Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hubert Aiwanger: „Die Bundesregierung ist ein Totalausfall“
Der bayerische Wirtschaftsminister liest beim politischen Aschermittwoch der Freien Wähler in Kressbronn den Regierenden die Leviten
Siegfried Großkopf
GKRESSBRONN - Großer Bahnhof für den bayerischen Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger im Gasthaus „Max & Moritz“in Kressbronn. Zum politischen Aschermittwoch der Freien Wähler BadenWürttemberg war er aus München über die Landesgrenze gekommen, um vor allem den Regierenden in Berlin und Stuttgart die Leviten zu lesen. „Die Bundesregierung ist ein Totalausfall – und das seit Jahren“, scheute er sich nicht vor Kritik an der Schwesterpartei. Sein Ziel: Die Freien Wähler in die Landtage und in den Bundestag zu bringen.
Landesvorsitzender Klaus Wirthwein sprach in seiner Begrüßung von „politischen Brandstiftern“in den Parlamenten, die man aufhalten wolle, um weiterhin mit Stolz die Nationalhymne und den Text „Einigkeit und Recht und Freiheit“singen zu können, anstatt „Auferstanden aus Ruinen“. Gäbe es die Freien Wähler in den Landtagen, hätte es die AfD schwerer, rief er zur Unterstützung und Wahl seiner Partei auf.
Der bayerische Wirtschaftsminister zeigte sich „hellauf begeistert“ von der Tradition des politischen Aschermittwochs, der 1919 vom bayrischen Bauernbund geboren wurde und nach Baden-Württemberg übergeschwappt ist. Er lobte politische Weichenstellungen durch die Freien Wähler und dabei deren Einsatz zur Wiedereinführung etwa der Meisterpflicht im Handwerk, die trotz Globalisierung „nicht über den Haufen geworfen“werden sollte. Die mittlerweile reduzierte Kassenbonpflicht nannte er eine „Lachnummer für die Bundesregierung“.
In Sachen alternative Antriebsformen für das Auto forderte er, endlich den Wasserstoffantrieb nach vorne zu bringen, die Tankstellen-Infrastruktur auszubauen, aber auch den Verbrennungsmotor im Angebot zu behalten. Aiwanger sieht die Bundesregierung in einer Frontstellung gegen das Auto und die Wirtschaft und forderte, die Energiewende „nicht mit Schaum vor dem Mund“zum Erfolg zu verhelfen (wie es die Grünen täten) und stattdessen die Bürger mitzunehmen. Letzteres gelte auch für die Alten in der Gesellschaft, die er teilweise gemobbt sieht, anstatt sie mitzunehmen und ihnen für das Geleistete zu danken. „Unsere Omas sind keine UmweltSäue“, wandte er sich unter großem Beifall dagegen, die Senioren in Sachen Umwelt an die Wand zu stellen.
Ähnlich gehe es Hausbesitzern, die immer mehr gegängelt würden, anstatt ihnen Steuerfreiheit zu gewähren, sofern sie Wohnraum schaffen. „Schafft die Erbschaftssteuer ab, dann wird mehr investiert“, verwahrte er sich dagegen, Mieter gegen Vermieter auszuspielen, anstatt zum Eigentum zu stehen. „Wir wollen als Freie Wähler auf allen Ebenen wählbar sein“, sprach er sich für deren Kandidatur in Landtage und den Bundestag ein. Das System vertrage weitere Parteien. Es sei dringend nötig, wertkonservative liberale Politik sichtbar zu machen. Der CDU müsse ein „Aufpasser“zur Seite gestellt werden, und das seien die Freien Wähler, die noch Werte vermittelten.
Die Bevölkerung müsse mehr mitgenommen werden. Aus jungen Menschen im Ehrenamt würden später weder Aussteiger noch Amokläufer, ist er auch überzeugt, dass es ein Fehler wäre, Cannabis freizugeben.
Wer Drogenkonsum verharmlose produziere Sicherheitsrisiken. Ihm ist lieber, einer isst ein Schnitzel mehr als dass er Drogen nimmt.
Aiwanger bedauerte die Abschaffung der Wehrpflicht, die Sozialkompetenz vermittelt habe, und plädiert für ein freiwilliges soziales Jahr für alle. Den Sozialdienst attraktiv aufgestellt, würde manchen Unsinn verhindern. Für die Bundeswehr und deren Patronen müsse man fast schon sammeln gehen, forderte er ihre ordentliche Ausrüstung und Wiederherstellung deren Verteidigungsfähigkeit. Ein Desaster weil „Schnapsidee“nannte er die deutsche Mautpolitik. Die Freien Wähler hätten sie immer hinterfragt und sie als Fehler bezeichnet. „Lassen wir doch die Autobahnen offen“, appellierte er für eine europäische Verkehrspolitik, die verhindere, vor lauter „Pickerl“nicht mehr aus den Frontscheiben schauen zu können.
Die Gäste bedachten die Rede des Wirtschaftsministers mit viel Applaus. Dabei wurde Kritik laut, dass kein Vertreter der Gemeinde wenigstens zur Begrüßung Hubert Aiwangers gekommen war. Das hätte trotz Gemeinderatssitzung möglich sein müssen, hieß es unisono.