Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Breitband: Kressbronn fühlt sich im Stich gelassen
Technischer Ausschuss thematisiert die Versorgung mit Glasfaserkabeln in ländlichen Gebieten
Von Siegfried Großkopf
GKRESSBRONN - Die Klagen sind nicht neu: Die Telekommunikationsunternehmen sind äußerst zurückhaltend, wenn sie in ländlichen Gebieten für eine flächendeckende Abdeckung mit Breitband in Form von Glasfaserkabeln sorgen sollen. Denn: Das ist für sie wirtschaftlich nicht attraktiv. Die Versorgung ist eine öffentliche Aufgabe geworden. In Kressbronn hat vor Kurzem der Ausschuss für Umwelt und Technik diskutiert, wie mit dem Thema umgegangen werden soll, nachdem die Landespolitik die Kommunen allein lasse und keine gesetzgeberischen Vorgaben wie beim Wasser und Abwasser mache. Entscheiden wird der Gemeinderat im März.
Beim „spannendsten Tagesordnungspunkt“bedauerte Bürgermeister Daniel Enzensperger, dass es in Baden-Württemberg keine einheitliche Vorgehensweise gibt, obwohl der Gesetzgeber in der Pflicht steht, für Klarheit nicht zuletzt für den Hauseigentümer zu sorgen.
Die Gemeinde Kressbronn hat bereits vor fünf Jahren mit der Ausarbeitung eines Masterplanes für einen FTTB-Ausbau (Glasfaser bis zum Gebäude) der gesamten Gemeinde begonnen, der inzwischen fertiggestellt ist. Strategisch sollen zuerst die Teilorte und Weiler erschlossen werden, da diese derzeit unterversorgt sind. Im Kernort ist die Telekommunikationsversorgung für die privaten Unternehmen durchaus wirtschaftlich, weshalb hier im Jahr 2018 der FTTC-Ausbau (Glasfaser bis zum Kabelverzweiger) durch die Telekom erfolgt ist. Der Kernort ist momentan gut mit Breitband versorgt.
Um den Aufbau von Parallelstrukturen zu vermeiden, wird deshalb vorrangig der Ausbau in den Teilorten und Weilern vorangetrieben, da nicht damit zu rechnen ist, dass die Telekom hier einen eigenen Ausbau vornimmt. Sobald diese erschlossen sind, kann im Kernort – soweit Bedarf besteht – fortgefahren werden.
Wie die Verwaltung erläuterte, unterscheidet man beim Glasfaserausbau vier Stufen: Den bis zu den sogenannten Kabelverzweigern (weiße Kästen), hier spricht man vom FTTC (Fibre-to-the-curb). Den Glasfaserausbau bis zum Gebäude (FTTB = Fibre-to-the-Building), den bis zur Wohnung (FTTH = Fibre-tothe Home) sowie den Glasfaserausbau bis zum Endgerät (FTTD = Fibreto-the-Desk). Erst wenn das Glasfaserkabel bis zum Endgerät gelegt ist, ist eine unbegrenzte Datenübertragung möglich. Die übrige Strecke muss bis dahin weiterhin ein Kupferkabel sein, das – je länger es ist – die Datengeschwindigkeit bremst.
Der FTTC-Ausbau der Gemeinde erfolgt überwiegend auf öffentlichen Grundstücken. Für die Hausanschlüsse dagegen müssen die Leitungen auf Privatgrundstücken verlegt werden, was ohne Mitwirkung des Grundstückseigentümers weder baulich noch auf dessen Kosten möglich ist.
Bürgermeister Enzensperger stellte mehrere Strategiemöglichkeiten vor, wie der Grundstückseigentümer in den FTTB-Ausbau baulich wie finanziell einbezogen werden kann. So wäre eine der Strategien, dass die Gemeinde den Hausanschluss selbst beziehungsweise über beauftragte Firmen verlegt, was allerdings nur möglich wäre, wenn der Grundstückseigentümer dies durch einen privatrechtlichen Vertrag gestattet. Der Vorteil wäre für die Gemeinde, dass sie die Hoheit behielte und den Ausbau schneller voranbringen könnte. Die Nachteile wären ein äußerst hoher Verwaltungsaufwand, privatrechtliche Folgeprobleme und Unklarheit darüber, wer die Unterhaltslast trägt.
Bei der Strategie 1a würde der Grundstückseigentümer die Kosten tragen, die Leitungen bleiben im Eigentum
der Gemeinde. Bei den Grundstücken, bei denen der Grundstückseigentümer nicht dazu bereit ist, die Kosten und sonstige vertragliche Pflichten zu übernehmen, würde die Gemeinde auch keinen Hausanschluss bauen. Im Rahmen der Strategie 1b müsste der Grundstückseigentümer die Kosten übernehmen und die Leistungen gingen in sein Eigentum über. Bei der Strategie 1c sollte die Gemeinde die Kosten tragen und die Leitungen blieben im Eigentum der Gemeinde. Der Vorteil wäre ein einheitlicher Anschluss, der Nachteil eine sehr hohe Finanzierungslast für die Kommune. Eine Privatisierung der Hausanschlüsse sieht die Strategie 2 vor, bei welcher der FTTB-Ausbau komplett privatisiert würde und der Grundstückseigentümer deutlich mehr in der Pflicht stünde. Er müsste sich selbst um den Hausanschluss kümmern und direkt mit dem Betreiber in Kontakt treten. Klarer Vorteil für die Gemeinde: Für sie wären keinerlei Folgeprobleme zu befürchten, sie könnte sich auf den FTTC-Ausbau konzentrieren und hätte einen geringen Verwaltungsaufwand zu bewerkstelligen. Die Nachteile: Der FTTB-Ausbau würde langsamer vonstatten gehen und wäre wenig bürgerfreundlich. Die Strategie 3 würde die grundsätzliche Privatisierung FTTB-Ausbaus bedeuten.
Enzensperger verwies darauf, dass es sich bei der Variante 1c um die teuerste Lösung handelt und durch die hohe Finanzierungslast andere Gemeinde-Projekte hemmen würde, weshalb er davon abriet. Er tendiert zur Strategie 2, die eine Privatisierung der Hausanschlüsse vorsieht. Wenn die Gemeinde die Bauleitung legt, sollte der Eigentümer bis zum Haus mitziehen, bemerkte er. Dafür sprach sich auch CDUFraktionschef Karl Bentele aus, verbunden mit der Forderung nach einer maximalen Unterstützung durch die Gemeinde. Er vermisste Hinweise zur Förderung. Britta Wagner (SPD) hält eine Privatisierung ebenfalls für besser, jeder Einzelne solle über einen Hausanschluss entscheiden können. Diese Freiwilligkeit ist nach den Worten des Bürgermeisters gewährleistet. Stefan Fehringer, Fraktionsvorsitzender der BWV, forderte, sich grundsätzlich Gedanken darüber zu machen, ob der Aufwand für die Gemeindeverwaltung personell leistbar ist und die Infrastruktur Kressbronns im Auge zu behalten. Er glaubt nicht, dass die Gemeinde derzeit den Aufwand stemmen kann. Gefragt sei die Gesetzgebung. Dem stimmte der Bürgermeister zu. des