Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hirschlatt ist noch nicht vom Tisch
Erneute Offenlegung: 30-Hektar-Gewerbefläche wird nochmal Thema.
Von Alexander Tutschner
GFRIEDRICHSHAFEN - Der Häfler Gemeinderat hat sich vor knapp zwei Wochen mit 21 zu 16 Stimmen gegen die Ausweisung einer 30 Hektar großen Gewerbeoptionsfläche südlich von Hirschlatt ausgesprochen. Das Thema ist damit jedoch längst noch nicht vom Tisch. Denn wie der Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke im Gespräch mit der SZ bestätigte, ist angesichts der Bedeutung von Friedrichshafen als wirtschaftlichem Zentrum der Region nicht klar, ob sich die Verbandsversammlung an das Votum des Gemeinderates hält. Außerdem wird der Entwurf des Regionalplans nach Einarbeitung von rund 3500 Eingaben noch einmal offengelegt. Das heißt, Hirschlatt könnte dann neu bewertet werden.
„Wir werden nochmal offenlegen, nicht wegen Hirschlatt, sondern weil die rund 3500 Eingaben zu Änderungen des Entwurfs führen“, sagt Franke der SZ. Und wenn man den Plan nur an einer Stelle ändere, müsse man ihn wieder offenlegen. Man werde an der ein oder anderen Ecke bei den Grünzügen Änderungen vornehmen, sagte Franke, ohne auf Details eingehen zu wollen. Es gebe auch Überlegungen, weitere Siedlungsgebiete auszuweisen und am ZentraleOrte-System etwas zu ändern. Die Mitarbeiter des Regionalverbandes arbeiten seit Januar die Eingaben ab. Zu jeder Stellungnahme wird ein Abwägungsvorschlag gemacht. Noch vor der Sommerpause soll dann ein neuer Entwurf des Regionalplans von der Regionalversammlung beschlossen werden. Anschließend, also etwa im Bereich Juli/August, wird der Entwurf erneut offengelegt. Dann können die Träger öffentlicher Belange nochmals Stellung beziehen. Für Hirschlatt heißt dies, man könnte seitens Friedrichshafen doch noch für das Gewerbegebiet stimmen. Franke hofft, dass man bis Ende des Jahres dann einen Satzungsbeschluss für die Fortschreibung des Regionalplanes bekommt.
Franke erwartet jetzt zunächst die Eingabe hinsichtlich des ablehnenden Bescheids des Rates zu Hirschlatt von der Stadt Friedrichshafen. Ob der Regionalverband aber die Ausweisung einer vorrangigen Gewerbefläche auf 30 Hektar hier zurücknimmt und es wie bisher bei einem Grünzug auf der Fläche belässt, ist laut Franke völlig offen. „Wir haben das ja nicht aus Bosheit ausgewiesen, sondern es geht hier um einen Standort unseres wichtigsten, wirtschaftlichen Kernraums der Region“, sagt er. Man bleibe im Bodenseekreis mit den ausgewiesenen 160 Hektar deutlich unter dem Bedarf von 220 bis 700 Hektar. Und man komme mit weiteren Ablehnungen wie jetzt in Friedrichshafen immer weiter weg von der Bedarfsdeckung. „Das ist ein völlig neuer Sachverhalt, den gab es noch nie in dieser Gesellschaft“. Es sei durchaus möglich, dass man der Verbandsversammlung vorschlägt, Hirschlatt im Entwurf drin zu lassen trotz des Votums von Friedrichshafen. Oder man werte andererseits das Votum des Rates als höheres Gut und berücksichtige die Tatsache, dass das Gebiet ohnehin durch einen Grünzug belegt ist. „Beides ist denkbar“, sagt Franke. Es gelte, die konträren Sichtweisen abzuwägen. Dabei gelte es, das Wohl der ganzen Region zu bedenken, nicht nur das einer Kommune. „Friedrichshafen ist Oberzentrum
und hat Aufgaben zu übernehmen.“
Eine Option wäre für Franke etwa, die vorrangige Gewerbefläche Hirschlatt zunächst im Entwurf zu belassen und dann abzuwarten, ob Friedrichshafen in der zweiten Runde erneut Einspruch erhebt, „oder auch nicht“, wie er sagt. Dann müsste der Gemeinderat in gut einem halben Jahr nochmal abstimmen, – „Hirschlatt reloaded“.
Zwei andere Gemeinden haben laut Wilfried Franke eine zu Friedrichshafen gegenläufige Eingabe gemacht. Sie möchten mehr Gewerbeflächen ausweisen. Dabei handelt es sich zum einen um Oberteuringen, das an der B 33 bei Neuhaus (an den Lidl-Discounter anschließend) ein Gewerbegebiet erschließen möchte. Und zum anderen um Owingen, das westlich der Landesstraße 195 ein neues Industriegebiet beantragt hat.
Bei beiden Standorten geht es um Flächen, die über zehn Hektar groß sind. Auch auf diesen Gebieten liegt laut Franke derzeit ein Grünzug. Ob sich hier Gewerbegebiete realisieren lassen, sei noch nicht klar. „Die Gebiete sind nicht einfach, wir sind am Anfang der Prüfung.“
In Salem wurde ein im Entwurf ausgewiesenes Gewerbegebiet vom Gemeinderat nur mit knapper Mehrheit befürwortet, in Uhldingen-Mühlhofen wurde eines abgelehnt. Auch diese beiden Flächen können bei der erneuten Offenlegung jeweils neu bewertet werden. Im Hinterland des Bodensees Gewerbeflächen überproportional auszuweisen, ist laut Wilfried Franke problemlos möglich. Etwa auf früher militärisch genutztem Gelände in Sigmaringen oder Mengen. Das Problem sei, dass diese Flächen gerade für international tätige Unternehmen keine Option seien.