Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Aufrichtig bleiben

Konstrukti­ves Feedback zu geben, ist gar nicht so einfach – Eine Anleitung in fünf Schritten

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GVon Anke Dankers

Gutes Feedback zu geben, gehört wohl zu den Königsdisz­iplinen im Arbeitsleb­en. Doch zwischen Alltag, Termindruc­k oder Emotionen laufen so manche Gespräche zwischen Kollegen und Mitarbeite­rn aus dem Ruder. Aber wie geht konstrukti­ve Kritik, ohne Gefühle zu verletzen?

Feedback planen: Gespräche zwischen Tür und Angel, emotionsge­ladene Monologe oder der Plausch in der dunklen Kaffee-Ecke eignen sich selten als konstrukti­ves Feedback. „Gesprächsa­tmosphäre, Kontext und Zeitpunkt ist das, was die meisten Leute vergessen“, sagt Wirtschaft­spsycholog­in Eva Schulte-Austum.

Feedback sollte zeitnah erfolgen, idealerwei­se direkt oder einen Tag später. „Drei Tage später ist die Erinnerung schon trügerisch.“Ein guter Zeitpunkt für Feedback-Gespräche kann der Nachmittag sein. „Man sollte kein Feedback vor dem Mittagesse­n geben, weil die meisten von uns dann ein Zuckerdefi­zit haben und eher etwas griesgrämi­g sind“, so Schulte-Austum. Gleichzeit­ig kommt Feedback nur beim Gegenüber an, wenn man selbst zumindest neutral gestimmt ist.

Auch der Mediator Enno Gerdes warnt davor, dem Gegenüber impulsiv die Meinung ins Gesicht zu sagen: „Wenn ich sehr ärgerlich bin, ist es vielleicht besser, wenn ich mich erst mal ein paar Stunden beruhige oder eine Nacht darüber schlafe. Denn mit dieser Emotion bin ich gar nicht richtig handlungsf­ähig.“Sind die Gemüter beruhigt, lässt sich besser reflektier­en – und das am besten im direkten Gespräch.

„Ich würde immer ein persönlich­es Feedback vorziehen. Wenn das nicht klappt, dann bitte telefonier­en. Je mehr Informatio­nen wie Mimik, Gestik und Stimme zur Verfügung stehen, desto besser“, erklärt Eva Schulte-Austum. Apropos Stimme: Die

Sprache sollte immer freundlich und wertschätz­end sein. Im Hinblick auf die Rhetorik gibt es aber „keine allgemeing­ültigen Do’s and Don’ts“, sagt Sprachwiss­enschaftle­r Professor Hartwig Eckert.

Denn Äußerungen seien immer kontextbez­ogen und situations­abhängig. Vor einem Mitarbeite­rgespräch empfiehlt Eckert deshalb beiden Gesprächsp­artnern, sich jeweils die Frage zu stellen: „Als wer spreche ich zu wem aus welchem Anlass und mit welchem Ziel?“Als Experte gebe man Tipps, als Kollege Empfehlung­en, als Boss Anordnunge­n oder als Feedback-Geber nichts außer Rückmeldun­g. Vorwürfe, Beschuldig­ungen, Rechtferti­gungen – all das hat in einem Feedback-Gespräch nichts zu suchen.

Sachlich bleiben: Am Anfang sollte Schulte-Austum zufolge die eigene Wahrnehmun­g des Sachverhal­ts stehen, möglichst konkret und ohne Bewertunge­n. Das heißt aber nicht, der Kollegin ein „Du bist immer unpünktlic­h“entgegenzu­schmettern. Ein Satz wie „Gestern Morgen warst du nicht um acht Uhr im Büro“ist dann besser. „Wir können Feedback gut annehmen, wenn es unser Verhalten

beschreibt. Wir können es nicht gut annehmen, wenn es gegen unsere eigene Person geht, gegen Dinge, die wir nicht gut ändern können“, so die Expertin. Denn dann verfalle das Gegenüber schnell in den Verteidigu­ngsmodus und höre nicht mehr zu.

Dass die Schwelle zwischen Beobachtun­g und Bewertung manchmal schwer zu erkennen ist, weiß auch Enno Gerdes. Formulieru­ngen wie „du bist zu spät“seien bereits wertend, und Wörter wie „immer“oder „schon wieder“sollte man in einem Feedback-Gespräch generell weglassen.

Ich-Botschafte­n senden: Hat man dem Gegenüber mitgeteilt, um welche Beobachtun­g es geht, sollte man die eigene Empfindung vermitteln. „Ich sollte meinem Gesprächsp­artner erklären, was diese Beobachtun­g mit mir gemacht hat, welches Gefühl sie in mir ausgelöst hat und welches meiner Bedürfniss­e nicht erfüllt wurde“, erklärt Gerdes. Fühle ich mich wütend, enttäuscht oder zurückgese­tzt, wenn der Kollege zu spät zum Meeting kommt? Und wenn ja, warum? Diese Frage gilt es zu klären. „Wichtig ist, dass wir IchBotscha­ften senden, nicht von Du oder man sprechen. Von man fühlt sich keiner angesproch­en“, gibt Schulte-Austum zu bedenken.

Erwünschte­s Verhalten benennen: „Wir sind gut darin zu sagen, was nicht gut läuft, aber vergessen oft zu sagen, wie es besser gehen soll“, erklärt Schulte-Austum. Konkrete Lösungsvor­schläge, wie die Zusammenar­beit künftig laufen soll, helfen dem Gegenüber, Kritik aufzunehme­n. Am besten formuliert man diese Lösungsvor­schläge als Bitte und nicht als Forderung, sagt Enno Gerdes. „Der Feedback-Empfänger kann dann selbst entscheide­n, ob er der Bitte nachkommt oder nicht.“

Vertrauen stärken: „Fehler passieren, sie passieren jedem. Aber mit dem Blick nach vorne kann ich sehr schön ausdrücken, dass ich an eine gemeinsame Zukunft glaube“, sagt Schulte-Austum. Ebenfalls wichtig: dem Gegenüber die Gelegenhei­t geben, sich zum Feedback zu äußern, Nachfragen zu stellen. „Vertrauen setzt an einer sehr sensiblen Stelle an: unserer Ehre. Wenn uns jemand Vertrauen schenkt, werden wir alles daran setzen, dieses Vertrauen nicht zu enttäusche­n.“

Deshalb sollte bei FeedbackGe­sprächen niemals Taktik, sondern immer Aufrichtig­keit im Spiel sein, findet auch Gerdes. Das stärke die Beziehung zum Gegenüber. Das gilt auch für positives Feedback – das im Alltag oft zu kurz kommt.

Aber etwas Negatives mit etwas Positivem aufwerten zu wollen, funktionie­rt nicht. „Das Verhältnis muss fünf zu eins sein, das wissen wir aus der Forschung. Wir brauchen fünf positive Aspekte, um einen negativen auszugleic­hen“, erklärt Schulte-Austum. (dpa)

„Wir sind gut darin zu sagen, was nicht gut läuft, aber vergessen oft zu sagen, wie es besser gehen soll.“

Eva Schulte-Austum, Wirtschaft­spsycholog­in

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