Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Lebensretter am Spielfeldrand
Defibrillatoren bieten im Notfall schnelle Hilfe – warum sie an Sportplätzen besonders wichtig sind
GLINDAU/BIBERACH - Es gibt Situationen, in denen zählt jede Sekunde. Matthias Lübbers weiß das, genauso wie Michael Thanner. Beide Männer sind im vergangenen Jahr beim Sport plötzlich zusammengebrochen. Beide konnten gerettet werden, weil ein Defibrillator in der Nähe war – und Menschen, die wussten, was zu tun ist.
Matthias Lübbers war einst Fußballer, Jugendleiter und -trainer beim FC Wacker Biberach. Bis heute macht er das Stadionheft – obwohl er seit knapp zehn Jahren in Berlin lebt. Vor einigen Wochen lief er für die Ü60 des 1. FC Union Berlin auf – und erlitt einen Herzinfarkt. Der gegnerische Torhüter und ein Defibrillator, den es auf dem Sportplatz des TSV Mariendorf gibt, retteten dem 60-Jährigen das Leben.
Ein paar Monate vorher, eine ähnliche Situation auf dem Lindenberger Eisplatz: Michael Thanner brach dort während des Sommertrainings der Alten Herren zusammen. Seine Teamkollegen reagierten schnell: Einer raste auf Inline-Skates zum nächsten Defibrillator, ein anderer begann direkt mit einer Herzdruckmassage. Zusammen retteten die beiden dem 56-Jährigen das Leben.
Mehrere Hundert Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland beim Sport einen plötzlichen Herztod. Grundsätzlich senkt regelmäßiger
Ausdauersport das Risiko. Sport kann aber auch zur Gefahr werden. „Sport wird dann gefährlich, wenn die Belastung übertrieben wird oder wenn das Herz eine Vorschädigung hat“, erklärt Jürgen Reich vom Kreisverband Lindau des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK).
Dabei sind Defibrillatoren an Sportanlagen nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Grundsätzlich, sagt Reich, ist der Landkreis Lindau mit Defibrillatoren ganz gut ausgestattet. Dem Kreisverband sind landkreisweit immerhin rund 150 Standorte sogenannter automatisierter externer Defibrillatoren (AED) bekannt. Wie viele davon in der Nähe von Sportanlagen sind, weiß aber auch Jürgen Reich nicht. Zwar haben in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und auch Sportvereine Defibrillatoren angeschafft, eine Pflicht dazu gibt es aber nicht. Ein weiteres Problem: Es gibt auch keine Meldepflicht, genaue Zahlen gibt es deshalb nicht. Viele Geräte sind in Bankgebäuden untergebracht, wo sie vor Wetter geschützt und trotzdem 24 Stunden am Tag zugänglich sind. Schlechter sieht es in Lindau selbst aus. „Auf der Insel ist mir zum Beispiel nur ein einziges Gerät bekannt, das rund um die Uhr zugänglich ist“, sagt Reich. „Das ist eigentlich zu wenig.“
Denn wenn ein Defibrillator benötigt wird, geht es vor allem darum, möglichst wenig Zeit zu verlieren. „Mit jeder Minute, die ein Elektroschock später kommt, sinken die Überlebenschancen des Betroffenen um sieben bis zehn Prozent“, erklärt Reich. Benötigt werden die Geräte bei einem Herzkammerflimmern, wenn also das Herz, statt in normalem Rhythmus zu pumpen, auf einmal hektisch zuckt. Ein Defibrillator holt das Herz dann mit einem starken Stromstoß aus seinem Krampf, danach fällt es von selbst in seinen normalen Rhythmus zurück.
Angst, im Ernstfall etwas falsch zu machen, brauchen Helfer nicht zu haben. Die Defibrillatoren, die in der Öffentlichkeit bereit stehen, sind für Laien konzipiert. Eine Stimme aus dem Gerät leitet den Ersthelfer Schritt für Schritt durch die Prozedur. „Wenn man darauf hört, kann man nichts falsch machen“, sagt Reich.
Zumindest für das Biberacher Stadion hat die Stadt Biberach eigenen Angaben zufolge bereits einen weiteren Defibrillator geplant. Und auch im Eisstadion in Lindenberg gibt es seit dem vergangenen Jahr ein Gerät samt Ersthelfer-Set und speziellem Wandschrank für den Außenbereich. Die 3000 Euro Anschaffungskosten teilten sich Firmen, Privatpersonen und die Stadt. Damit im Notfall auch anderen Sportlern so schnell geholfen werden kann wie Matthias Lübbers und Michael Thanner.
„Mit jeder Minute, die ein Elektroschock später kommt, sinken die Überlebenschancen um sieben bis zehn Prozent.“
Jürgen Reich, Bayerisches Rotes Kreuz