Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Als die Abwasserfrage „sehr dringend“war
Abwasserverband Unteres Schussental gibt’s seit 50 Jahren – Tag der offenen Tür im Mai mit neuester Technologie
Von Roland Weiß
GMECKENBEUREN/TETTNANG/ ERISKIRCH - Vier Gemeinden nehmen vor 50 Jahren ein wegweisendes Vorhaben in Angriff: Eriskirch, Tettnang, Meckenbeuren und Kehlen (1972 eingemeindet) schließen sich zum AUS zusammen, zum Abwasserverband Unteres Schussental. Gilt 1969 als Gründungsdatum, so laufen im Februar 1970 noch immer Gespräche – vor allem im Eriskircher Gemeinderat, da die Kläranlage hier entstehen soll. Im Juli 1970 schließlich sollte das Landratsamt den Zusammenschluss genehmigen
Ungefähr in der zeitlichen Mitte zwischen all den Daten wird das 50Jahr-Jubiläum gefeiert – mit einem Tag der offenen Tür am Sonntag, 17. Mai 2020, wie Claudia Schubert auf SZ-Anfrage bestätigt.
Die Kämmerin der Stadt Tettnang leitet seit zwei Jahren die Geschäfte des AUS, als Kassenverwalterin ist sie freilich schon seit 25 Jahren mit an Bord und kennt den Verband „aus dem Effeff“.
Verbunden mit dem Jubiläumstag ist die offizielle Einweihung für die vierte Reinigungsstufe – zugleich die erste Anlage in Baden-Württemberg zur Spurenstoffelimination mittels Ozon. Mit ihr sollen Keime getötet und Hormone, Medikamentenrückstände und Mikroplastikteilchen aus dem Abwasser entfernt werden.
Kosten von fünf Millionen Euro (bei einer Landesbeteiligung von 1,1 Millionen Euro) sind für die Ozonungsanlage veranschlagt. Die endgültige Abrechnung steht aber noch aus, so Claudia Schuberts Hinweis.
Seit 1976 ist das Klärwerk in Gmünd in Betrieb – ausgelegt auf eine Reinigungsleistung für 50 000 „Einwohnergleichwerte“, so der
Fachbegriff. Und schon vor dem jetzigen „Meilenstein“(Claudia Schubert) der Ozonung hatte die Anlage immer wieder die Nase im Wind: Von Beginn an arbeitete sie mechanisch wie vollbiologisch, sodass die geklärten Abwässer in den Mündungsbereich der Schussen im Bodensee eingeleitet wurden – bekanntermaßen der größte europäische Trinkwasserspeicher.
In Gefahr schien der in den 70erJahren durch Eutrophierung. Der unerwünschten Anreicherung mit Nährstoffen wurde 1985 mit der Verschärfung des Grenzwerts für Phosphor
begegnet. Schon damals kam der Eriskircher Anlage Pionierarbeit zu: Von 1992 bis 1994 wurde die Flockungsfiltration gebaut, um gezielt Stickstoff zu eliminieren – zugleich die erste am Bodenseeufer.
Änderungen hat es in diesen 50 Jahren nicht nur bei der Frage gegeben, wie der Klärschlamm zu entsorgen ist (zuletzt 2017 auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt). Auch für Studien ist die Eriskircher Anlage beliebter Anlaufpunkt. In den Langzeiterhebungen zu „SchussenAktiv“war sie wichtiger Teil, und aus den Studienergebnissen hat der AUS dann 2018 den Schluss gezogen, dass eine Ozonungsanlage vonnöten ist.
Doch nochmals zurück ins Jahr 1970: Zwar war die Abwasserfrage im unteren Schussental als „sehr dringend“empfunden worden – was aber ein Ringen im Detail in technischen und finanziellen Fragen nicht ausschloss. So traf sich Eriskirchs Gemeinderat unter Bürgermeister Blank zur Sondersitzung. Ein Thema: eine Verlagerung des KlärwerkStandorts. Er sollte nicht mehr so nah an der Schussenmündung liegen, sondern nach Süden abgesetzt sein.
Und: Die Kostenteilung beschäftigte die Gemüter. Zumal verschiedene Systeme aufeinandertrafen: So entwässerte die Stadt Tettnang im Mischsystem – und daher mit größeren Mengen. Hingegen wollte die Gemeinde Kehlen „unter hohen Investitionen“im Trennsystem kanalisieren und entsprechend geringere
Mengen ableiten. Bei all dem blieb der gemeinsame Ansatz vorrangig, sodass in der Sitzung auch schon festgelegt wurde, wer Eriskirch in der AUS-Verbandsversammlung vertreten soll – Valentin Gebhard, Dillmannshof, mit Ernst Zodel aus Schlatt als Stellvertreter.
Bei der aktuellen Kostenteilung ist ein Schlüssel von 52 Prozent für Tettnang, 33 für Meckenbeuren und 15 für Eriskirch festgelegt. Für das Jahr 2018 (noch ohne Ozonungsanlage) hatten 1,19 Millionen Euro als Betriebskosten zu Buche gestanden.
Und im Blick über den Jubiläumstag hinaus? Da ist der 19. Mai ein fester Termin, mit der nächsten AUSSitzung im Besprechungsraum der Kläranlage. Dann könnte sich der Ausblick womöglich schon auf neue Kanäle in Meckenbeuren richten, für die derzeit Untersuchungen laufen. Die Themen gehen dem Jubilar sicherlich nicht aus.