Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Investitionen in Klimaschutz reichen nicht aus
EU kann Ziele nur mit Unternehmen erreichen – Nachhaltigkeit auch für Firmen wichtig
Von Steffen Trumpf
PARIS (dpa) - Deutsche Konzerne stecken mehr Geld in die Verringerung ihrer CO2-Emissionen als Unternehmen jedes anderen europäischen Landes. Knapp 900 Börsenunternehmen aus Europa haben im vergangenen Jahr insgesamt 124 neue Milliarden Euro in die Reduzierung ihrer Emissionen gesteckt oder entsprechende Investitionen angekündigt. 59 Milliarden davon gingen in CO2-arme Technologien, 65 Milliarden in Forschung und Entwicklung, erklärte die Non-Profit-Organisation CDP (Carbon Disclosure Project) am Dienstag in Paris. Die Unternehmen sehen demnach erhebliche Geschäftsmöglichkeiten in den Klimainvestitionen.
Die gemeldeten Kapitalinvestitionen von 69 deutschen Unternehmen betrugen 44,4 Milliarden Euro, was einem Anteil von rund 36 Prozent entspricht. Platz zwei und drei nehmen Konzerne aus Spanien (37,9 Mrd Euro) und Italien (24,3 Mrd) ein, auf den Rängen dahinter folgen mit größerem Abstand Frankreich, Dänemark und Großbritannien.
„Dieser Bericht zeigt, dass einige die Umstellung ernst nehmen“, erklärte der geschäftsführende Direktor von CDP Europe, Steven Tebbe. Um das EU-Klimaziel zur Emissionsfreiheit bis 2050 zu erreichen, müssten die Investitionsausgaben für kohlenstoffarme Technologien aber mehr als verdoppelt werden – von 59 auf 122 Milliarden Euro pro
Jahr. Prozentual müsste ein Viertel der Gesamtinvestitionen in diese Technologien fließen, errechnete die unabhängige Organisation. Letztlich seien die Unternehmen ein enorm wichtiger Faktor dabei, ob die EU ihre Klimaziele erreichen könne.
Wenn Unternehmen ihr Kapital für klimafreundliche und nachhaltige Technologien aufwenden, geht es ihnen dabei nicht nur ums Klima, sondern auch um die eigenen Geschäftszahlen. Und das ergibt nach CDP-Angaben eindeutig Sinn: Die Geschäftsmöglichkeiten bei der Entwicklung CO2-armer Produkte und Dienstleistungen wird von den Konzernen auf mehr als 1,2 Billionen Euro geschätzt, erklärte Tebbe. Die damit verbundenen Kosten lägen dagegen lediglich bei etwa 192 Milliarden, also nicht einmal einem Sechstel.
„Wie unser Bericht zeigt, ist die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Wirtschaft auch eine große Chance“, so Tebbe. Die Möglichkeiten reichten von grünen Infrastrukturprojekten über einen Fuhrpark voller Elektrofahrzeuge bis hin zu erneuerbaren Energien.
Das CDP erfasst seit mehreren Jahren umfassende Daten zu Emissionen und Klimastrategien von Unternehmen. Der Bericht umfasst die von 882 europäischen Unternehmen gemeldeten Daten, deren Emissionen nach CDP-Angaben drei Viertel des gesamten EU-Ausstoßes entsprechen. Unter ihnen sind 69 deutsche Konzerne wie Adidas, BASF, BMW, die Deutsche Bahn, Eon,
Hochtief, SAP und VW. Die Zahlen von CDP sollen auch Investoren Einblicke in die Klimabemühungen der Konzerne geben. Investoren und Anleger könnten künftig eine gewichtigere Rolle bei der Entscheidung von Unternehmen für grüne Investments spielen. Klima- und Umweltschutzorganisationen fordern schon seit längerem, dass Aktionäre ihre Unternehmen aktiver dazu drängen sollten. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hatte zu Jahresbeginn erklärt, Transparenz in Nachhaltigkeitsfragen werde immer stärker darüber entscheiden, ob sich ein Unternehmen das nötige Kapital beschaffen könne oder nicht. In Deutschland wollen Aktionärsvertreter das Thema Nachhaltigkeit 2020 auf den Hauptversammlungen stärker in den Fokus nehmen, wie die nordrhein-westfälische Landesgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Christiane Hölz, gesagt hatte.
Nach Angaben des CDP-Berichts zentrieren sich die für 2019 gemeldeten Investitionen auf die Sektoren Transport, Energie und Rohstoffe – darunter vor allem für erneuerbare Energien oder E-Fahrzeuge. Diese Investments in die Emissionsverringerung führten vermutlich dazu, dass langfristig 2,4 Gigatonnen CO2Äquivalente eingespart werden könnten – das entspreche dem jährlichen Ausstoß von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Polen zusammen.