Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Offener Kampf um CDU-Vorsitz beginnt
Armin Laschet und Friedrich Merz kündigen Kandidatur an – Teamlösung vom Tisch
BERLIN - Die CDU steuert bei der Wahl nach einem neuen Vorsitzenden auf eine Kampfabstimmung zu: Nach dem Außenpolitiker Norbert Röttgen (54) kündigten am Dienstag sowohl Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (59) als auch Ex-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz (64) ihre Kandidaturen an. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (39) verzichtete zugunsten von Laschet auf eine Kandidatur. Stattdessen will er stellvertretender Vorsitzender werden.
„Wir haben seit heute einen offenen Wettbewerb in der CDU“, sagte Merz und sprach von einer „Richtungsentscheidung“für die Partei. Er selbst stehe für „Aufbruch und Erneuerung“, Laschet für „Kontinuität“. Merz gilt als Kandidat des konservativen Flügels der Partei. 2018 war er bei seiner ersten Kandidatur um den Parteivorsitz nur knapp Annegret
Kramp-Karrenbauer unterlegen. Diese hatte am 10. Februar ihren Rückzug angekündigt.
Gespräche zwischen Merz, Spahn und Laschet um eine einvernehmliche Teamlösung für die Nachfolge waren gescheitert. „Ich bedauere, dass nicht alle Kandidaten sich diesem Teamgedanken anschließen konnten“, sagte Armin Laschet. Spahn lobte Laschet als Politiker, der liberale als auch konservative Strömungen zusammenführen könne. Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther und nordrhein-westfälische CDU-Minister unterstützen Laschets Kandidatur. Berlins CDU-Vorsitzender Kai Wegner und Werteunionschef Alexander Mitsch sprachen sich hingegen für Merz aus. Die Junge Union kündigte eine Mitgliederbefragung an. Die CDU will den Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Parteitag am 25. April in Berlin küren.
Für das CDU-Team, das ihm an diesem Dienstagmorgen überraschend zuvorgekommen ist, hat Merz wenige gute Worte übrig. „Im richtigen Leben würde man von einer Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen“, sagt Friedrich Merz über seine Rivalen Armin Laschet und Jens Spahn. Und begräbt damit auch jede Hoffnung auf eine gütliche Einigung der Kontrahenten um den CDU-Chefsessel. Dabei hätten die drei lange über eine Teamlösung gesprochen, sagt Merz. Doch eine Rolle als zweiter Mann hinter Laschet war ihm wohl zu wenig – selbst wenn diese mit einem Ministerposten vergoldet worden wäre. „Ich spiele hier auf Sieg und nicht auf Platz“, sagt er. „Ohne meinem Freund Armin Laschet zu nahe treten zu wollen“habe die CDU nun „die Wahl zwischen Kontinuität und Aufbruch und Erneuerung“. Er stehe für Aufbruch.
Da Merz Laschet als einen im Hinterzimmer ausgekungelten Weiterso-Kandidaten der Merkel-Schule darstellt, dürfte die Team-Idee endgültig Geschichte sein. Merz sieht in der Wahl des CDU-Chefs am 25. April eine Richtungsentscheidung. Laschet und er verkörperten „zwei unterschiedliche Richtungen“, betont der 64-Jährige. Seine Richtung: Neuverhandlung der Rente zugunsten der jungen Generation in einem „Generationenvertrag“, die Abkehr von der bisherigen Energiewende und der Zuwanderungspolitik. Und ein starker Staat. Auf die Frage, ob er Rechtsradikalismus mit der stärkeren Thematisierung von Clankriminalität und rechtsfreien Räumen und neuen Kontrollen an der deutschen Grenze bekämpfen will, sagt Merz: „Die Antwort ist ja“.
Dass Merz sich selbst für die bessere Wahl hält, steht außer Frage: Bereits bei der letzten Abstimmung um den Parteivorsitz im Jahre 2018 habe er 48 Prozent geholt – und das mit nur fünf Wochen Vorlauf. Merz gibt sich überzeugt: Wenn er beim damaligen Hamburger Parteitag eine bessere Rede gehalten hätte, hätte er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer gewonnen. Und seitdem habe er sich weiter verbessert. Er sei in den vergangenen Monaten näher an die Politik in Berlin gerückt, habe engeren Kontakt zu Abgeordneten. Viele, die ihn 2018 nicht hätten wählen wollen, seien nun von ihm überzeugt.
Das Näherrücken an die Politik ist wichtig für Merz. Während seine Auftritte im Land seit Jahren bejubelt werden, werfen ihm einige Berliner vor, mit wohlfeilen Ratschlägen von der Seitenlinie zu kommen. Nachdem Angela Merkel Merz 2002 von der Fraktionsspitze verdrängt hatte, gab er 2004 alle Spitzenposten in der CDU auf. Seitdem gelten beide als Feinde. Trotzdem würde Merz nicht auf eine vorzeitige Ablösung Merkels drängen: „Die Bundeskanzlerin ist gewählt bis zum Ende der Wahlperiode. Das gilt für alle“, sagt er.
Wir befinden uns als CDU in der größten Krise unserer Geschichte“, sagt Jens Spahn am Dienstagmorgen in Berlin. Da er nicht wolle, dass Angela Merkel die letzte CDU-Kanzlerin ist und „es nur einen Parteichef geben kann“, werde er zurückstecken und Armin Laschet unterstützen. Die Partei sei größer als jeder Einzelne. Umgekehrt erklärt der 59-jährige Laschet, dass der 39-jährige Spahn sein Vize werden soll. „Jens“sei eine der herausragenden Personen der CDU – auch altersmäßig. „Wir müssen unsere Partei und unser Land wieder zusammenführen“, sagt Laschet.
Es ist ein Coup: Kurzfristig hatten Laschet und Spahn sich für 9.30 Uhr vor die blaue Wand der Berliner Bundespressekonferenz gesetzt – anderthalb Stunden vor dem seit Montagabend gesetzten Friedrich Merz. Grund: Nach der Vorstellung musste der Gesundheitsminister Spahn wegen des Coronavirus nach Italien fliegen. Auch das ein Wink an Merz: Wir regieren, während Du redest. Auch Laschet spricht davon, was er als Ministerpräsident in Deutschlands größtem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) bewegt.
Das Duo ist das, was von der Idee eines Teams aus den vier NRW-Bewerbern übrig geblieben ist. Offenbar waren die Gespräche mit Merz erfolglos. „Ich bedauere, dass nicht alle Kandidaten sich diesem Teamgedanken anschließen konnten“, sagt Laschet. Den vierten Bewerber Norbert Röttgen watscht Spahn indirekt ab, indem er Laschet lobt: Der habe die NRW-CDU 2012 nach dem schlechtesten Landtagswahlergebnis der Geschichte aufgerichtet. Spitzenkandidat damals war Röttgen.
Laschet will die CDU zur Volkspartei für die 2020er-Jahre machen. Seine Versprechen: Das Deutschland der Zukunft solle modern und wirtschaftlich stark werden. Ökologie und Ökonomie müssten versöhnt werden. Laschet verspricht schnellere Planungen, eine bessere Infrastruktur, Tempo bei der Energiewende sowie eine Mobilitätswende, die die Bedürfnisse von Stadt und Land berücksichtigt. Laschet kann sich auch eine Kanzlerkandidatur vorstellen, will diese aber ausdrücklich mit der CSU abstimmen. Und Kanzler sein will Laschet auch erst ab 2021, eine vorzeitige Merkel-Ablösung strebe er nicht an.
Für das Duo spricht, dass Spahn und Laschet verschiedene Teile der CDU ansprechen. Der erfolgreiche Landespolitiker gilt als liberal, der Bundesminister als konservativ. Dass beide Männer aus NordrheinWestfalen sind, lassen sie auch nicht als Beleg fehlender Vielfalt gelten. Man sei diverser, sagt Jens Spahn. Viele Journalisten sehen darin eine Anspielung auf die Homosexualität des Ministers. Doch Spahn betont, er sei Westfale, Laschet Rheinländer. Das ist die NRW-Entsprechung von Schwaben und Badenern.