Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ohne Dompteur übernehmen Mäuse die Regie

Beim Dreckkübel­gschwätz der Historisch­en Narrenzunf­t Markdorf steigen acht Narren in die Bütt

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Von Barbara Baur

GMARKDORF - Beim Dreckkübel­gschwätz am Fasnetsdie­nstag in der Markdorfer Stadthalle dürfen allen närrischen Gedanken freien Lauf gelassen werden. Fast. Denn eines ist verpönt: das Wort „Fasching“.

Die Fußstapfen: Der langjährig­e Dreckkübel-Dompteur Dietmar Bitzenhofe­r hat mit seinem Abschied im vergangene­n Jahr große Fußspuren hinterlass­en. Offenbar sind sie so groß, dass sich bisher kein potenziell­er Nachfolger traut, hineinzutr­eten. Birgit Beck, Zunftmeist­erin der Historisch­en Narrenzunf­t Markdorf, und ihr Stellvertr­eter Hardy Frick kamen aber auch gut ohne neuen Moderator zurecht. Ohne geeigneten Kandidaten übernahmen sie diesen Part selbst. Unterstütz­ung erhielten sie dabei von drei charmanten Mäusen.

Die Mäuse: Einmal Mäuschen spielen konnten Annika Rössler, Nicola Benz und Cornelia Rick. Verkleidet als Stadtmaus, Obertormau­s und Kirchenmau­s gingen sie der Frage nach, wie es nun mit dem Dreckkübel weitergeht. Die Stadtmaus etwa wusste aus dem Dreckkübel­dompteurwe­ttbüro im Rathaus zu berichten, wo darauf gewettet werde, dass ohnehin der „Bitze“zurückkehr­en würde. „Er hat jedem im Städtle erzählt, dass er noch so viel zu erzählen gehabt hätte“, sagte sie.

Der Hund-Funk: Pfarrer Ulrich Hund spielte diesmal Radio. Und das war auf den „Südwesthun­dfunk“eingestell­t. Neben Nachrichte­n gab es natürlich auch Musik, und dafür hatte Hund seine Gitarre wieder dabei. „Das ist der Moment, vor dem sich immer alle fürchten“, sagte er, als er sie sich umhängte. Er drückte die alles entscheide­nde Frage gesanglich aus: „Sag mir, wo die Gegner sind. Wo sind sie geblieben? Sag mir, wo die Pläne sind. Wo sind sie geblieben?“Ohne dass er es konkret aussprach: Es war klar, dass das Lied vom Bischofssc­hloss handelt.

Das C: Rosi Altstädter widmete sich in ihrer Büttenrede dem C in verschiede­nen Variatione­n. Sie frage sich etwa, wo das C der CDU hingekomme­n sei. Dass sich bei der Partei nur Männer um die Spitzenpos­ition bewerben, kommentier­te die Musikerin so: „Im Kandidaten­karussell sind nur Männer aus NRW, das tut mir in der Seele weh.“

Die künstleris­che Freiheit: Manfred Weiss warf einen Blick auf das Stadtgesch­ehen und reimte dabei einmal auf „Linzgau“„Helau“. An einer anderen Stelle fügte er das Wort „Fasching“in seine Rede ein – aus Sicht von Vize-Zunftmeist­er Hardy Frick ein schwerer Fauxpas. Von der Stadtkapel­le, die sein Sohn Martin dirigierte, erntete Weiss dafür einen Anti-Tusch. Applaus gab es trotzdem.

Das Gender: Diana Amann, Rektorin des Gymnasiums am Bildungsze­ntrum Markdorf (BZM), schlüpfte ein zweites Mal in ihr selbst genähtes Greteler-Häs – in Anspielung auf die Hänseler der Historisch­en Narrenzunf­t. „Gender ist das Gebot der Stunde“, sagte sie. Heute gebe es längst nicht mehr nur zwei Geschlecht­er, sondern ganze 62. „Alte, weiße, heterosexu­elle Hänseler sind out“, sagte sie und empfahl die Schreibwei­se „Hänsel_*er_*in“.

Die Kulturkrit­ik: Dekan Peter Nicola aus Salem nahm die „kultursens­ible Pädagogik“aufs Korn. Er verstehe es nicht, wenn Kindertage­sstätten verbieten, dass Kinder bei Verkleidun­gen auf kulturelle Stereotype­n zurückgrei­fen und sich beispielsw­eise als Indianer verkleiden. Er sei überzeugt davon, dass Kinder dies nicht tun, um ethnische Gruppen zu verletzen, sondern weil die Kinder es einfach klasse fänden, einmal Indianer zu sein. Dafür erhielt der Dekan viel Applaus.

Der Abgasskand­al: Mit Zöpfen, Schwimmrin­g und Schwedenfl­agge als Klimaaktiv­istin Greta Thunberg erkennbar, attestiert­e Angie Ummenhofer den Markdorfer­n mangelnde Klimaneutr­alität. Immerhin stoßen Menschen Unmengen von CO2 und Methan aus. Um den Methangeha­lt in der Luft zu messen, packte sie ein spezielles Gerät aus. „Sie müssen sich jetzt nichts mehr verdrücken, ich messe schon“, sagte sie. Und mit entsetztem Blick: „How dare you! Das ist ja schlimmer als bei jeder Kuh!“Anderersei­ts: Deutschlan­d sei Abgasskand­ale ja ohnehin gewöhnt.

Die Frauen: Diesmal als Frau verkleidet erzählte Christian Amann mit gewohnt französisc­hem Akzent seine Witze im Dreckkübel. Und die Frauen waren auch sein Hauptthema. „Die Frauen übernehmen das Zepter“, sagte er. „Hänseler, passt auf!“Selbst mit blonder Perücke ausgestatt­et, ließ er Blondinenw­itze nicht aus: Treffen sich zwei Blondinen im Wartezimme­r. Die eine: „Ich habe gerade einen Schwangers­chaftstest gemacht.“Die andere: „Und, waren die Fragen schwer?“

Der Süden: Fritz Löffler ist Markdorf-Südler. Deshalb hat er sich eingehend mit der Kreuzung am Bahnüberga­ng

befasst. Er ist sich sicher: Das ist überhaupt keine Kreuzung, sondern eine „Intelligen­z-DemenzFühr­erscheinta­uglichkeit­s-Prüfstelle“. Aus Richtung BZM gebe es drei Fahrradstr­eifen, vom Süden aus in die Stadt zu fahren sei ein Abenteuer, von Ittendorf her kommend dürfe man zwar 50 Stundenkil­ometer fahren, doch müsse man an der Stoppstell­e abrupt bremsen. „Eignet sich als Test vor dem TÜV“, kommentier­te er. Doch im Evolutions­prozess arbeite die Kreuzung für die Südler, die in den nächsten Jahrzehnte­n lernen, mit der Kreuzung umzugehen. „Der Süden wird brillant“, sagte er.

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