Bei Unfällen soll sich das Luftkissen der Weste blitzschne­ll aufblasen und den Oberkörper vor der Aufprallen­ergie schützen.

Crashsenso­ren sind für Koßmann bei allem möglichen Nutzen im Notfall allerdings eine „zweischnei­dige Sache“. Über die gyroskopis­chen Sensoren zeichneten die Hersteller fortwähren­d Bewegungsp­rofile auf. Das wirft Fragen zum Datenschut­z auf: „Weiß ich, was mit den Daten passiert, wenn Firmen pleitegehe­n? Liegen sie auf sicheren Servern? Werden sie weiter verkauft?“Smarten Zusatzschu­tz gibt es, aber – so kann man zusammenfa­ssen – neben den teils saftigen Verkaufspr­eisen eben nicht zum Nulltarif.

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FOTO: HELITE/DPA Für den Fall der Fälle: Airbag-Westen der Firma Helite.

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