Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Unverhofft auf Medaillenjagd
Mit welchen Zielen die Aulendorfer Bahnradfahrerin Laura Süßemilch in die Heim-WM in Berlin geht
GFRIEDRICHSHAFEN/BIBERACH Der Trainingsplan ist eng getaktet. Wer Laura Süßemilch erreichen möchte, muss den richtigen Moment erwischen – einen, in dem die 23-jährige Bahnradfahrerin nicht gerade auf dem Rad sitzt oder im Kraftraum an den Geräten schuftet. „Gleich geht es zum nächsten Training“, sagt sie in einer kurzen Verschnaufpause nach einer Lockerungseinheit am Morgen. „Das wird jetzt nochmal richtig anstrengend.“Doch das ist der Profiradfahrerin vom RSC Biberach, die seit einigen Monaten auch für den RSV Seerose Friedrichshafen startet, egal. Sie ist gerne bereit, sich zu quälen. Schließlich will sie topfit sein, wenn am Mittwoch die Bahnrad-Weltmeisterschaft in Berlin (26. Februar bis 1. März) startet.
Denn eigentlich hatte Laura Süßemilch gar nicht damit gerechnet, bei der Heim-WM dabei zu sein – höchstens vielleicht als Zuschauerin. Zwar hatte die gebürtige Weingartnerin durch starke Auftritte bei den beiden vergangenen Weltcups in Hongkong und Australien auf sich aufmerksam gemacht, wirkliche Chancen auf eine Nominierung hatte sie sich dennoch nicht ausgerechnet. Doch nach dem Vorbereitungslehrgang in Frankfurt/ Oder fällte der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) die Entscheidung: Süßemilch zählt zum 23-köpfigen deutschen Aufgebot. „Das hat mich natürlich riesig gefreut.“Für die Aulendorferin haben sich damit die Mühen der letzten Monate ausgezahlt – vor allem aber ihr Mut. Im Sommer hatte Süßemilch ihr Training komplett umgestellt und auf ein neues Rad gesetzt. Nach kleineren Problemen zu Beginn kam sie immer besser in Tritt. Nun steht sie vor ihrer zweiten Weltmeisterschaft – und vor ihrem ersten WM-Rennen überhaupt. Vor zwei Jahren in Hongkong war die 23-Jährige zwar ebenfalls im Kader, da das deutsche Team aber bereits in der Qualifikation scheiterte, kam die Ersatzfahrerin nicht zum Einsatz.
Das soll in Berlin anders werden. Mit Franziska Brauße, Lisa Brennauer, Lisa Klein, Lena Charlotte Reißner,
Gudrun Stock gehört die U23Bronzemedaillengewinnerin der Junioren-WM 2019 zum deutschen Kader in der Mannschaftsverfolgung – der Königsdisziplin im Bahnradsport, bei der die Viererteams über 4000 Meter zunächst um die schnellste Zeit und anschließend im K.o.-System ums Weiterkommen und Edelmetall kämpfen. Da es – so die Hoffnung des BDR – am Donnerstagabend mehr als nur eine Fahrt für das deutsche Team geben wird, rechnet Laura Süßemilch fest damit, zumindest einmal zum Einsatz zu kommen. „Die Disziplin ist anstrengend. Da ist es hilfreich, wenn man frische Fahrerinnen bringen kann.“
Seit Freitag befindet sich die 23Jährige bereits in Berlin, um sich mit dem Nationalkader auf die Heimwettkämpfe vorzubereiten. „Das wird etwas ganz Besonderes“, freut sich Süßemilch auf die Fahrten im Berliner Velodrom. „Unter unserem Helm hören wir zwar alles nur gedämpft. Aber die Stimmung wird bestimmt großartig und wird uns nochmal einen zusätzlichen Push geben.“
Mit dieser Taktik soll es für den BRD-Vierer möglichst weit gehen. „Das Ziel ist auf jeden Fall eine Medaille“, gibt sich Laura Süßemilch kämpferisch. Mit der Zeit, die die deutsche Mannschaft in diesem Jahr bereits gefahren ist, wäre man bei den Titelkämpfen im letzten Jahr noch Weltmeister geworden. Zwar hätten sich auch die anderen Mannschaften – allen voran Australien und Neuseeland – im Olympiajahr nochmals verbessert, aber „das Podest ist sicher nicht unmöglich.“
Unabhängig vom Gewinn einer Medaille ist bereits die Teilnahme an der WM ein Erfolg für Laura Süßemilch – vor allem mit Blick auf eine Nominierung für die Olympischen Spiele im Juli und August in Tokio. „Ich denke schon, dass sich meine Chancen auf Olympia verbessert haben. Aber ich muss weiter voll an mir arbeiten.“Der Trainingsplan wird also auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht kleiner.