Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Faire Jeans aus Bangladesch
Wie unter ökologischen und sozialen Standards für Marken wie Vaude und Aldi produziert wird
Von Silvia Vogt
GDHAKA (epd) - Das deutsche Textilsiegel „Grüner Knopf“schreibt Mindestanforderungen an gerechte und umweltschonende Produktion vor. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat sich jetzt die Fabrik Radisson Garments in Dhaka (Bangladesch) angesehen, wo unter anderem für Tschibo und Vaude produziert wird.
Der Weg zu den riesigen Nähräumen ist gesäumt von Schildern mit Sicherheitsvorschriften, Helmen, Atemmasken, Löschsand. Die Textilfabrik Radisson Garments in Dhaka tut alles, damit es nie mehr zu einer Katastrophe wie 2013 in Rana Plaza kommt. Damals stürzte das Fabrikgebäude ein, Rettungswege waren versperrt. Mehr als 1100 Menschen kamen ums Leben.
Seitdem hat sich bei der Gebäudesicherheit viel getan in Bangladesch. Das betonen Regierung und Unternehmen, aber auch Gewerkschaften. „Wir haben große Fortschritte in Sicherheitsdingen gemacht“, erklärt die Aktivistin Kalpona Akter. „Danke, dass du das Leben unserer Arbeiterinnen und Arbeiter sicherer gemacht hast“, sagt sie mit Blick auf das Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit, das nach Rana Plaza von fast 200 Unternehmen unterzeichnet wurde. „Doch wir müssen noch über andere Punkte reden“, fährt die Gründerin und Leiterin der Organisation „Bangladesh Centre for Worker Solidarity“fort. Nämlich über betriebliche Mitbestimmung, Gewerkschaftsrechte – und über Löhne.
Kalpona Akter wendet sich vor allem an ihre Regierung, aber auch Einkäufer aus Europa und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sitzen mit am Tisch. „Holt euch nicht einfach nur das Billigste, was ihr finden könnt“, appelliert sie an Unternehmen und Konsumenten.
„Unsere Leute sorgen dafür, dass andere an anderen Orten der Welt gut aussehen.“Ausbeutung wäre dafür ein schlechter Dank.
Weltweit arbeiten mehr als 75 Millionen Menschen in der Bekleidungsindustrie, vor allem Frauen in Entwicklungsländern. Nicht wenige schuften noch immer zehn oder mehr Stunden am Tag unter untragbaren, oft gesundheitsschädlichen Bedingungen. Allein in Bangladesch gibt es rund vier Millionen Beschäftigte in etwa 5000 Textilfabriken. In dem südasiatischen Land hat sich mittlerweile ein monatlicher Mindestlohn von etwa 85 Euro durchgesetzt. Das aber reicht bei Weitem nicht, um eine Familie zu ernähren, und die Kinder zur Schule zu schicken. Die meisten Hosen und Hemden von Radisson Garment gehen in den Export. Unter anderem Lidl, Rossmann und Kaufland lassen hier fertigen. Hier werden nur Teile für den „Grünen Knopf “genäht. Das Gütesiegel bekommen nur Textilien oder Rucksäcke, die 26 soziale und ökologische Mindeststandards einhalten – von Abwassergrenzwerten bis zum Zwangsarbeitsverbot.
Rund 30 Unternehmen sind bislang dabei, darunter Tchibo und Vorreiter wie Vaude, aber auch Discounter wie Aldi und Lidl. Die Einhaltung kontrollieren unabhängige Prüfer.
Für die Einkäufer machen die Standards preislich kaum etwas aus: Statt sechs Dollar kostet die Produktion einer Jeans etwa sieben. Dennoch, so betonen Vertreter engagierter deutscher Unternehmen, hätten die, die sich nicht daran halten, Wettbewerbsvorteile. „Verbindlichkeit für alle ist aus unserer Sicht der einzige Weg, dass wir den Paradigmenwechsel schaffen“, sagt Nanda Bergstein, Direktorin Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Bei Minister Müller rennt sie damit offene Türen ein. Denn der dringt längst auf ein Lieferkettengesetz.