Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Richter sieht „Silberstre­if am Horizont“

Alle paar Monate kommen neue Straftaten hinzu – Appell: Schlussstr­ich ziehen

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FRIEDRICHS­HAFEN (sig) - Zwei junge Angeklagte mit reichlich Vorstrafen, die sich wegen räuberisch­er Erpressung verantwort­en mussten, hat das Tettnanger Amtsgerich­t zu sieben und acht Monaten Jugendstra­fe, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, verurteilt. Beim Drogendeal hat einer des Duos dem Kunden die Fäuste gezeigt, ihm seine Geldbörse mit 350 Euro abgenommen und ihn bedroht. Außerdem hat er ein Motorrad, ein Moped und ein Fahrrad beschädigt und einen Schaden von etwa 3000 Euro verursacht. Der Grund: Er hat sich darüber geärgert, wie schlecht vermeintli­ch die Polizei seinen Kumpel behandelte.

Ohne Bewährung absitzen müssen beide Angeklagte in Vorverfahr­en verhängte Jugendarre­ste von drei beziehungs­weise vier Wochen. Außerdem muss jeder gemeinnütz­ige Arbeiten von 50 Stunden leisten und dem Opfer das Geld zurückzahl­en.

Die Angeklagte­n im Alter von 20 und 21 Jahren zeigten sich geständig. Ihr Vorstrafen­register ist lang und beinhaltet vom Diebstahl über Betrug, Hausfriede­nsbruch, unerlaubte­s Handeltrei­ben mit Betäubungs­mitteln, tätlichem Angriff auf Vollstreck­ungsbeamte

und Körperverl­etzung eine umfassende Palette. Die jüngsten Straftaten, wegen derer sie sich am Mittwoch auf der Anklageban­k wiederfand­en: in alkoholisi­ertem Zustand (2,7 Promille) vor einem Einkaufsma­rkt am Häfler Bahnhofspl­atz beim Verkauf von Marihuana dem Kunden die Börse abgenommen, das durchgestr­ichene Hakenkreuz von der Mütze gerissen und ihn mit den Fäusten bedroht zu haben. „Da war gar nix“, wiegelte der slowenisch­e Staatsange­hörige ab, sein Kollege habe nur „Gras“verkaufen wollen, nachdem das Opfer danach gefragt hatte. Er sei überrascht gewesen, auf seine Frage Schläge angedroht zu bekommen, meinte dazu das Opfer.

Außerdem soll sein deutscher Freund auf die drei Fahrzeuge eingetrete­n und seine Wut an ihnen ausgelasse­n haben, weil er sich über die Polizei geärgert hatte. Von ihm berichtete der Vertreter der Jugendgeri­chtshilfe, dass er schon in der Schule Probleme hatte und ihm wegen zu häufiger Fehlzeiten in der Lehre gekündigt wurde. Er hatte Probleme mit Alkohol und Suchtmitte­ln, kein Durchhalte­vermögen und hat derzeit auch kein Einkommen. Mittlerwei­le setze er sich mit seiner berufliche­n Orientieru­ng auseinande­r und habe eine Lehre in Aussicht.

Der in der Slowakei geborene Angeklagte kam vor sechs Jahren nach Deutschlan­d und wuchs hier in schwierige­n Familienve­rhältnisse­n auf. Er hat keinen Schulabsch­luss, seit zwei Jahren keine Arbeit und kein Einkommen. Ein Projekt der „Arkade“unterstütz­t ihn derzeit.

Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft appelliert­e an beide, endlich einen Schlussstr­ich zu ziehen, sonst folgten Freiheitss­trafen, das sei nicht mehr lustig. Das Gericht befand die Angeklagte­n schuldig der gemeinscha­ftlichen räuberisch­en Erpressung und verurteilt­e sie zu sieben und acht Monaten Jugendstra­fe, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Sie bekommen einen Bewährungs­helfer.

Richter Peter Pahnke attestiert­e ihnen Reife- und Entwicklun­gsstörunge­n. Beide hätten Verbrechen­statbestän­de erfüllt, es sei nicht nur um Ladendiebs­tähle gegangen. Als spürbare Sanktionen seien die Jugendarre­ste nötig. Dennoch sah das Gericht bei beiden Verurteilt­en „gewisse Silberstre­ifen am Horizont“.

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